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Sonntag, 9. April 2017

DAS hätte auch Hillary Clinton so gemacht (2)


Teil 2) Warum diese Politik wirklich perspektivlos ist





Es kann keinen Zweifel geben, daß das Abendland - die "westliche Kultur" also, sofern sie noch eine solche ist, auf jeden Fall war sie das einmal, ist das ihre Wurzel - inmitten der islamischen Vielfalt nur einen wirklichen, weil möglichen Gesprächspartner hat, und das ist die Schia, das sind die Schiiten. Denn innerhalb der Schiiten gibt es nachweislich starke Strömungen, die auch viel politischen und kulturellen Einfluß haben und sogar das reale Geschehen (speziell im Iran) seit 1979 (Sturz des Schah-Regimes) stark dominiert haben, in denen etwa Heidegger eine große, hierzulande aber völlig unbekannte Rolle gespielt hat und nach wie vor spielt. 

Die auf eine Wiederaufnahme der im 9. Jahrhundert radikal abgeschnittenen Wurzeln in der griechischen Philosophie - dem logos - hinauslaufen. Damit erst wäre jene Gesprächsmöglichkeit mit dem islamischen Raum hergestellt, von der so manche heute phantasieren, ohne deren Boden - logos, also Vernunft - zu sehen. Ohne den alles Reden Gequatsche oder bestenfalls pragmatisches, kurzfristiges "Irgendwie-Übereinkommen" bleiben muß. Wie wir es so handfest mit der Türkei seit vielen Jahren erleben.

Freilich haben diese Richtungen im Islam - und nicht weniger in Europa bzw. im Westen! - einen Haken, und der wird wohl auch den Ausschlag geben, daß die Realpolitik das genaue Gegenteil anzupeilen scheint: Sie sind gegen jene "westizistisch-kapitalizistisch" deformierte Un-Kultur gerichtet, die sich auch in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges so verheerend und zerstörerisch ausgebreitet hat. 

Weshalb sich in diesen Ländern - die Rede ist vom Iran, vom Irak, in gewisser Weise auch von Syrien, das der Schia seit Jahrzehnten freundlich gegenüberstand, alles Länder bzw. Völker mit einer jahrtausendealten Kultur, auf jeden Fall aber auch vom Yemen, dessen Islam ebenfalls der Schia (Zähiriten) nahe ist und deshalb von Saudi Arabien (noch vor 50 Jahren reines Nomadenland) heute kriegerisch bekämpft wird; dazu kommt ein Teil der Palästinenser (Hisbollah), die sich gegen den Wahabitismus richten - ein starker, aber keineswegs irrationaler "Anti-Amerikanismus" ausgeprägt hat. Der in seinem Grundton nämlich mit der Kulturkritik des abendländischen Westens nahezu identisch ist (ohne, ja gerade nicht auf eine Gleichsetzung der beiden Religionen und Kulturen abzuzielen, sondern ein "kultiviertes Nebeneinander in gewußter kulturell-religiöser Gegnerschaft" hinausläuft)

Das alles vor einem weiteren Hintergrund, der Syrien zu mehr macht als zum bloßen und sinnlosen Kampf um strategische Vorteile und schon gar Öl. Denn seit vielen Jahren und zunehmend hat sich auch in Rußland eine starke geistige Strömung aufgebaut, die von Putin immer direkter vertreten und im Land längst breite Zustimmung findet - und die praktisch identisch mit den erwähnten geistigen Entwicklungen in der Schia-Islam-Welt ist. Mit praktisch derselben kritischen Haltung gegenüber dem Westizismus und US-Amerikanizismus. 

Ohne daß der Westen es bemerkt hat, der in einem stupiden Kalter-Krieg-Denken und geistiger Trägheit erstarrt ist, die ihn die wahren Auseinandersetzungen gar nicht mehr bemerken läßt (stattdessen wird diese Kulturkritik mit "Rechtsradikalismus"-Keulen totgeschlagen, wo immer man sie findet), hat sich hier ein geistig-kultureller Raum zu formieren begonnen, der von Rußland über Persien tief in den Nahen Osten reicht. Der Hintergrund dieses scheinbar nur außenpolitisch-militärischen Konflikts wird also tatsächlich immer prinzipieller und schicksalsentscheidend - sogar für die Welt. Mit geistigen Auseinandersetzungen, die in Europa noch nicht einmal ansatzweise ähnlich ernsthaft rezipiert werden. Der in den "neu-rechten" Bewegungen und Parteien zwar und noch recht ungereinigt aufflackert, aber in den Augen des VdZ nur wenig realpolitische Chancen hat. Wenn, dann läge es - an den USA. Und hier scheint sie bereits am Anfang zu unterliegen, wie sich jetzt zeigt. 

