Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 28. April 2017

Irritation durch Einbruch von Vernunft

Irgendwie ist der Bericht der WDR-Reporterin Cecilia über ihren Selbstversuch bemerkenswert, auch durch manches Unausgesprochene. Die junge Frau hat sich nämlich eine Woche lang ausschließlich über "Alternativmedien" informiert und Meinungen gesucht, die nicht der ihren entsprechen. Medien, die der Mainstream normalerweise vollständig ablehnt und ignoriert, weil sie angeblich falsch informieren. Das Ergebnis dieser Woche war für sie selbst überraschend. So überraschend, daß sie sich doch wieder ein wenig an ihre bisherigen Lebensgewohnheiten klammert und die Mainstream-Medien konsumiert. Weil die neuen Informationen, die sie hier erhielt, sie "verunsichert" haben. Erstmals fiel ihr auf, daß die Mainstream-Berichterstattung oft recht eigenartig faktenvoltatil ist. "Plötzlich lesen sich die Headlines (der Mainstreammedien) komisch; als würde dort etwas weggelassen." Dabei mache diese Alternativinformation durchaus Sinn, und ihr sei aufgefallen, daß dort alles hinterfragt und widerlegt (sic!) werde.

Interessanterweise sagt sie selber, daß sie Dinge erfuhr, die sie sonst nicht erfahren hätte. Dinge, die ihre Weltsicht erschüttert haben und noch mehr erschüttern könnten, sodaß sie Angst hatte, an dieser (angeblichen) Filterblase "irre" zu werden und den Versuch nach knapp einer Woche abbrach. Dabei liegt der Hauptunterschied nicht in den Daten - die kommen auf beiden Seiten der Medienlandschaft vor - sondern in der Interpretation. Wie weit diese Interpretation auseinanderklafft, das habe sie erschreckt.

Vielleicht sollte man dem Mädchen erklären, daß ohne Interpretationshorizont aus Daten gar keine Fakten werden? Daß also auch der Mainstream einen solchen Horizont hat, sodaß der "Streit" ein Streit um Weltsichten, um Gesamthorizonte und Interpretationen dessen ist, was jene Wirklichkeit ist, die die Welt bewegt. (Denn gerade mit "richtigen Daten" läßt sich am gefährlichsten lügen.) Die sogenannte "Objektivitätsforderung" ist also ohne den genuin christlich-abendländischen Ansatz eines die ganze Welt tragenden logos, einer Wahrheit in der alles eingebettet ist, zu der hin sich zu öffnen ein persönlich-sittlicher Akt ist, gar nicht zu verstehen. Erst dann kann man von Wahrheit sprechen. Nur "Daten" zu verlangen, zu meinen, daß sich daraus "Objektivität" ergäbe, ist überhaupt nicht möglich. Ausschließlich im Rahmen von Weltbildern kann erst Information als Information erkannt und damit zur Information werden. Sonst bliebe Welt pures, nie als etwas erkennbares "Datengestöber".

Übrigens liegt ja genau darin ein sehr aktuelles Problem. Die junge Journalistin ordnet alles, was NICHT Mainstream ist, in eine einzige Filterblase ein, als wäre diese Alternativszene ein Ganzes. Genau so freilich, wie es viele, die die Unzureichendheit der bisherigen Leitmedien erkannt haben - und dazu braucht es nicht sehr viel - auch tun. Die alles heiligsprechen, was "gegen" auftritt. Dabei aber übersehen, daß sich innerhalb dieses kritischen Spektrums ebenso, ja gar nicht wenige ideologische Geprägtheiten, Widersprüche und Unwahrheiten bewegen, die in letzte Konsequenz sogar in genau das (!) münden, was am heutigen Mainstream in Medienlandschaft, thematisch in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik so kritsiert wird.

Anderseits ist dies einer der interessantesten Aspekte innerhalb der sogenannten "alternativen Medienlandschaft". Vorausgesetzt, man übersieht es nicht, und diese Gefahr scheint dem VdZ sehr akut. Denn er sieht weit und breit noch keine geistige Auseinandersetzung um diese Tatsache, in der die alternativen Medien in Wirklichkeit das eigentliche Feld einer öffentlichen Diskussion sein könnten. Denn die Mainstreammedien führen solche Dispute schon lange nicht mehr, sie gehören nur noch einer einzigen Anschauungsgruppe zu, jede Diskrepanz in Teilmeinungen etc. ist nur peripher und unwesentlich. DAS macht sie ja zu Bestandteilen des Establishments, das macht sie nämlich zu Gliedern in der Front von Systemerhaltern, die sich im Krieg wähnen. Oder, wie es Michael Klonovsky vor kurzem ausdrückte: Merkmal eines totalitären Staates ist, daß die Medien die Opposition kritisieren.

Wobei Cecilia das Offensichtlichste übersieht, sie selbst bestätigt es indirekt: Die Konsumenten dieser sogenannten Alternativen Medien (in denen sich links und rechts auf seltsame Weise die Hand geben) ignorieren die Mainstreammedien keineswegs. Anders als die üblichen Konsumenten dieser Medien, die jede Alternativberichterstattung ignorieren - ihr selbst sogar waren alle diese Medien unbekannt. Man könnte also schon die Frage stellen, wer denn nun da in einer "Filterblase" lebt - der Mainstreamkonsument, oder der, der nach anderen Informationsquellen sucht. Immerhin aber gibt die Journalistin preis, daß sie zukünftig zwar weiterhin den Mainstream konsumieren, doch um manche der alternativen Medien ergänzen würde.









*240417*