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Freitag, 21. August 2020

Offener Brief an Herrn Vona von der Jobbik (2)

Teil 2) Auch hier ist Realismus einerseits, 
Vision anderseits höchst notwendig. 
NOTWENDIG.


Erst, Herr Vona, müssen Sie die Ungarn an die Wachheit, Leistungsbereitschaft Österreichs und Deutschlands heranführen. DANN können wir über gleiche Löhne reden, ja - dann würden sie sich auch automatisch einstellen. Bestellen Sie einmal einen Handwerker, lassen Sie ihn eine Leistung erbringen, kaufen Sie hier Fleisch, Obst, Gemüse, Therapiestunden, was auch immer - und dann kaufen Sie die dem Begriffe nach selbe Leistung in Österreich. Dann wissen Sie, wovon die Rede ist. Wollen Sie dieselben Leistungen auch in Ungarn, dann bezahlen Sie auch dasselbe, ja noch mehr. Und dieses "noch mehr" ist das wahre Problem, an dem sich die Schwierigkeiten Ungarns tatsächlich abzeichnen.

So, wie die Ungarn sich heute gerieren, verstärkt die Jobbik nur die elendige Haltung vieler Bürger der Staaten des ehemaligen Ostblocks, als wäre der Wohlstand des Westens in der Lotterie gewonnen worden. Nein! Wer wie der VdZ viele Jahre Vergleichserfahrung hat (und viele kennt, die diese Erfahrung bestätigen), der weiß, warum der Durchschnittslohn der Ungarn kaum die Hälfte eines Österreichers ausmacht, ja oft noch viel weniger.

Hier zeigt sich vielmehr also eine seltsame "Absolutheit" des Geldes, die in keiner Volkswirtschaftstheorie bislang ausreichend reflektiert wurde. Deren Richtigkeit, Zutreffendheit der VdZ aber immer und wieder festgestellt hat. Daß sich nämlich Preise, Einkommen, Leistungsprofile und Leistungen auf ganz seltsame Weise (und in ihrer Art) WELTWEIT gleichen. 

Wenn man etwa bei Urlauben im Ausland feststellt, daß es irgendwo wesentlich billiger ist, dann nur, weil man nicht bedenkt, wieviel an Abstrichen man in Kauf nimmt. Die einen hier und dort nur nicht stören, weil man sie unter "Eigenart" verbucht. Einfach aber nun Begriffe beliebig gleichzusetzen - sagen wir: "Essen gehen", oder "Taxi fahren", Dienstleistungen erbringen, was auch immer - um "Preise" und "Löhne" zu vergleichen zwischen Österreich und Thailand oder Ghana oder Ungarn, das, werter Herr Vona, ist schlichtweg grotesk. 

Denn grundsätzlich gilt tatsächlich, daß die Preise von Leistungen (also: der geschaffene Wert) zu den Löhnen (und deren Wert) irgendwie in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Und wenn es den Ungarn absolut verglichen (relativ ist der VdZ gar nicht der Meinung, denn die Ungarn haben auch andere Prioritäten, die sich in ihrer Lebensweise ausdrückt) schlechter geht, dann weil er sich keine Vorstellungen davon macht, was ein Österreicher oder Deutscher für diese verglichenen Einkommen geben muß. Und was er sich nicht leisten kann, was sich aber Ungarn oft und oft leisten (nur hier ist leisten anders gemeint).
So oft leistet, daß man jeden Österreicher nur warnen kann und muß, denn er ist in Ungarn beliebtes Jagdobjekt einer Neidgesellschaft, die darauf abzielt, ihn zu bescheißen. Die nur Geld möchte. 
Gier ist ein schweres Problem Ungarns, Herr Vona, wie überhaupt das weithin fehlende Gefühl für Wert! Aus dem heraus dann noch gejammert wird, daß man zu wenig verdient.

Und wenn der VdZ noch weniger an Miete zahlt (wiewohl nur hier im Stadtvergleich die Mieten niedriger sind) so nur, weil es absolut solche Wohnungen in Österreich nicht mehr gibt - weil es dort Substandard, weil es dort Abbruchhäuser, wie sie hier bestehen, die aber noch voll bewohnt werden, nicht mehr gibt, weil er auf Standard verzichtet, auf den er zu verzichten bereit ist, weil er - wie viele Ungarn - andere Prioritäten hat.