Als geistige kulturreformatorische Entwicklung die auf ein Europa trifft, das sich spätestens durch die geschickte Propaganda im Rahmen des "Kalten Krieges", der zu einer Identifikation der meisten Westeuropäer (und auch der Kirche) mit dieser Unform von Kultur, die in Wahrheit konkretes politisches Interesse war und ist, geführt hat, aus der sie nicht mehr herausfinden. Europa ist zumindest in seiner offiziellen Politik fast nicht mehr reformfähig und hat auch außenpolitisch alles verschlafen, sich damit als Gesprächspartner fast schon aus dem Rennen genommen.

Die übrigen - sunnitischen, schon gar wahabitischen (El-Quaida!) - Richtungen des Islam akzeptieren den Widerspruch. Für sie ist Gott deshalb reiner Wille, reine Willkür. Dieser Islam ist einer Begegnung auf der Ebene der Vernunft nicht zugängig. Ein Umgang mit ihm kann somit nur rein pragmatisch und damit kurzfristig geprägt sein. Er wird deshalb auch ummöglich von der Verbindung mit der Scharia (als politisch-rechtlicher Komponente) zu lösen sein, und das ist auch historisch eindeutig belegbar. Und er wird auch - und das ist der groteske Widerspruch sogar in den vorgeblichen Zielen der US-Außenpolitik: "Demokratisierung" - niemals einen Zugang zur Demokratie finden können, wie immer man das bewerten mag. Denn der Sunni-Islam ist direkt an ein despotisches Zentralregime gebunden. Vernunft kann die Umma nicht zusammenhalten.

Ja, hörte ich unlängst, ist nicht Jordanien ein Beispiel für eine Ausnahme? Nein, das ist ein Irrtum. Jordanien hat sich den Frieden genau um das gekauft, was Europa auch macht: Durch Selbstauflösung einerseites, und durch starke Polizeigewalt anderseits (nur spricht man darüber hierzulande nicht), hat sich Jordanien weitgehend offiziell quasi verwestlicht, sich damit als Israel-Gegner neutralisiert, ist aber damit zur Marionette des Westizismus geworden, von Israel hier, von Arabien dort gewissermaßen als Puffer eingerichtet. Das wird innerhalb des Landes noch zu schweren Spannungen führen, dessen ist sich der VdZ sicher. Jordanien ist kein Weg der Zukunft, sondern ein alter, perspektivloser Irrweg.

Damit ist die US-Außenpolitik im Nahen Osten in wirklich jeder Hinsicht perspektivlos, und widerspricht allen vorgegebenen Zielen eigener Politik. Eine Freundschaft mit den Schiiten lehnt man ab, weil es sogar an die eigene Kulturproblematik ginge, und die Allianz mit den völlig jeder abendländischen Kultur fremden und unvereinbaren, dialogunfähigen Sunniten (v. a. Arabien; aber auch der IS ist sunnitisch, und die Türkei liefert gerade den besten Beweis für die Richtigkeit der Thesen auf diesen Seiten) hat nur soweit und so lange Bestand, als sich immer wieder neu zu findende und prinzipien- weil vernunftlose pragmatische Lösungen finden lassen. Sie ist deshalb aus ihrem Wesen heraus auf einen unbefriedbaren Dauerkonflikt, ja Krieg angelegt, weil sie sich nicht komplett zurückziehen will. Und weil sie das ist, ist sie auf ... militärischen Sieg angelegt. 

Sieg von wem? Das möge sich nun der geneigte Leser selbst zusammenreimen, denn "Öl" spielt zwar eine, aber bei weitem nicht die entscheidende Rolle. (Asien ist schon viel zu stark, um von den USA noch übers Öl in Schach gehalten zu werden.) Kleiner Tip: Es hat mit der Haltung der Sunniten zu Juden zu tun. Ein Friede im Nahen Osten, der mehr ist als die zufällige Abwesenheit oder Unterdrückung von (Gegen-)Krieg, ist damit und so lange die amerikanische Außenpolitik den denselben Interessen gesteuert bleibt wie derzeit unmöglich. Aber das zu ändern würde eine Kulturreform (im wahrsten Sinn) in den USA und im Westen generell voraussetzen. Die mit "America first" zwar einen ersten Anknüpfungspunkt hätte, den aber auch Donald Trump offenbar nicht wirklich aufgreift. Wie es aussieht, kann sich auch er nicht aus den selbstzerstörerischen Widersprüchen befreien, die die USA seit vielen Jahrzehnten deformieren.





*070417*