Wer etwas werden will, der muß möglichst viele Ausbildungen, Zeugnisse, und vor allem namhafte Ausbildungsinstitute auf seiner Vita habe. Der muß ein Jahr im Ausland gewesen sein, muß wissen, wieviel er verdienen wolle, und sich tüchtig verkaufen, etwa auf Jobmessen präsentieren. So hört man es zwar oft, und zwar vor allem bei Bewerbern, die das als Plan realisiert haben.
Aber die Realitiät sagt etwas anderes: Wie eine Untersuchung von 36.000 Bewerbern und Anbietern bei Jobbörse zeigte, klaffen nämlich die Vorstellungen von Bewerbern und Anbietern deutlich auseinander, was als Kriterium zählt. Denn alle diese Dinge mögen nett und amüsant sein, aber sie sie geben nicht den Ausschlag, und erzählen oft etwas ganz anderes, als der Bewerber meint und weiß.
Eher sogar im Gegenteil, so sieht es auch der Verfasser dieser Zeilen (VdZ). Diese Auffassung von "Tauglichkeitserweis" mag zwar für Institutionen gelten, die geprägt von Wirklichkeitsferne sind, wie politische Ämter und Verwaltungsbehörden (und immerhin sehen 50 % aller Studenten ihre Zukunft in solchen geschützten Bereichen). Aber in der Arbeitswirklichkeit zählen ganz andere Faktoren - zählt nach wie vor eines: Wie interessant ist ein Bewerber wirklich. Aus einem gar nicht wirklich eingrenzbaren persönlichen Eindruck, seiner wirklichen Wirklichkeit.
Das ist nicht meßbar, das ist nicht vortäuschbar (bzw. nicht auf Dauer), und das ist auch nicht erzwingbar durch Zertifikate. Alle diese Instrumentarien sind in Wahrheit weit fraglicher, als sich viele träumen lassen. Schon gar, wenn Menschen glauben, daraus einen Anspruch auf Vertrauen durch einen Arbeitgeber abgeleitet sehen zu müssen. Und wenn jemand gar noch mit "objektiven Qualifizierungskriterien" daherkommt, sollten endgültig alle Alarmglocken läuten. (Was für bestimmte Anforderungen natürlich auch gelten muß - ein Stelle als Chemiker anzustreben, ohne die Chemie anforderungsgemäß zu kennen, ist damit nicht gerade gemeint.)
Wer viele Zeugnisse hat und vor sich herschiebt, hat aber oft nicht mehr bewiesen, als daß er viel zu viel Sitzfleisch hat, um Weisheiten und vorgetragene Meinungen einfach zu übernehmen und sich und sein Denken speziellen schulischen Anforderungen gleichzumachen. Zeigt, daß er viel zu sehr Angst vor den Realitäten hat, auf die er sich nicht, wie es oft heißt, "vorbereitet", sondern denen gegenüber er sich abzusichern trachtet. Wer als junger Mensch viel im Ausland war zeigt, daß er finanziell gut ausgestattete Eltern hat, oder weiß, wie man Förderinstrumentarien mobilisiert - aber mehr Lebenserfahrung läßt sich keineswegs daraus ablesen, denn gerade hier zählt Qualität, nicht Quantität. Wer als dummer Mensch ins Ausland fährt, wie noch dümmer zurückkommen, zumindest weil er nun gar glaubt, überlegen zu sein. Stellenanbieter wissen außerdem oft viel zu gut, daß solche Auslandsaufenthalte häufig bessere Urlaubsverlängerungen sind. Vielleicht, weil sie es von sich selber wissen.
In jedem Fall versagen alle Patentrezepte, die laudauf landab verkündet werden, so viel ist sicher. Wer sich erfolgreich bewerben möchte, wer etwas im Leben erreichen möchte, sollte deshalb vor allem eines beweisen: Daß er den offenen, wachen Blick für den Kairos, die Anforderung des Augenblicks hat, in dem er sich an eine Sache hinzugeben bereit ist. Weshalb er noch genug Potential hat, sich an einer Tätigkeit selbst formen, sich ganz konkret auf sie hin prägen zu lassen. Denn das ist der eigentliche Sinn jeder menschlichen Tätigkeit.
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