Ja, das trifft keineswegs immer zu, der VdZ hat auch positive Erfahrungen gemacht, und hat sich seine Lieferanten, Restaurants etc. mit der Zeit ausgesucht. Aber immer wieder, wenn er vertrauensselig seine Vorsicht ablegt, erfährt er dasselbe. Was ist das für eine Volkswirtschaft, wo man mit der Ausnahme die Regel zu erstellen versucht? Denn was immer der VdZ gegen Österreich und Deutschland zu sagen hat - das ist dort wirklich anders. 

Freilich, auch dort wird es sich drehen. Diese jungen Generationen, diese Zuwanderer - wer soll nach dem Abtritt dieser derzeitigen Leistungsgenerationen (und das ist bald, sehr bald, in zehn, fünfzehn Jahren!) das so lange gewohnte, alltägliche Leistungsniveau erbringen? Aber dann werden auch dort die Einkommen und der Wohlstand fallen. Vermutlich sind sie also bald auf heutigem ungarischem Niveau. 

Löhne und Leistungswert, das ist die Parität, auf die es ankommt. Und hier hat jede Volkswirtschaft ihre Maßstäbe, ihre Harmonien. Die einen mehr, die anderen weniger, ja, aber im großen Ganzen sind das die Verhältnisse. Änderungen sind dort zu leisten, wo es um Umschichtungen geht. Frauen wieder in die Familien etwa. Dann verdient der Mann wieder mehr. Aber solche Programmpunkte hat auch die Jobbik nicht. Familienförderung wird auch dort als plumpes Zuschieben von Geld verstanden, ohne Nachdenken, welche Auswirkungen auf die innere Beziehungsstruktur das hat. So wird auch die Jobbik zu einer simplen Sozialstaats-Partei, die auf Umverteilung setzt, und damit nur eine "bessere" sozialistische Bewegung wird.

Die Ungarn wollen leben wie die Deutschen? Dann müssen sie auch wie die Deutschen SEIN. Nicht nur deren Ernten fordern, oder so tun als wie jene tun, in der Hoffnung, niemand merke den Unterschied.
Simulation ist sogar eine der Grundkrankheiten ungarischer Wirtschaftsleistung, die dem Volkscharakter nicht immer in seinen besten Seiten entgegenkommt. Auch das ist historisch in Ungarn nicht ohne Beispiel. Wollen Sie das weiter pflegen, Herr Vona? Weil die EU (und das stimmt wohl schon) sowieso blöd ist?
Was Ungarn zuerst und substantiell bräuchte wäre eine Leistungsinitiative, lange VOR jeder Einkommensinitiative. Was Ungarn bräuchte wäre ein Begreifen von Wert, dann kann man auch Arbeit und Einkommen richtig taxieren, weil man begreift, daß gerechter Lohn ein Recht ist. Diesmal, aber nur diesmal wirklich. Aber das muß einem keiner mehr sagen. Wer ehrlich arbeitet hat keine Scham, gerechten Lohn zu fordern. Wer nicht ehrlich arbeitet hat diese Scham aus natürlichen (ontologischen) Gründen. Der glaubt eben, Lohn, Einkommen, Wohlstand wäre so etwas wie ein Diebesgut, das man sich sichern müßte. Wovon? Von welchem Wert?

Was Ungarn bräuchte, wäre ein Begreifen, daß freie Marktwirtschaft NICHT heißt, daß der gewinnt, der den anderen besser ums Ohr haut, der mehr "clever" ist - das glauben auch im Westen nur all jene Träumer von Politikern, die wir haben, jene "Wirtschaftstreibenden", die von nichts eine Ahnung haben und in Wahrheit Schmarotzer am Gemeinwohl sind. Denn der Westen, Österreich, Deutschland, lebt in Wahrheit seit je von jenen, die noch wirkliche, ehrliche, wahre Leistung erbringen, die einzig (!) Werte schaffen.

Wer ehrlich gearbeitet hat bekommt auch ein Gefühl für Wert und damit für gerechten Preis und damit für gerechten Lohn, das ist der Ehrlichkeit, aus der alleine wahres, substantielles Selbstbewußtsein entsteht, immanent. Nur die die gar nicht an ehrliche Leistung denken, träumen von höheren Löhnen als Gerechtigkeit weil Adäquatheit von Wohlstand zwischen hier und dort. Da haben den Ungarn sogar die Tschechen und Polen und Slowaken viel voraus! Und manche Putzfrau auch hier in Sopron weiß es besser als Sie, Herr Vona.

