Nachstehender Brief wird auf bestimmte Bitte hin hiermit veröffentlicht.
Liebe Y!
Die
 Abkühlung des Wetters ist nun auch in Ungarn angekommen. Zwar hält sich der 
Regen in Grenzen, aber es ist bewölkt, und ein Lüftlein weht. 
Man sagt, daß Sopron sowieso ein Windloch sei, ich habe davon 
allerdings noch nicht viel festgestellt, mir schien bisher alles normal.
 Immerhin sollte ja Wind dafür sorgen, daß sich ein Ort nicht zu sehr 
aufheizt. Daß ich in den letzten Tagen wieder besser schlafen kann, hat 
wohl mit dem Wettersturz zu tun. Ich bin froh, daß es kühler ist. Auch 
wenn ich die Sonne sehr mag, das Warme sehr mag, bin ich immer schon 
gegen Kälte unempfindlicher als gegen Hitze und mag die Klarheit, die in
 der Kälte liegt. Eines meiner liebsten Bilder ist, wie ich am Meer 
stehe und der Wind mir um die Ohren pfeift. Deshalb habe ich früher vor 
allem England und Irland sehr gemocht.  
 
Insgesamt aber 
fühle ich mich noch sehr schwach, und die Notwendigkeit, diese Woche nach 
Wien zu fahren - ich muß zum Arzt, mir für die kommenden Kur-Wochen noch
 fehlende Medikamente zu holen (in Eisenstadt sind ja zwei neue 
dazugekommen) - macht mich nicht gerade froh. Ich werde mir den ganzen Tag
 dafür Zeit nehmen, und nichts sonst einplanen wie üblich. 
Diese
 Müdigkeit wirkt sich natürlich auf meine Arbeit aus. Es fällt mir 
schwer, klare Gedanken zu fassen, und das Schreiben ist derzeit mehr als
 sonst ein System der Schienen, die ich treibend verfolge, denen ich 
ziellos nachgehe, in der Hoffnung, daß sie meine Gedanken an einen 
fruchtbaren Punkt bringen. An sich ist das jene Methode, mit der ich vor
 vielen Jahren begann, aus dem Traum (der ja oft genug ein Alptraum war)
 aufzuwachen. Momentan freilich gefragt würde ich ängstlich sagen, daß 
ich nirgendwo gelandet bin. Erst im Tun stelle ich immer wieder fest, 
daß ich recht klar im Kopf bin, auch wenn ich es nicht so 
diagnostiziere. In jenem Kopf, der meinem bewußten Kopf zugrundeliegt, 
der nur sichtbar wird, wenn er sich betätigt.
 
Das habe ich 
auch gestern festgestellt, als ich einige Videobeiträge von [MS] (Identitäre) sah bzw. Beiträge las. Da stellte ich fest, daß ich
 mich immer deutlicher von den Rechten absetze, weil ich immer klarer 
sehe, daß sie einen schweren Defekt im Denken haben. Nahezu alle. Das 
drückt sich darin aus, daß kaum jemand in dieser ganzen Szene einen 
metaphysisch durchdachten, damit eigentlich religiösen Standpunkt 
einnimmt. Damit setzt nahezu die gesamte Rechte, die sich derzeit an 
bestimmten Themen (in denen sie zweifellos Recht hat) aufbaut, die sie 
wieder und wieder spielt (v. a. Migration, dann noch ein wenig Gender, 
dies, das), ohne daß sich etwas veränderte, argumentativ 
weiterentwickelte, auf ein falsches Pferd. Man könnte deshalb den 
Eindruck gewinnen, daß sich innerhalb der Rechten deutlich linke 
Positionen ebenso finden, und alle meinen, es wäre hilfreich weil 
dasselbe. Dieser Pragmatismus ist verstörend. 
Noch dazu 
tauchen aber Schreckens- oder Feindbilder auf, Quellen der Angst und 
falsche politische Ziele, weil man aus besagtem Grund die faktischen Dinge in ihrer 
Relevanz falsch und damit überbewertet. Das passiert etwa in der Einschätzung der 
Künstlichen Intelligenz als Instrument der Menschheitsbeeinflussung, der
 Möglichkeiten der digitalen Überwachung und Gängelung, aber auch in der
 Bewertung des Islam, des Terrors, etc. Alles wirkt auf mich äußerst 
verworren und verwirrend, und die theoretische Diskussion, wie ich sie 
etwa auf "Sezession" verfolge, wirkt auf mich wie ein Glasperlenspiel 
der rhetorischen Schnörkel und Spielereien. Die Wirklichkeit aber kriegen sie nicht zu fassen.
Weit mehr als so 
manches andere irritiert mich die Unbedarftheit, mit der man hier digitale 
Medien verwendet und einsetzt. Als glaubte man tatsächlich, daß dies die 
Ebene sei, auf der politisch zu handeln sei. Aber es ist nur die 
zweitwirkliche Ebene, die eines Bewußtseins, das eigentlich eine 
Scheinwelt ist, die aber als Quintessenz allen politischen Handelns und 
Denkens gesehen wird, als Ebene der Entscheidungen. Die Frage nach dem, 
was sich aber wirklich bewegt, die nach den "Fleischbergen", die im Meer
 der Worte treiben, und die so ganz andere Sprache enthalten, wird nie 
gestellt. 
 
