Der VdZ hat den Leser ja vorgewarnt - er hat sich v. a. früher sehr für Statistik interessiert, weil sie ein hervorragend geeignetes Phänomen ist, um zu verstehen, was heute passiert. Über seine Affinität zu Zahlen hat er ohnehin nie ein Hehl gemacht. Nun hat er sich also doch wieder etwas damit auseinandergesetzt, und dazu einen ausgezeichneten, interessanten Text eines Forschers des Max Planck-Instituts für Humanwissenschaften, Gerd Gigerenzer, gefunden. Das einleitende Wort ("The Abstract") soll dem Leser nicht vorenthalten bleiben.
The application of statistics to science is not a neutral act. Statistical tools have shaped and were also shaped by its objects. In the social sciences, statistical methods fundamentally changed research practice, making statistical inference its centerpiece. At the same time, textbook writers in the social sciences have transformed rivaling statistical systems into an apparently monolithic method that could be used mechanically.
The idol of a universal method for scientific inference has been worshipped since the “inference revolution” of the 1950s. Because no such method has ever been found, surrogates have been created, most notably the quest for significant p values (Wahrscheinlichkeitswerte bzw. Signifikanzen; Anm.).
This form of surrogate science fosters delusions and borderline cheating and has done much harm, creating, for one, a flood of irreproducible results. Proponents of the “Bayesian revolution” should be wary of chasing yet another chimera: an apparently universal inference procedure.
A better path would be to promote both an understanding of the various devices in the “statistical toolbox” and informed judgment to select among these.
Fazit: Die Statistik ist nicht wertlos, aber sie ist ein Problem dann, wenn sie als universale, objektive Methode der Findung absoluter Wahrheiten mißdeutet wird. Sie ist nämlich eine schöpferische Methode. Kein Herunterbrechen der Welt auf absolute Zahlen und Verhältnisse. Sie so zu verstehen passiert aber heute weitgehend. Damit nimmt die Konzentration auf Wahrscheinlichkeiten und Signifikanz der Wissenschaft aber ihr eigentliches Proprium: Den Mut zu Innovationen, den Mut zu Inspirationen, den Mut zum Risiko.
Aber noch mehr: In der Konzentration von Wissenschaft auf nachgewiesene Wahrscheinlichkeiten wirkt die Statistik wie eine Einladung zum Betrug (und Selbstbetrug) durch Manipulation von Forschungsdaten. Ja, Studien haben ergeben, daß viele Wissenschaftler erst NACH der methodischen Sicherung der Signifikanz mit der Erhebung wesentlicher Daten begonnen haben. Vielfach werden Korrelationen nachträglich durch selektive Datenwahl herbeikonstruiert. Das ist nicht einmal einfach als bewußter Betrug zu klassifizieren, es passiert eher unbewußt. Damit werden jede Menge Forschungsergebnisse produziert und publiziert, die zwar statistisch signifikant - aber unwiederholbar sind. Der wahre Schuldige aber, so Gigerenzer, ist der Glaube, daß die Welt in Statistik methodisch objektiv bzw. absolut darstellbar und damit prognostizierbar wäre.
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