Wenn Marc Bloch schreibt, daß die Niederlage Frankreichs gegen Deutschland 1940 auf das Versagen der französischen Führung zurückzuführen ist, die nicht in der Lage war, "den Krieg zu denken", daß er - als Augenzeuge, Offizier, Mitglied der Resistance, der 1944 nach schwerer Folterung, als Widerstandskämpfer, nicht als Jude, von der SS erschossen wurde - beobachtet hat, daß die deutschen Soldaten "demokratischer" dachten und fühlten als die Franzosen; daß dort jeder Einzelne weit mehr "den Krieg dachte" als es die Franzosen taten, weshalb sie so siegreich waren; dann also zeigt sich ein enormes Gemengelage, dessen Fäden zum guten Teil sehr offen liegen. Wir werden darüber noch berichten.
Übrigens haben auch amerikanische Analysten dasselbe behauptet. Die Befehlsstrukturen der Deutschen waren weit dezentralisierter, jeder einzelne Offizier hatte weit mehr Handlungsspielraum, als die Amerikaner. Das machte einen Gutteil der Überlegenheit am Anfang aus. Dies vorerst nur zur Stützung der Beobachtungen Blochs von der demokratischen Reife der Deutschen.
Was für ein fatales Zauberwort. Vielseitig verwendbar, unabgrenzbar und uferlos, einfach aber "gut", wirkt es wie der Schlüssel zur Behauptung von allem und jedem, und damit zur Verwirrung und Auflösung von allem und jedem, leuchtet das Wort Demokratie aus dem Schrein der Unberührbarkeiten. Man muß es nur zuerst besitzen. Und so zieht es weiter seine Blutspur durch den Kordon der verordneten Blindheiten.
Was für ein fatales Zauberwort. Vielseitig verwendbar, unabgrenzbar und uferlos, einfach aber "gut", wirkt es wie der Schlüssel zur Behauptung von allem und jedem, und damit zur Verwirrung und Auflösung von allem und jedem, leuchtet das Wort Demokratie aus dem Schrein der Unberührbarkeiten. Man muß es nur zuerst besitzen. Und so zieht es weiter seine Blutspur durch den Kordon der verordneten Blindheiten.
Anrisse, die einen Gedanken nur weiter zuspitzen sollen. Nämlich den, der an dieser Stelle bereits mehrmals dargelegt und angerissen wurde: Daß unsere heutige Verfaßtheit als Gesellschaft im Nationalsozialismus ihren Wegbereiter hatte. Daß dieser erste vollauf moderne Staat nur Vorläufer unserer Gegenwart war, in nahezu allen Bereichen.
Wenn wir also mit der Abgrenzungs- und Erinnerungskultur scheinbar zu keinem Ende kommen wollen, dann hat das mit genau dieser Unbeholfenheit zu tun, in der dieser Umstand verschwiegen werden soll. Es wird versucht, sich von etwas abzugrenzen - meistenteils passiert dies mit einer Phänomenologisierung des Nationalsozialismus zu einer geschlossenen ideologischen Bewegung - von dem gar keine Abgrenzung möglich ist. Deshalb auch die Konzentration auf einzelne Phänomene aus jener Zeit, wo die Armbinde oder das Hakenkreuz Jugendlicher, schnell wo auf eine Wand geschmiert, zum Ausweis der Wiederbetätigung an sich, der Gesinnung hochgeschaukelt wird.
Die Sache liegt aber ganz anders. Sie liegt in etwa in jener Richtung, in der (ohne noch das Buch gelesen zu haben) Horst Ullrich's Hitlerbiographie liegen dürfte. In der Hitler als jemand gezeigt wird, der "aus der Mitte der Gesellschaft" kam.*
Wo sich die historischen Ereignisse aus einer seltsamen Verquickung unterschiedlichster Faktoren so entwickelten, wie sie es taten - zutiefst folgerichtig, logisch, und in einem weltweiten Strom der Haltungen, in dem der Grund zu suchen ist, warum der Nationalsozialismus bis in die späten 30er-Jahre von niemandem als "Gefahr" betrachtet wurde. Er war dem geistigen Strom der Zeit entnommen, besonders in den USA. Und man hat im Krieg gegen Nazi-Deutschland einen Stellvertreterkrieg geführt, in dem man sich vom eigenen Selbst distanzieren wollte. Kein geistige Strömung in Deutschland (die sich wie zufällig zum "Nationalsozialismus" gebündelt haben, einer in sich widersprüchlichen Anhäufung von Einzelthesen) war den anderen Ländern und Völkern unbekannt, sie waren allesamt höchst präsent, und keineswegs abgelehnt, sondern Teil der Gesellschaften.
Und als solcher hat alles überlebt, was - als Phänomen - nicht explizit und genau eingegrenzt ausgeschieden wurde. Als Sündenbock in die Wüste getrieben. Und als solche moderne Gesellschaften haben sie alle überlebt, und sich weiterentwickelt. Wir wollen es vorerst belassen, nur Blochs Aussage noch einmal bringen:
Die deutschen Soldaten waren 1940 weit demokratischer in ihrem Denken und Handeln als die französischen.
*Und diese Feststellung hat mit "Kollektivschuldthesen" rein gar nichts zu tun, ist in ganz anderer Weise zu verstehen.
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