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Montag, 10. August 2015

Von Frauen am Leben erhalten (3)

Teil 3) Denn Leben ist mehr als überleben - 
Frauen aber wollen nur überleben




Aber waren die Frauen Paraguays wirklich stellvertretend für die Männer? Stellvertretend, wie jeder Mensch es tut, der Stellvertreter letztlich sogar seiner selbst ist. Denn seine Rolle, seine Idee zählt für ihn in seinem eigentlichsten Personskern, der sich nur zum Menschen wirklicht, wenn er sich in diese Rolle hinein überschreitet. Aus ihr ergeben sich die Anrufe zum Handeln.

Stellvertretend waren die Frauen Paraguays möglicherweise darin, daß sie nie beansprucht hatten, effektive Macht auszuüben. Es gab keine Emanzipationsbewegung als Folge in Paraguay, wie eine vom VdZ unlängst eingesehene Studie bedauernd und verständnislos vermerkte. Sobald wieder genügend Männer da waren, übernahmen die das öffentliche Leben. Selbst die faktische Männerlosigkeit hatte den Mann faktisch nicht verdrängt - er war immer in den Frauen vorhanden, als Hinordnung, als Verweis auf das, was fehlt, aber kommt, dem sie es dann aushändigten. Aber in diesem Fall doch mit den typischen Angsthaltungen und Hemmungen des Weiblichen. Große Ideen sind in der Politik Paraguays Tabu. So haben es seither die Söhne gelernt.

Ob Lopez ein Schurke war, oder ein Heiliger - darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Paraguayani sind sich wohl eher einig. Denn diese Episode ihrer Geschichte hat sie und ihr Selbstgefühl tief geprägt. Sie ist zu einem Heldenlied aus früheren Zeiten geworden, aus dessen heroischer Kraft, von der er erzählt, auch die Heutigen leben könnten, der Staat seine Kraft bezieht. Oder aber auch sein Trauma. Paraguay, das 1870 ein Armenhaus war, geht es heute moderat gut. Es hat relativ wenige Schulden, und die Wirtschaft prosperiert, mal mehr, mal weniger.

Es sind zwar die Frauen, die eine Idee in einem Volk leben lassen können. Kein Mann kann das. Sie geben die Mythen des Ursprungs weiter, aus denen Menschen wieder zu sich finden. Nur so kann aus einem Zusammenbruch eine Wiederauferstehung folgen. Auch wenn sie sie nicht erfinden, auch wenn sie sie empfangen, nur treuhänderisch verwalten, und nähren, in ihrem Herzen verbergen, bis Männer, ihre Söhne, sie wieder aufgreifen, weil sie sie übergeben erhalten. Denn so kann ein Volk leben, selbst wenn es fast tot war.

Aber sie können diese Idee auch verändern. Größer, groß, aber auch kleiner machen. Mutig, aber auch mutlos machen. Und so kann ein Volk auch zur bloßen, unterwürfigen, pragmatischen und prinzipienlosen Überlebenshaltung degredieren. Wer Deutschland oder Österreich ansieht, könnte daraus gewisse Schlüsse ziehen.

Und vor allem aber: Sie können keine Ordnung geben. Sie können Ordnung nur vollziehen - stellvertretend. Oder ihren Vollzug verhindern - in der Verweigerung dieser Stellvertretung. Denn wenn man die innenpolitische Verworrenheit der auf 1870 folgenden Jahrzehnte, ja nächsten drei Generationen verfolgt, so ist deren Zerfahrenheit bestenfalls die erste Zeit mit dem Einfluß der Sieger erklärbar, die die Regierung Paraguays, das völlig am Boden lag, bestimmten. 

Daß sich auch in späteren Jahren aber keine Ordnung bilden wollte, deutet wohl eher auf dasselbe Phänomen hin, das in Familien zu beobachten ist, in denen der Mann verschwindet, das Männliche von der Frau abgefalbt wird. Die Folge? Niemand hat mehr einen weil seinen Platz - Identitätslosigkeit und -unbestimmbarkeit ist die Folge, und damit keine schöpferische Handlung in der Gestaltung von Beziehungen (die nur in der Ordnung der Ideen möglich weil real sind). Denn es ist der Mann, der die Dinge beim Namen ruft. Und er ist es damit, der ihnen ihr Sollensbild, und damit den Platz in der Ordnung der Welt vorgibt. 

Ordnung und Mut zog in Paraguay erst wieder ein, als sich ein Diktator - Strössner - erhob? Ob das so war, oder ob es sich nicht um eine weitere Episode der Folge weiblichen Überlebensinstinkts handelt, wo wieder nicht der Mann, sondern der geweiblichte Wollensmann auftritt, das müßte eigens untersucht werden.





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