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Montag, 17. April 2017

Gustostückerl zum Osterfest

Und so gilt von der H-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach quasi das Umgekehrte wie von Brahms. Das Werk, das manchmal "das größte Kunstwerk der Musikgeschichte" genannt wird, ist noch tief katholisch, und Bach versucht nicht einmal das zu kaschieren, umzuschaffen, er nimmt es wie es ist: Das zeigt sich im Werk.

Das eine Fuge, ja ein Feuerwerk von Fugen auf Gott ist, in die Bach sich ergeht, sodaß die Messe - weil "zu lang" - praktisch nie (in einem Stück) liturgisch gebraucht wurde. Sie trägt aber noch denselben "sensus fidei" wie der Katholizismus, und davon ist ja auch das gesamte Werk von Bach durchdrungen. Bis der Protestantismus sein furchtbares Werk entfalten konnte und ins Fleisch aller Menschen dieses Raumes drang, dauerte es noch hundert Jahre. Erst mußte das Fleisch, die Kultur real geknackt werden. Die Überzeugungen folgten dann.

Vielleicht, wenn schon, ist das etwas Protestantisches an der H-Moll-Messe, daß sie sich zu sehr in der Musik und die Liturgie etwas aus den Augen verliert. Aber zu Ostern darf auch eine Liturgie schon mal zwei Stunden und mehr dauern. Die Texte, die Bach verwendet, ihre Ordnung unterscheiden sich aber nicht vom katholischen liturgischen Usus. Sie enthalten auch dasselbe Glaubensbekenntnis - bis hin zum "unum sanctum catholicam et apostolicam ecclesiam", denn Bach hat sich ans alte Ordinarium gehalten.

Anders als Franz Schubert im 19. Jahrhundert, dessen "sensus fidei" von dem von Bach schon abwich und der das "catholicam" wegließ, was ihn lange vom Gebrauch in katholischen Gottesdiensten ausschloß. Was heute kaum noch jemanden zu stören scheint, Schubert gilt als voll liturgiefähig. Ab und zu freilich flickt man das "catholicam" noch ein, und sei es in einer der Stimmen parallel. Bach hat es jedenfalls original drin.

Bach zeigt, wie sehr im 18. Jahrhundert die sogenannte protestantische Kultur in Deutschland im tiefsten Fleisch noch katholisch geprägt war. Erst im 19. Jahrhundert begann Deutschland wirklich in zwei Kulturräume zu zerfallen, ein Problem das man heute sträflichst (!) unterschätzt. Man sieht hier aber noch förmlich die wogenden Prozessionen, die Einzüge der Priester und Bischöfe, die ausufernde Liturgie, die einem Ostertag angemessen ist - Tanz der Engel, Tanz der Himmel, Tanz der Welten zur zeitlosen, "zwecklosen", einfach nur schönen Ehre Gottes.

Wem es schon beim Kyrie nicht in den Beinen zuckt, wer nicht die Menschen mit den Engelschören in einem wogen und schreiten sieht, dem ist nicht mehr zu helfen. Hier schreit, jubelt, tanzt die Welt vor dem König, dem Herrn, dem Allerhöchsten! Tut das, was sie immer hätte tun sollen, und wozu sie immer noch berufen und - in der Auferstehung hineingeholt und neu geweckt ist. In jener Liturgieordnung, in der sie und die ganze Welt letztlich aufgehen wird, und die sich am Ostertag (das Fest selbst dauert ja sieben Tage, bis zum "Weißen Sonntag") in ihrer Vollkommenheit darstellt, als Bild der Zukunft. Laudate, jubilate!

Gustostück bei den Solisten: Gundula Janowitz und Hermann Prey.









*020417*