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Samstag, 22. August 2015

Und kämpft gegen sich selbst

Die heutige Generation wehrt sich zuerst gegen den Vater, und sieht sich als Teil einer Masse des Allgemeinen Volkes, der Generation. Aber dort findest sie keine Identität, keine Individualität. Der Weg muß umgekehrt sein: Im Vater hat sich das eigene Erbgut bereits individualisiert, und muß erworben werden, damit es dann individuelle Gestalt annimmt. Als und mit Identität. Johannes, der Angst hat, vor mir nicht "er selbst bleiben zu können", muß sich nicht gegen mich wehren. Nicht ich aber bin sein Feind, der Feind seiner Individualität. Sondern die Masse draußen. So aber wenden sie sich zuerst gegen sich selbst.

Das hat auch mit der Umkehrung der Hierarchien in den Familien zu tun. Denn die Frau wird immer zur Auflösung in der Masse tendieren, wenn sie selbst die Individualisierung durch den Mann nicht aufgenommen hat. Oder den Mann instrumentalisiert, um ihr eigenes Süppchen in der Öffentlichkeit zu kochen. Meist vermischen sich ja diese Sachen. Auch der tragischeste Fall der verlassenen Frau moduliert ja seine Identität im Außen aus dem Bezug zum Mann. Als das, was ihr der Mann angetan, zugefügt hat.

Sie versuchen heute aber, zuerst den Vater kleinzuschlagen. Mit der Hilfe und Unterstützung der Mütter, der Masse. Denn das heißt ja in erster Linie Feminismus: Die Ablehnung der Individualisierung, deren Imitation durch Scheinindividualisierung, aus der Ablehnung dessen, was Identität wäre, die nur übernommen werden kann, die jeder Mensch verdankt. 

Mutternähe heißt: Unindividualisierte Eingebettetheit. Indvidualität ist dann nur noch zum Schein - im Notgriff - über vergegenständlichte Eigenheiten, in der Selbstvergewisserung und bewußten Selbstkonstruktion möglich. Also muß der Mann Vater und Mutter verlassen, um selbst Identitätsstifter - als Modus und Historizität einer übernommenen Identität - zu sein.

Denn der Mensch ist nur die Individualisierung eines Allgemeinen, des Menschseins überhaupt, zuerst, in seiner ersten Konkretisierung, der Familie. Das macht sein Personsein aus. In dem der Vater die Individualisierung der in einer Familie angelegten, immer vorhandenen Geschichte, eines Erbes ist.* Identität, Individualität wird als zuerst über den Vater angenommen, und dann in einer immer eigenen Art - anderer Zeit, anderer Ort, denn jeder Tag ist anders als der vorangegangene - interpretiert. Das muß gar nicht gemacht und bewußt intendiert werden, das passiert selbstverständlich. Und zwar in dem Maß, als ein Mensch sich  nach und nach, im Prozeß des Erwachsenwerdens, in seiner Vernünftigkeit mit dem übernommenen, vorhandenen Material (und den Aufgaben) auf sich selbst zu stellen vermag. 

Denn Persönlichkeit heißt immer, sich selbst eigenverantwortlich setzen zu können. Heißt aber nicht, sich selbst neu erfinden zu müssen. Man IST bereits erfunden. Als eigener und durchaus - in je unterschiedener Weise, im Außen, im Rahmen der Familie selbst, überall dort sind es ja zuerst die Beziehungen, die zu erfüllen sind - zu behauptender eigener Modus eines Vorhandenen. Was natürlich jeder Gesellschafts- und Staatsordnung eine gewisse Statik gibt, eine Langsamkeit der Veränderung im Modus der jeweiligen Individuen.

Hierein fügt sich die schon öfter erwähnte Merkwürdigkeit, daß es "keine Talente gibt". Denn es gibt nur einen Ort, als Schnittpunkt von Bezügen und Beziehungen, in seiner Eigenart festgelegt durch den Mann. Und dieser Ort ist es, der Individualität bedeutet, und zwar als Position einer Aufgabe gegenüber. Denn das Familienproprium ist das einer Aufgabe in der Welt, durch den Platz, durch den Ort der Familie. Talent, Veranlagung ist dann nur die immanente Art und Weise, meinetwegen: Fähigkeit, mit einer Aufgabe umzugehen. Aber jede Fähigkeit ist selbst wiederum durchtränkt mit diesen Bezügen aus der Verortung (als Grundlage wie Vorgabe zu jeder Individualisierung) - mit Identität.