Das Irrationale, das der Identitären Bewegung 
deshalb anheftet (die von den Rechten derzeit sehr bewundert wird, 
nachdem sie diese Aktion mit einem Schiff im Mittelmeer gestartet 
haben), sehe ich als Reaktion auf eine grundsätzliche 
Orientierungslosigkeit. Also tut man "irgendetwas", das "in der Richtung
 liegt", aber wirklich geistig durchdrungen, in reifes Handeln von 
Erwachsenheit übergeführt, ist da gar nichts. Eigentlich ist das alles 
eine riesige PR-Aktion, die für manche Figuren ([MS] etwa) ein Image 
aufbaut, das sie für spätere politische Rollen markiert. Aber dazu 
müßten sie Väter werden. [MS] (und seine Kumpane) scheinen mir nicht 
in diese Richtung zu gehen. [MS] ist ja schon an die 30, oder älter. 
Wann will der jemals erwachsen, Vater werden? Nur Väter aber dürften 
politisch tragende Rollen übertragen bekommen. 
Und das hat
 mit dem falschen Ansatz zu tun. Sie sind nicht "berufen", das ist das 
Problem, sie haben sich selbst gerufen, und schieben die Rechtfertigung 
auf Thesen der Art, als sie plötzlich den normalen Bürger zum Träger 
politischen Handelns erklären. Ein Unsinn. Hier stehen also Entwurzelte 
Entwurzelten gegenüber, denn die Pseudologie ist eine Entwurzelung. Es 
fehlt an einer großen Vaterfigur. Denn jede Führung, jede Veränderung 
deshalb (ich habe wieder und wieder in meinem Leben die Erfahrung 
gemacht, daß sich Veränderungen NIE von unten, sondern immer nur von 
oben implementieren lassen) ist eine Frage der Gestalt, der Person, der 
Form, die zu integrieren vermag. Dies auf "intellektuelle Aufklärung" 
aufbauen zu wollen ist im Grunde sogar eine Lüge.
 
Ich habe 
mir auch immer wieder den Kopf darüber zerbrochen, was in meiner 
Gestalt enthalten sein muß, weil sich ein so großer Teil der Österreicher
 so stark damit identifizieren kann, wie alle Markterhebungen ergeben. [Anm.: Der VdZ ist seit etlichen Jahren durch seine schauspielerische Tätigkeit im Rahmen einer Werbekampagne in Österreich sehr populär. Das heißt: Sein Gesicht, seine Gestalt, seine Art und der darin gespielte Charakter.]
 In Eisenstadt [Anm. Der VdZ verbrachte im Zuge einer medizinischen Behandlung dort Ende Juli einige Tage]
 habe ich vor 
allem wieder das festgestellt: Sie sehen mich (sobald sie mich real sehen) als 
"einen der ihren", ja als "Ihren Repräsentanten", hausverständig, 
handfest, durchaus patriarchal, aber doch milde, mit Schwächen die ihnen
 vertraut sind, aber immer mit einem liebevollen Augenzwinkern. Im 
Grunde würde es so gehen, würde ich das nicht völlig ablehnen: Da ist 
eine Figur, eine Gestalt, und dann erhebt die auch noch das Wort. So 
entstehen substantielle Volks-Leitfiguren. Eine ideale 
Film-Serien-Figur, übrigens.  
Das Interessante dabei aber 
ist, wie solche Figuren ein Volk beeinflussen, ihren Sprachraum 
durchlichten. Ohne daß es als direkter Akt feststellbar wäre. Ich denke 
da etwa an die Figur des "Mundl" vor dreißig Jahren, einer damals ungemein 
populären TV-Serie mit Karl Merkatz als Hauptfigur. Freilich war sie "zu
 tief" angesetzt, deshalb hat sie sich nicht weiterentwickeln können. 
Aber diese Figur hat damals enorm tief in die Volksseele hineingewirkt. 
 