Herr Vona, es gibt noch einen Punkt, den noch kein Parteiprogramm in Ungarn aufgenommen, vermutlich auch nie wahrgenommen hat.  Denn Ungarn hat sich 1946 durch Ausweisung einerseits, durch Depotenzierung anderseits, jener Schichte an Bürgern (Deutsche) entledigt, die bis dorthin seit dem 13. Jahrhundert und zunehmend mit der Geschichte jene Leistung erbracht hatten, die auch deutsches und österreichisches Niveau und deshalb Einkommen und deshalb Wohlstand hatten. Aber welches Land, bitte schön, verkraftet es, seine Mittelschicht zu entsorgen? Wo sollen denn all die Leistungsträger, Kleinunternehmer etc. etc. herkommen? An Ungarn sieht man: Sie konnten nicht ersetzt werden. Viele Handwerksberufe etwa gibt es nicht mehr, und das Niveau vieler Handwerksbetriebe und Produkte ist erbärmlich. (Viele! Nicht: Alle!)

Hat die Jobbik schon einmal daran gedacht, die einst ungerecht Vertriebenen (denn sie waren nicht jene "Nazis", die kommunistische Gier, kurzsichtig wie alles linke Denken, als solche deklariert hat, um ihren Besitz zu konfiszieren, sich zu bereichern - wie dumm!) offiziell (und unter Raunen einer Entschuldigung) einzuladen, zurückzukehren? Noch heute kommen "Deutsche" - Vertriebene oder deren Nachfahren - und stehen vor den oft so verfallenen, nie geliebten (wie auch?) Ödenburger Häusern und weinen ...

Theoretisch klingt das alles richtig und gut - Löhne, von denen man gut leben kann. Und der VdZ weiß aus vielfacher Erfahrung auch, daß westliche Firmen ungarische Löhne brutal ausnützen. Und dagegen sollte man vorgehen! 

Aber das wäre nicht möglich, wenn nicht das Leistungsniveau in Ungarn tatsächlich so unzuverlässig wäre. Man kann Österreich und Deutschland da und dort Verkrustetheiten vorwerfen, gut, manchmal mit Recht. Meist aber nicht. Denn diese Verkrustetheiten stammen letztlich alle aus einem System der Qualitätskontrolle. Über Jahrhunderte gewachsene - nicht "verordnete, staatsbedingte" - Systeme, die in Ungarn ganz offensichtlich fehlen.

Praktisch und allgemein gesagt braucht es für westliche Löhne "für alle" auch Bedingungen. Die bestehen derzeit nicht. Deshalb sieht der VdZ Gerechtigkeit keinesfalls hergestellt, wenn man (einem guten Teil der Ungarn) Löhne auszahlte, die nicht auf adäquater Leistung beruhen, sondern auf Schreibtisch-Abstraktionen von Gleichheit, die real nicht besteht. Man würde dem Land und seinen Menschen keinen Gefallen tun.

In diesem Sinne verbleibt, mit den besten Wünschen

Ihr

Verfasser dieser Zeilen (VdZ)  = Eberhard Johannes Ambrosius Wagner, vulgo "Ambrosius", der den Ungarn gegenüber immer noch sehr wohlgesonnen war wie ist, das Land, die Menschen, seine Geschichte, seine Stärken wie seine Schwächen etwas kennt, der Ungarn so liebt, daß er schon oft überlegt hat, ob er nicht - wie so viele Hunderttausende Deutsche vor ihm - "Ungar werden" sollte. Denn das geht bei einem Königsvolk.

Der VdZ, der seit 2007 in Sopron/Ödenburg mehr oder weniger wohnt. Die Stadt hat sich ja offiziell als zweisprachig definiert. Deshalb auch der Freimut, in Deutsch solche Dinge zu schreiben. Ödenburg hat offiziell immer noch zehn Prozent Deutsche als Bürger, trotz aller Magyarisierung. Trotz der Vertreibung eines Viertels - inoffiziell; offiziell waren es mehr, aber die Ungarn sind eben auch oft sehr sehr liebenswerte, menschliche Menschen; und es war genau der Mittelstand, die Weinbauern, die Handwerker, die Gewerbetreibenden ... Sopron hat bis heute seinen Mittelstand ersetzen können, die Folgen sind entsprechend - seiner Bewohner 1945.

Mailadresse: office@eberhardwagner.com
Webseite: http://www.eberhardwagner.com



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