Teil 3) Denn Leben ist mehr als überleben -
Frauen aber wollen nur überleben
Aber waren die Frauen Paraguays wirklich
stellvertretend für die Männer? Stellvertretend, wie jeder Mensch es
tut, der Stellvertreter letztlich sogar
seiner selbst ist. Denn seine Rolle, seine Idee zählt für ihn in seinem
eigentlichsten Personskern, der sich nur zum Menschen wirklicht, wenn er
sich in diese Rolle hinein überschreitet. Aus ihr ergeben sich die
Anrufe zum Handeln.
Stellvertretend
waren die Frauen Paraguays möglicherweise darin, daß sie nie
beansprucht hatten, effektive Macht auszuüben. Es
gab keine Emanzipationsbewegung als Folge in Paraguay, wie eine vom VdZ
unlängst
eingesehene Studie bedauernd und verständnislos vermerkte. Sobald wieder
genügend Männer da waren, übernahmen die das öffentliche Leben. Selbst
die faktische Männerlosigkeit hatte den Mann faktisch nicht verdrängt -
er war
immer in den Frauen vorhanden, als Hinordnung, als Verweis auf das, was
fehlt, aber kommt, dem sie es dann aushändigten. Aber in diesem Fall
doch mit den typischen Angsthaltungen und Hemmungen des Weiblichen.
Große Ideen sind in der Politik Paraguays Tabu. So haben es seither die
Söhne gelernt.
Ob
Lopez ein Schurke war, oder ein Heiliger - darüber gehen die Meinungen
auseinander. Die Paraguayani sind sich wohl eher einig. Denn diese
Episode ihrer Geschichte hat sie und ihr Selbstgefühl tief geprägt. Sie
ist zu einem Heldenlied aus früheren Zeiten geworden, aus dessen heroischer Kraft, von der er
erzählt, auch die Heutigen leben könnten, der Staat seine Kraft bezieht. Oder aber auch sein Trauma.
Paraguay, das 1870 ein Armenhaus war, geht es heute moderat gut. Es hat relativ wenige Schulden, und die
Wirtschaft prosperiert, mal mehr, mal weniger.
Es sind
zwar die Frauen, die eine Idee in einem Volk leben lassen können. Kein
Mann kann das. Sie geben die Mythen des Ursprungs weiter, aus denen
Menschen wieder zu sich finden. Nur so kann aus einem Zusammenbruch eine
Wiederauferstehung folgen. Auch wenn sie sie nicht
erfinden, auch wenn sie sie empfangen, nur treuhänderisch verwalten, und
nähren, in ihrem Herzen verbergen, bis Männer, ihre Söhne, sie wieder
aufgreifen, weil sie sie übergeben erhalten. Denn so kann
ein Volk leben, selbst wenn es fast tot war.
Aber sie
können diese Idee auch verändern. Größer, groß, aber auch kleiner
machen. Mutig, aber auch mutlos machen. Und so kann ein Volk auch zur
bloßen, unterwürfigen, pragmatischen und prinzipienlosen
Überlebenshaltung degredieren. Wer Deutschland oder Österreich ansieht,
könnte daraus gewisse Schlüsse ziehen.
Und vor allem aber:
Sie können keine Ordnung geben. Sie können Ordnung nur vollziehen -
stellvertretend. Oder ihren Vollzug verhindern - in der Verweigerung
dieser Stellvertretung. Denn wenn man die innenpolitische Verworrenheit
der auf 1870 folgenden Jahrzehnte, ja nächsten drei Generationen
verfolgt, so ist deren Zerfahrenheit bestenfalls die erste Zeit mit dem
Einfluß der Sieger erklärbar, die die Regierung Paraguays, das völlig am
Boden lag, bestimmten.
Daß sich auch in späteren Jahren
aber keine Ordnung bilden wollte, deutet wohl eher auf dasselbe Phänomen
hin, das in Familien zu beobachten ist, in denen der Mann verschwindet,
das Männliche von der Frau abgefalbt wird. Die Folge? Niemand hat mehr
einen weil seinen Platz - Identitätslosigkeit und -unbestimmbarkeit ist
die Folge, und damit keine schöpferische Handlung in der Gestaltung von
Beziehungen (die nur in der Ordnung der Ideen möglich weil real sind).
Denn es ist der Mann, der die Dinge beim Namen ruft. Und er ist es
damit, der ihnen ihr Sollensbild, und damit den Platz in der Ordnung der
Welt vorgibt.
Ordnung und Mut zog in Paraguay erst wieder ein, als sich ein Diktator - Strössner - erhob? Ob das so war, oder ob es sich nicht um eine weitere Episode der Folge weiblichen Überlebensinstinkts handelt, wo wieder nicht der Mann, sondern der geweiblichte Wollensmann auftritt, das müßte eigens untersucht werden.
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