Es ist gewiß für die meisten
Mitteleuropäer überraschend, was dieser Vortrag (englisch) von Dr. John Pinheiro bringt. Denn
sie sind geschlagen von Geschichtsvergessenheit, was bedeutet, daß sie
die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart nicht mehr kennen. Und
damit sich selbst nicht mehr kennen. Aber es ist wichtig es zu wissen,
denn es füllt eine bedeutende Lücke im Verständnis der Gegenwart, und
hier vor allem im Begreifen der Amerikaner.
Aber
Amerika hat eine lange und bis heute währende Geschichte des
Anti-Katholizismus, der (wie andere Stimmen ausgearbeitet haben,
darunter Philip Jenkins in "The New Anti-Catholicism") sogar inmitten
der postmodernen Political Correctness als das einzige akzeptierte
Vorurteil, ja als eine Form des Rassismus gesehen werden muß. Und er
geht politisch wirksam von den USA aus, auch wenn manche es nicht
glauben möchten. Aber die Geschichte der USA ist seit dem Bestehen
dieses Staates eine fortwährende Geschichte des Kampfes gegen den
Katholizismus, der in den Ereignissen der späten 1950er und frühen
1960er Jahre, mit dem Kulminationspunkt der Ermordung von J. F. Kennedy,
einen vorläufigen Höhepunkt, aber auch eine Wende fand. Ab den
mittleren 1960er Jahren ist der Einfluß der Kirche in den USA deutlich
geschwunden, und das war nicht zufällig. Es war ein offener Kulturkampf,
der sich zwischen Katholischer Kirche einerseits, und einer Allianz von
Judentum und Protestantismus anderseits abspielte.
Letztere
haben - man muß es so sagen - gewonnen, auch durch das typische
Versagen der Kirche in den USA, die die Argumente der Gegner
immanentisierte, sich selbst zu eigen machte. Die Rolle der Amerikaner
im 2. Vatikanum wird dabei bis heute unterschätzt, und man muß fast
davon ausgehen, daß nicht der "Rhein in den Tiber" (so eine bekannte
Streitschrift der späten 1980er Jahre), sondern der "Mississippi in den
Tiber" floß. Daß der CIA als Speerspitze einen gewaltigen Einfluß auf
die Entscheidungen in Rom hatte ist unbestreitbar und belegt. Die Frage
ist nur, wie weit er wirklich ging. Aber das ist hier eine sekundäre
Frage.
Vielmehr
zeigt der Vortragende, daß schon mit der Gründung der USA Ende des 18. Jahrhunderts ein klarer und in Gesetzen artikulierter antikatholischer Impetus
die Gründerväter der USA beherrschte. Katholizismus wurde mit
"Anti-Republikanismus", Anti-Demokratismus gleichgesetzt. Das hatte
auch mit der politischen Struktur Europas zu tun, wo Katholizismus und
Monarchie weitgehend noch zusammenstimmte. Bis in die 1830er Jahre, in
manchen Staaten (New York) sogar bis 1920, waren Katholiken von
öffentlichen Ämtern per Gesetz ausgeschlossen.
Amerikas
neue Bevölkerung rang um eine Selbstdefinition, und die war eindeutig:
Protestantisch und weiß-anglo-sächsisch. Diese in sich enorm
zerstrittenen protestantischen Bewegungen - die damit sogar die
Grundlage für den Bürgerkrieg von 1861/65 bildete, der zuerst ein
religiöser Konflikt war, der schon lange schwelte - fanden sich in einem
gemeinsamen Nenner, und der war die "Jesuisierung" der Neu-Amerikaner.
Sie sahen sich als von Gott zur Befreiung der Welt gerufene Menschen,
die in der Eroberung des Westens eine göttliche Mission verfolgten. Die
sich naturgemäß mehr und mehr auf die ganze Welt erstreckte.
Dabei
stießen sie auf ein Hindernis, und das war das katholische Spanien bzw.
das katholische Mexiko. Mehr und mehr breitete sich in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts in den bereits bestehenden USA die Überzeugung
heraus, daß Katholizismus und Republikanismus, der Geist der "Freiheit
und Selbstbestimmung", Todfeinde waren. Mexiko wurde seit den 1830er
Jahren zum Hort dieser Unfreiheit, und so bereitete man den Krieg
1842 bis 1846 vor, der für Mexiko desaströs ausging. Es verlor ein Drittel
seines Territoriums, das an die USA fiel. Wyoming, New Mexico, Texas
etc. wurden zu amerikanischen Gebieten.
In
diesem Krieg (bzw. in den Jahren davor) kam es erstmals zu einer
offenen Identifizierung von Anti-Amerikanismus (als
Anti-Republikanismus) und Katholizismus (Mexiko) in der amerikanischen
Öffentlichkeit. Die damals noch weit mehrheitlich protestantisch
(angelsächsischer Prägung) war. Der Amerikaner sah sich auch so: Weiß,
protestantisch und angelsächsisch. Wer das nicht war, war nicht
amerikanisch, ja wurde zur Gefahr für das Selbstgefühl und sogar den
Bestand der Amerikaner, die ihre Selbstbestimmung auf "Zukunft"
("futurologic") ausgerichtet sahen: Expansion, Befreiung des Kontinents
(erst) und dann der ganzen Welt. Die sogenannte "amerikanische
Identität" sah sich also immer schon in dieser Zukunftsspannung, in der
die Gegenwart (tatsächlich anders als beim Katholiken) eine geringe, ja
vernachlässigenswerte Bedeutung hat, weil alles auf ein besseres Morgen
ausgerichtet ist. Amerika ist von Gründung an also eine Utopie.
Dabei
spielte ein Motiv eine entscheidende Rolle, das bei sämtlichen
protestantischen Revolutionen seit dem 15./16. Jahrhundert auch in Europa eine
entscheidende Rolle gespielt hatte: Der Reichtum der Kirche. Weil die
USA den Soldaten nur geringe Bezahlung geben konnte, versprach man auch
im Konflikt mit Spanien das Recht auf Plünderung der Kirchenschätze. Wie
in Europa wurden daraufhin die Kirche und Klöster der eroberten
Territorien Mexikos geplündert und gebrandschatzt. Dabei machten die
meisten Amerikaner über und in Mexiko die ersten Erfahrungen mit dem
Katholischen.
In einem Land, das mit einem hohen Anteil armer
Landbevölkerung, die noch dazu eine völlig andere Mentalität hatten,
natürlich deutlich unter dem amerikanischen Anspruch auf Wohlstand
lebte. Mit noch einem Faktor: Diese Bevölkerung war weitgehend mestizisch (spanisch-mexikanisch), also "zu wenig weiß". Das stützte das Urteil, daß der Katholizismus den Ideen von
Wohlstand und Freiheit entgegenstand. Katholizismus wurde als Quelle der
Inferiorität und Fortschrittsfreude eines Landes definiert. Und es fand einen Identifikationsgegenstand: Mexiko.
Dazu
kam eine neue Art der Animosität: Mehrere amerikanische Regimenter, die
mehrheitlich deutsch-irisch besetzt waren, waren im Krieg mit Mexiko zu
den Mexikanern übergelaufen, die ihnen Land versprochen hatten. Diese
Nachrichten ließen zusätzlich die Zweifel wachsen, ob Katholiken
generell loyal zu einem Gebilde wie den USA mit seiner "von der
Vorsehung geschaffenen Sendung, die Welt zu verbessern" stehen würden.
Insgesamt wurde Mexiko zum Beweis hochstilisiert was mit einer Kultur passiert, die katholisch geprägt ist.
Morgen Teil 2)
*160817*