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Samstag, 12. April 2008

Aus gekränkter Ehre - Der Verlust der Taborbrücke 1805

1805. Die österreichischen Truppen bei Ulm schwer geschlagen; die zu Hilfe eilenden Russen ziehen sich unter Rückzugsgefechten bei Lambach, Amstetten über Dürrnstein, wo sie den Franzosen noch eine erstaunliche Niederlage bereiten, auf die linke Donauseite nach Krems zurück, wollen sich in Böhmen mit den aus Rußland nachkommenden Truppen vereinen. Die Franzosen, seit Ulm den Österreichern im Nacken, rücken mit ihrer Vorausmacht auf Wien vor. Der Hof flieht nach Brünn, Napoleon rückt in Wien ein. Die 15.000 Mann unter Fürst Auersperg sollen ihn rechts der Donau halten, nur noch eine Brücke steht zwischen Napoleon und Kaiser Franz: Wenn die Franzosen nicht aufgehalten werden können, dann soll Auersperg sie verbrennen. Es ist die Taborbrücke, die bereits im Hussitenkrieg ihre Rolle spielte. Die Brücke ist also vollauf vermint, zur Sicherung befinden sich noch Kanonen auf ihr.

Die drei französischen Marschälle - sieggewohnt, entspannt - sondieren vor Ort die Lage. Da hat einer eine Idee ...

Sie nehmen einem Soldaten ein Leintuch aus der Hand, befehlen einem Bataillonskommandanten nach zwei Stunden zur Brücke nachzurücken, und gehen - unter Schwenken des weißen Tuchs - auf die verdutzten Österreicher zu. Dort, bereits auf der Brücke verlangen sie sofort Fürst Auersperg zu sprechen. Sie seien im Auftrag von Napoleon hier. Der habe mit Kaiser Franz ein geheimes Zusatzabkommen ausgehandelt, demzufolge der Krieg mit Frankreich beendet sei. Während der österreichische Oberbefehlshaber geholt wird, scherzen die Marschälle mit den österreichischen Offizieren und so nebenbei werfen sie bereits die ersten Brandsätze in die Donau. Tatsächlich erscheint bald der Generalleutnant, und er schmilzt unter den Komplimenten der Franzosen weg, glaubt ihnen die Geschichte: Er, die Perle des österreichischen Heeres! Der Held der Türkenkriege! Die Feindschaft sei endlich zu Ende, man könne sich die Hände reichen, Napoleon wolle endlich den ruhmreichen Fürsten kennenlernen. Der ist so entzückt von der herzlichen Atmosphäre, so beeindruckt vom Glanz der französischen Marschälle, daß er vergißt, daß er es mit Feinden zu tun hat, denn ihm liegen keinerlei anderen Befehle vor! Schon wird Wein geholt, das Ende der Feindseligkeiten gefeiert ...

Da beobachtet ein Sergeant der Österreicher, der zufällig bei den sich bereits in sehr weinseliger Stimmung befindlichen Offizieren rund um Auersperg steht, wie die Franzosen die Brücke auf ihrer Seite bereits zu besetzen beginnen. Schon sind die Kanonen gesichert, ja die Brücke gar bald genommen! Schon will er einen Warnschuß abgeben, da tritt einer der französischen Marschälle geistesgegenwärtig auf ihn zu, hält ihm die Hand fest! So ruft er: "Fürst, man will Sie betrügen! Die Franzosen sind bereits da!" Murat, der berühmteste der drei Marschälle, glaubt das Spiel nun endgültig verloren, wenn er den Sergeanten nicht zum Schweigen bringt. So wirft er sich wie ein Schauspieler in Pose, gibt sich erstaunt, wendet sich pikiert an Auersperg: "Ich bewundere die in der ganzen Welt bekannte österreichische Disziplin. Wie könnt Ihr da Eurem Untergebenen erlauben, so mit Euch zu sprechen!?"

Das ist genial - Fürst Auersperg fühlt sich in seiner Ehre gekränkt: Ein simpler Sergeant! Er bestraft ihn sofort mit Arrest ...

... doch es ist ohnehin bereits zu spät, die Brücke ist in französischer Hand, der Weg nach Brünn offen ... Ehrverlust. Aber wer hat sie verloren? Die Franzosen haben sie gar nie besessen. Der Effekt alleine zählte. Er hat die Ehre abgelöst. Die Welt des Scheinguts war angebrochen.

Diese Geschichte erzählt auch Tolstoi in "Krieg und Frieden."




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