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Montag, 7. April 2008

Ein Protestant als Kardinal!

(Leibniz 1685 im Gespräch mit dem Sekretär des Kardinals Casanata, Magliabechi, in welchem er vorgeschlagen hatte, die Naturwissenschaften weit stärker als bisher den Orden zu übertragen.)

"Nichts ist der Frömmigkeit gemäßer als die Betrachtung der bewunderungswürdigen Werke Gottes und der Vorsehung, die nicht weniger in der Natur als in der Geschichte und der Regierung der Kirche hervorleuchten. Solcher Beschäftigung die Frömmigkeit absprechen, hieße dieser Frömmigkeit die gediegene Nahrung entziehen und ihr nur trockene Meditationen übrig zu lassen, von denen die unbefriedigte Seele leicht zu leeren 'Spekulationen übergehen würde; die wieder alle Gefahr von eingebildeter Weisheit mit sich führen könnten. ... Ein "beschauliches" Klosterleben ist oft recht nur die Sehnsucht fauler Bäuche, so daß dadurch die ganze Kirche noch außerdem in den Verdacht käme, aus Angst vor wahrer Wissenschaft die Wissenschaft der Natur zu unterdrücken. Eben jene Naturwissenschaft, die recht eigentlich Domäne und Sprungbrett aufgeblasener Freigeister und Gottesleugner ist. (Leibniz war einer der europaweiten Vordenker wie -kämpfer gegen den pantheistischen Spinozismus und den rationalistischen Cartesianismus.) Während nach meinem Vorschlag die vereinigte Kerntruppe gelehrter und weiser Mönche, der edle Wetteifer uralter Orden untereinander, mit Leichtigkeit den Freigeistern auch auf ihrem eigensten Gebiet vor aller Welt den Rang ablaufen würde."
Zwar wurde dem Protestanten Leibniz die Stelle des Custoden der Vatikanischen Bibliotheken - eine Position, die traditionell und "automatisch" zum Kardinalat führte - angetragen, doch seine Vorschläge blieben denn doch unberücksichtigt. Im Gespräch mit Cardinal Casanata, dem das "Rosenkranzwunder" vorangegangen war, bei welchem Leibniz der Rosenkranz - Matrosen wollten den protestantischen "Ketzer" berauben und ermorden, als zufällig Leibniz anstatt des Messers in seiner Tasche nur einen Rosenkranz griff, den er zuvor geschenkt bekommen hatte, woraufhin die Matrosen in die Knie sanken - das Leben gerettet hatte, hatte Leibniz aber doch um Bedenkzeit gebeten, denn mitten in seine Gedanken war ihm die Lösung eines mathematischen Problems eingeschossen, so daß er die für einen Protestanten unfaßliche Ehre - Kardinal! - vorerst (und später überhaupt) ausschlug. Denn selbstverständlich sollte Leibniz - "vom katholischen Standpunkte aus noch mehr" - protestantisch bleiben.

Der Jesuit Grimaldi, der von diesem Gespräch berichtet, tat dies am Vorabend seiner Reise nach China, wo er am Hofe des Kaisers von diesem berufen die Stelle eines Präsidenten des mathematischen Tribunals in Peking im Gehorsam dem Orden gegenüber, der ihm die Annahme des Amtes befahl, bekleidete.

Übrigens: welche Entdeckung hatte Leibniz während des Gesprächs mit Cardinal Casanata? Pater Grimaldi SJ berichtet auch darüber: Leibniz hatte das binäre Zahlensystem (er nannte sie "Onadik") entdeckt. Er hatte entdeckt, daß sämtliche Zahlen aus EINS und NULL bildbar sind, zumal auch das Zehnersystem von der Ganzheit der Finger an den Händen ausgeht, sodaß mit acht vierziffrigen Zahlen die gesamten Möglichkeiten der Darstellung ausgeschöpft sind, während das Zehnersystem neuntausend vierziffrige Zahlen benötigt. Leibniz sah die Zahlen als Sinnbilder letzter Mysterien, demgemäß waren die NULL und die EINS Symbole für den Schöpfungsvorgang Gottes - creatio ex nihilo.

Und die Kardinalswürde? Leibniz hatte sie dann doch abgelehnt. Und zwar aus der Überlegung heraus, daß er - in Gehorsam der Kirche gebunden - eine Philosophie entwickelt hatte, die zwar bei Kirchenleitung, Kardinälen und Gelehrten größte Zustimmung fand, doch aus "pädagogisch-politischen" Gründen dennoch oder auch nur vielleicht "verboten" würde. Einem "vielleicht" aber wollte er seine Lebensaufgabe, zu der er sich sehr nüchtern berufen sah, nicht leichtfertig opfern: der Entfaltung seines Geistes im Dienste des (deutschen) Volkes.



*070408*