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Samstag, 8. April 2017

Eine Ruferin in der Wüste

Einige recht kluge Bemerkungen macht die Klimawisssenschaftlerin Judith Curry auf ihrem Blog zum jüngst initiierten "Marsch der Wissenschaftler" in Washington, mit dem sie präluminativ gegen die befürchteten (!) Kürzungen von Forschungsbudgets protestieren. Daß sie dabei ab und an "evidenz- und faktenbasierte Klimapolitik" fordern wirkt aber wie ein nettes Mäntelchen, denn daß die unter Obama so unselig verstärkte "Politisierung der Wissenschaft - Verwissenschaftlichung der Politik" so manche Faktenblüte ans Tageslicht gebracht hat (wie der jüngst aufgedeckte Skandal, daß vor dem Klimagipfel in Paris ganz gezielt Statistiken gefälsch worden waren, um den Druck auf die Entscheidungsträger etwas zu erhöhen - macht nix, dient ja alles der guten Sache ...) hat der Wissenschaft selbst sehr großen Schaden zugefügt und gefährdet mit stumpfsinnigen (und im übrigen falschen, das heißt: in NLP schön umgetopften) Sätzen wie "97 % der Wissenschaftler sind im Konsens: Der Klimawandel ist menschengemacht" ihre Glaubwürdigkeit. 

Aber eben, so Curry, ein wirkliches Anliegen ist den Protestierenden nicht zu entnehmen. Alles bleibt "so irgendwie". Weil eh alle wissen, was gemeint ist? Wirklich? Wird, so die Wissenschaftlerin, die resigniert aus dem offiziellen Universitäts-Forschungsbetrieb ausstieg weil er nur noch Politik betreibe, aber nicht mehr wissenschaftlich forsche,  ja diese Forschung sogar direkt beschränke und dafür "zweckdienliche Ergebnisse" akzeptiere, sonst gibt es kein Geld, wird also nicht gerade so ein gaz seltsames Bild erzeugt?

Denn die einen werden diesen Aufmarsch dazu benützen zu sagen: Die Wissenschaft ist gegen Trump. Und die anderen werden sagen: Seht, es geht denen keineswegs um wissenschaftliche Fakten, es geht ihnen nur ums Geld, nur um Politik! Und haben damit gar nicht so Unrecht, denn dieser Protest ist ein Protest der nur ein klar erkennbares Ziel hat: den Protestierern selber zu dienen. Und das hat einen soliden Beigeschmack.

Deshalb führt Curry einige Empfehlungen (Übertragung vom VdZ) an, die sie Wissenschaftlern dringend ans Herz legt, damit sie endlich begreifen, daß es um die Reputation der Wissenschaft als solche geht, die in der ganzen Klimadebatte bereits schwerstens in Gefahr geraten ist. Sie schreibt:
  • Stellen wir Wissenschaft doch endlich als Prozeß der, der sie nämlich ist, nicht als eine Liste von "Fakten", und laden wie die Öffentlichkeit ein, sich an diesem Prozeß zu beteiligen.
  • Wissenschaftliche Institutionen brauchen eine Reform ihrer selber, und Wissenschaftler sollten aus ihrem Elfenbeinturm kommen und sich mit der realen Welt auseinandersetzen. [link]
  • Universitäten brauchen ein neues Geschäftsmodell und Anreizstrukturen für Fakultätsmitglieder, die sich nicht auf staatliche Forschungsgelder berufen müssen, sondern sich nur an den Kriterien der Fakultät orientieren, die das Ziel haben muß, Studenten aller Stadien eine wissenschaftliche Ausbildung zuu vermitteln, und dadurch den Bedürfnissen der Gesellschaft zu dienen.
  • Wissenschaftler brauchen ein weit besseres Verständnis für politische Prozesse, über die Rolel die Wissenschaft darin spielt, und wie wissenschaftliche Komplexität, Mehrheitsmeinung und Unsicherheiten in der Wissenschaft im politischen Prozeß verwendet werden. "Evidenzbasierte Politik" ist zwar ein guter politischer Slogan, reicht aber nicht, um die eigentlichen politischen Prozesse zu beschreiben. [link]
  • Wissenschaftler müssen damit aufhören Wissenschaft dazu zu verwenden, um von der Plitik verlangte Ziele zu unterstützen.
  • Wissenschaftler müssen mehr tun als sich nur dann zu wehren, wenn unzutreffende Argumente und falsche Politik auftauchen. Wir müssen die Öffentlichkeit vielmehr aufklären, ja, sogar noch mehr, wir müssen sie einladen, sich unabhängig vom politischen Spektrum aktiv mit Wissenschaft auseinanderzusetzenn. [link]

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Übrigens sind ihre wöchentlichen Rundschauen über aktuelle Wissenschaftsereignisse und Studien immer wieder sehr interessant. Sie tun genau das, was Judith Curry fordert: Sie machen deutlich, daß Wissenschaft ein ständiger Prozeß ist, und keine "Faktensammlung", die irgendwann "settled" sein könnte. In der Woche des obigen Blog-Eintrags stellt Curry da etwa Berichte über verbesserte Vorhersagemethoden zur Sommerausdehnung des arktischen Eises vor, oder nennt Datenbankenadresssen, berichtet von einer Studie die zu dem interessanten Ergebnis kommt, daß höhere Lufttemperaturen gegenteilig zur bisherigen Meinung die Schneeschmelze VERZÖGERN, bringt neue Erkenntnisse zum Klima der Vergangenheit, so die, daß die mittelalterliche Warmzeit offenbar den gesamten Globus umfaßt haben könnte, oder Forschungsergebnisse die zur Auffassung kommen, daß sich die Labrador-See bis Ende dieses Jahrhunderts beträchtlich abgekühlt haben wird, was zu unvorhersehbaren Folgen für das Klima weil einer Unterbrechung des Erwärmungstrends (den Curry im übrigen für tatsächlich gegeben hält) führen würde, oder verlinkt zu neuen Erkenntnissen zur Rolle der tropischen Regenwälder bei der Klimastabilisierung, verlinkt Berichte über die starken Schneefälle in Grönland von zuletzt, oder zu neuen Erkenntnissen über die offenbar weit größere Rolle, die die Art menschlicher Landnutzung auf den CO2-Eintrag in die Atmosphäre spielt, als bisher angenommen wurde, etc. etc.




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