Teil 2) Was vor 130 Jahren begann ist irreversibel
- Was sich sicher sagen läßt
Das, was wir heute als "demographische
Katastrophe" in Deutschland bezeichnen, hat also bereits vor 130 Jahren
begonnen. Seither wird von der demographischen Forschung (die es in
Deutschland seit dem späten 18. Jahrhundert gibt) ein kontinuierlicher Rückgang
der Geburtenraten festgestellt, der im Hitler-Deutschland nur eine
Scheinblüte erlebte. Diese Entwicklung schreitet aber in Spiralform
voran. Sie verläuft progressiv. Denn gehen einmal die Kinderzahlen
zurück, tun das die Kinder dieser Kinder in exponentieller Wirkung. Sind
keine 4. Kinder mehr da (die jeweils wieder vier Kinder in die Welt
setzen), sondern nur noch 3., fällt die absolute Geburtenrate (und damit
der Anteil der Jungen Generation an der Bevölkerung) fast um die
Hälfte. Haben diese weiter weniger Kinder, verläuft diese Entwicklung
ganz rapide. Das bleibt lange Zeit unbemerkt, weil in absoluten Zahlen
die Bevölkerung ja weiterwächst, aber eines Tages taucht diese
Entwicklung auf.
Denn
sie wird von einer Grundsatzentscheidung geprägt, und die ist der wahre
Kern des Problems: Kinder werden immer mehr disponibel, werden Objekt
subjektiver Willkür. Der sich dann mit dem sogenannten "Pillenknick" in
den späten 1960er-Jahren nur Ausdruck verschaffte; die Pille selbst aber
war nicht seine (primäre) Ursache. Sondern generell war der Wunsch nach
mehr Kindern (als generelle Offenheit für Empfängnis, die nicht
kleinbürgerlich zählt und rechnet) bereits verdunstet, wurde Sexualität
zum Selbstzweck. Was immer darüber geredet wurde war nur noch
Rationalisierung, Rechtfertigung eines bereits in der Neigung eines
Volkes verankerten, bereits gefällten Entscheidung. Und zwar war es eine
Entscheidung, die von den Geburtenjahrgängen der späten 1930er/frühen
1940er gefällt worden war, also - von den sogenannten "Babyboomern", den
Kindern aus der kurzzeitig wieder höheren Geburtenraten PRO FRAU der
Kriegs- und Nachkriegsjahre. Diese Kinder wiederum waren aber nicht
willens, die unbedingte Offenheit für Nachwuchs zu pflegen. Sie wollten
bereits weniger Kinder. Und es waren weniger, als jemals in der
Geschichte Deutschlands, seit etwa 1880. Eine Geschichte die vor allem
zeigt, daß die sozialistische Zielsetzung als Basis einer Gesellschaft
zwangsläufig in deren Zerstörung mündet und ihrem eigenen Ansatz
widerspricht weil diesen unmöglich macht.
Der
Demograph Herwig Birg sagt deshalb einmal, daß die demographische
Entwicklung in Deutschland zu diesem Zeitraum der Einführung eines
Sozialversicherungssystems begann, und im Grunde beziehungsweise kurz- oder
mittelfristig heute irreversibel ist. Ihr katastrophisches Ausmaß aber
hat nur einen Grund: Er liegt in der Unmöglichkeit, das soziale
Umlageverfahren, den Generationenvertrag, auf dem jedes abstrakte
Sozialsystem beruht, aufrechtzuhalten.
Indem
der in der Lebensweise erfahrbare, unbedingte und nur durch menschliche
Beziehung und Solidarität gegebene Zusammenhang eines solchen Systems
zerrissen wurde, ist er nicht mehr wiederherzustellen. Der heutige
Mensch begreift sich bereits so als "Solitär", als Alleinstehender,
Autonomer, der niemandem mehr etwas verdankt außer einem anonymen,
abstrakten System, "dem Staat", daß es Generationen bräuchte, in denen
sich dieser Zusammenhang (der ja auch jetzt besteht, nur wird er nicht
mehr wirklich geglaubt!) in seinem realen Leben wieder artikulieren
könnte.
Und er würde es letztlich durch ... eine höhere Fertilität, durch die Offenheit der Eheleute für Kinder.
Der
Zusammenhang zwischen Fertilität und sozialer Absicherung (in jeder
Richtung: über Familiensolidarität hier, über anonyme Sozialnetze dort)
ist weltweit auch tatsächlich evident. Während sonst gewiß viele
Faktoren noch von Bedeutung sind, aber nicht exakt eingeschätzt werden
können, kann es dieses Faktum sehr wohl.
Den
Gegenbeweis liefern sämtliche Staaten Europas, ja der Welt. Denn die
heute schon so internalisierte Reaktion, "soziale Probleme" (worunter
auch die Demographie fällt) mit Geld und dem Ruf nach "Förderung"
beseitigen zu wollen, ist eines ganz eindeutig nicht: Nachweisliche
Stimulans für eine höhere Geburtenrate. Vielmehr sind die Ursachen
vielfältig, liegen aber ganz sicher nicht einfach in "mehr Geld".
Sondern brauchen eine Basis, die je nach gesellschaftlicher Situation
eines Volkes oft völlig anders, ja m Einzelnen konträr (was hier
scheinbar wirkt, tut es dort zum Gegenteil) aussehen kann und muß.
Mit
Sicherheit aber läßt sich sagen, daß Verwurzelung, ein System direkter,
erfahrbarer wechselseitiger Gebrauchtheiten, und eine davon ausgehende
existentielle Ruhe solche Bedingungen sind, die kein abstraktes
Sozialsystem der Welt ersetzen kann, im Gegenteil: Diese zerstören sie
sogar. Eines kann also mit absoluter Sicherheit gesagt werden: Wenn eine
Politik meint, sie könne die Fertilität von Frauen dadurch "fördern",
indem sie ihre Selbständigkeit stärkt, irrt sie nicht nur, sondern sie
zerstört mit der einen Hand den Boden für das, was sie mit der anderen
zu gießen vorgibt. Der Sozialpolitik insbesonders im Bereich "Familienförderung" muß also weithin, ja fast zur Gänze das Zeugnis ausgestellt werden, daß sie familienzerstörend
wirkt, und damit ganz sicher keine demographische Wende bewirken wird.
Aber ganz sicher sich selbst zerstört. Denn es gibt kein Sozialsystem
innerhalb einer in keinem Erlebenszusammenhang stehenden, sich als
Einheit empfindende, solidarische Gesellschaft.
*180817*