Wirken von Gestalt zu Gestalt - das ist nicht nur das 
Wesen der Welt, das ist auch das Wesen des Politischen, wie es in der 
Figur eines Königs oder Kaisers eben da war. In ihr bündeln sich alle 
wesentlichen Volkseigenschaften, und damit ist ihr das Szepter des 
Handelns in die Hand gedrückt.  
Die Debatten-Politik wirkt dagegen wie 
ein hysterisches Vorgärtlein, das darauf pocht, der eigentliche Baugrund
 zu sein, auf dem das Haus steht. Das wahre Volk will durch Gestalten 
(meinetwegen sind es auch "Vorbilder") geführt sein, ruhig und 
selbstverständlich. Denn so will es leben, das ist ihm das Ideal des 
guten Lebens. Den Rest sieht ein Volk immer als Aktion der Jugend. Nett,
 aber nicht wirklich relevant. (Das ist das "Geheimnis" um Merkel, der 
diese Konstellation durch ihre intrigante Unfähigkeit zugefallen ist.)
Deshalb ist auch die Entstehung solcher Figuren ein Akt der Gnade, des Wirkens Gottes - oder der Dämonie,
 der Verführung. Das kann niemand machen, das kann niemand 
vorherberechnen, das kann man nur "ahnen", als "so ist es" feststellen. 
 
Von
 einer Politik, die meint, kräftig herumrühren zu müssen, halte ich 
nichts. Sie widerspricht auch aller meiner Erfahrung im Umgang mit 
Apparaten, Organismen, Organisationen. Ich habe gerade in St. Pölten 
etwa [Anm. Der VdZ war dort vor 25 Jahren drei Jahre als Diözesansekretär tätig, ehe er von Bischof Krenn in allgemeinem Konsens gekündigt wurde; er sei zu rechts, zu konservativ, zu widerständig ...]
 festgestellt, daß sich das Große dadurch ändert, daß man es im 
Kleinen ändert. Und das heißt im Wesentlichen: im Kleinen, 
Unscheinbaren, Leisen Grundsätzen treu bleibt, die dann auf 
geheimnisvolle Weise das Große zu durchwirken beginnen. Von dem die großen Schwebeköpfe gerne meinen, das lohne  nicht, es gehe doch um viel Größeres, ja ums Ganze. So sehe ich es 
auch in der Hl. Schrift.  
Nichts halte ich aber von denjenigen, die mit 
großen Programmen und Konzepten beginnen, und über diese streiten, weil 
es angeblich darum gehe. Ja, tut es letztlich, aber nicht als 
"direktes Ziel".Das Große ist dem Kleinen immanent. Ist erst, ja nur dem Konkreten immanent. Rosmini schreibt einmal sehr richtig: Das große Übel 
des 19. Jhds. war, daß man begann, geistige Dinge zu verdinglichen. Ich 
sehe heute überall nur große Ideenschwinger. Ich sehe aber nirgendwo, 
wirklich nirgendwo ruhige, feste Arbeiter, nicht in den Eliten, nicht in
 den Emporkömmlingen, zu denen alle werden, die antreten, "zu 
verändern".
Man sagt gerne, daß Jesus ein einfacher 
Zimmermann war, also einer "von unten". Das ist natürlich ein Unsinn. 
Denn warum wohl beginnt die Geschichte Jesu mit seiner ganz konkreten 
Ableitung aus dem ... Königtum Davids? Warum spricht er in scheinbarem Gegensatz dazu so oft davon, 
daß das Himmelreich einem kleinen Senfkorn zu vergleichen ist, oder 
einem kleinen Stück Sauerteig, der alles durchwirkt? Jesus, Gott hat die
 Welt zu sich geholt, indem er die Wahrheit in Person, als Gestalt, als 
Fleisch in die Welt sandte. DAS war der historische Wendepunkt. Denn der
 Geist wirkt über Gestalt, die die Tore der Sinne überschreitet, auf daß
 wir durch die Offenbarung (deren die erste die Erscheinung der Engel 
auf dem Felde war; siehe das Gebet im Angelus!) hell gemacht, über den 
"guten Willen" aufgenommen, sehen. Denn wir sehen die Welt nur DURCH und
 IN dem inkarnierten Jesus Christus.
Alsdann, genug der sonntäglichen Epistel. Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!
Ambrosius
*160817*