Deshalb wird der Mensch auch nie aufhören, den Vater zu suchen, gerade wenn er ihn nie erlebt hat, weil er ihm unbekannt oder fern (im Sinne einer nicht vorhandenen Erzählung) war. Denn er trägt die wesentliche Aussage zu eines Selbst, zu eines Individualität: aus ihm geht der eigene Ort hervor. Das Zerschlagen der Väter führt also nicht zu mehr Individualität, im Gegenteil, es ist ein Kampf gegen die eigene Individualität, die sich anders als über ihn gar nicht finden läßt. Denn wenn das Kind noch engstens mit dem Leiblichen der Mutter verbunden ist, ist es schon im Mutterleib seine Stimme, die als "das andere" zum Auftrag ruft. Den der Heranwachsende mehr und mehr erfaßt.




*Wie verrückt so vieles heute ist, zeigt ein Artikel im Wiener Standard. Der es in typischer linker Gehirnverschmalzung als beklagenswert anprangert, daß Vermögen, Eigentum, "sozialer Aufstieg" in Österreich immer noch so eng mit Erbe verbunden ist. Das sei eine Ungerechtigkeit, lautet die Botschaft. Ganz so, als wäre das einzige gerechtfertigte Vermögen das durch Eigeneinkommen erzielte. Nur - das ist es nicht, aus seinem Wesen heraus, war es nie, und wird es nie sein. Wenn derselbe Artikel deshalb als Gegenbeispiel die Slowakei anführt, so beweist das nur das hier Gesagte. Denn die Hauptstoßrichtung des Kommunismus war die Individualisierung von Eigentum, das nur in der Familie und im Generationenzusammenhang möglich ist. Anders kann Eigentum, Kapital, gar nicht redlich entstehen, würde sich auf den Erfolg a-moralischer Cleverness reduzieren. Der VdZ erlebt es ja auch in Ungarn, wo es keine Mittelschichte mehr gibt, und damit auch kein Erbe. Und damit auch kein Kapital. Bestenfalls Schulden. Das wird sich nur ganz langsam wieder ändern.

Das ist keine Ungerechtigkeit, sondern der einzige Wesensbezug, den Eigentum überhaupt haben kann: Als Teil der Persönlichkeit, und DAMIT der Familie und Herkunft als wesentliche Basis der Persönlichkeit, die sich nur in der Selbsttranszendenz bilden kann. (Man wird zu sich selbst erst im Hinausschreiten auf das Du, im Vergessen des Ich -  man empfängt sich also immer!) Wer kein Erbe hat (oder: hätte, denn es ist nur bis zu einem gewissen Grad möglich, KEIN Erbe zu haben; man kann es bestenfalls vergessen, nicht kennen, was übrigens die Tragik der Zeit ist), dem fehlt die Persönlichkeit, die (größeres) Eigentum rechtfertigen könnte. Solche Nachrichen sind deshalb pure Auswüchse des Neids. Und der Neid ist die Sünde der Ortslosigkeit, sei es eines nie erhaltenen Ortes, sei es eines von einem selbst verweigerten Ortes.

Das ist ja das Wesensmerkmal des "Linksseins". Das aus seinem Wesen heraus eine Problematik des Ortes ist. Und deshalb (!) findet sich auch die Linke in ganz bemerkenswerter Homologie (mit allen möglichen Selbstwidersprüchen, in denen die Linke durch die Ergebnisse ihres Wirkens das Gegenteil von dem bewirkt, was zu erreichen sie vorgibt) mit ... dem Islam, der als Bewegung, in seinem Ursprung, diesen Untergrund hat: Des gewaltsamen Ergreifens eines höheren Status, als ihn die Väter vorgeben, durch Niederreißen jener, die diesen tatsächlich haben oder hätten. Das Schwache macht das Starke schwach, damit seine Schwäche Stärke wird.




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