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Montag, 21. Oktober 2013

An der Brust der Mächtigen

Fritz Kern führt in "Gottesgnadentum und Widerstandsrecht" anhand zahlreicher historischer Belege aus, daß die Kirche das Geblütsrecht bei der Thronnachfolge und -besetzung aus prinzipiellen Gründen nie vertreten hat, sondern im Zweifelsfall immer für den Mächtigeren einstand bzw. diesen stärkte. Dem Grundsatz "gratia supponit naturam" folgend, war Tüchtigkeit, die für einen Regierenden auch Mächtigkeit hieß, der eheste Hinweis auf die Erfüllung des Willens Gottes.

Die fast mythische Überhöhung des Geschlechts eines Herrscherhauses war nicht prinzipiell Linie der Kirche, eher im Gegenteil - denn es war ein heidnisches Motiv, das in der vermeint göttlichen Abstammung der Herrscher gründete. Sie gehört aber der Neuzeit an*, entstand in der Renaissance, und führte direkt in den Absolutismus. Erst im 18. Jhd., zunehmend, wurde die Geschlechtsnachfolge auch in den jeweiligen Verfassungen europäischer Länder festgeschrieben.

Deshalb hat die Kirche auch vielfach Usurpatoren unterstützt, die Gottesgewolltheit betont. Weil Fähigkeit prinzipiell immer vor Geblütsfolge bzw. damit zusammenhängenden Legitimitätsfragen ging.

Eine praktische Linie darüber hinaus aber ist eher schwer herauszufinden, weil sich aus dem Mittelalter heraus durch verquickte Motivik in jeweils sehr spezifischen historischen Entwicklungen fast jeder Fall zu einem Einzelfall entwickelt hat. Wo die Kirche scheinbar doch die Geschlechtsnachfolge vertrat, geschah dies fast immer aus der Doppelnatur vieler Kirchenfürsten, die eben auch politische Gründe in ihrer Wahl berücksichtigten.

Zwar läßt sich natürlich der "Vorwurf" schmieden, daß sich die Kirche immer an die "Mächtigen" verkaufte. Aber nachdem die natürliche Ordnung nicht nur der Boden für die Gnade, sondern auch Ausdrück göttlicher Ordnung war und ist, hat die Kirche immer dazu tendiert, faktische Machtverhältnisse anzuerkennen.

Das sich im selben Zug herausbildende "Gottesgnadentum" hat sich so erst allmählich an ein Geschlecht geknüpft, und es war in dieser Form NICHT kirchlich motiviert, sondern in persönlichen Interessen der Herrscher. Kirchlich begründet ist nur die Anerkennung weltlicher Herrschaft ALS Gottes Wille, aber immer in Verbindung mit dem Leitsatz, daß ein Herrscher Gottes Willen auch zu erfüllen gewillt sein müsse.



*Wir haben an dieser Stelle in den Ausführungen zum Stauferkaiser Friedrich II. bereits diese Entwicklung aufzuzeigen versucht, wo (natürlich, aus der unseligen Entwicklung im 11. Jhd. unter Papst Gregor VII., den "zwei Reichen") das Kaisertum (bzw. das Königtum prinzipiell) im luftleeren Raum stand, und sich das obligate Ringen um Legitimation, Grundlage der Herrschaft, asiatischen Modellen annäherte. Von Friedrich II. ist es auf jeden Fall bekannt, er hatte u. a. eine enge Freundschaft zum ägyptischen Herrscher, und träumte zu Zeiten sogar von einem asiatischen Reich, träumte davon, Europa zu verlassen. Er hat nachweislich viele Gedanken aus der dort vorzufindenden Auffassung von Herrschertum geschöpft (in seiner unauflöslichen Verquickung mit der Göttlichkeit)




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