Teil 2) Fortführung der Gedankensplitter
Genau so, wie die gigantische Menge von
Windrädern in den Ebenen, die Wien von Osten her vorgelagert sind - das
halbe nördliche Burgenland/westliche Niederösterreich ist mittlerweile
flächendeckend mit Windrädern bestückt - einen Einfluß auf das
Kleinklima der Stadt haben muß. Dazu kommen aberwitzig
großdimensionierte Bebauungsvorhaben, die ganze Stadtviertel neu
entstehen ließ, nicht nur im Osten und Norden, also am "anderen
Donauufer", sondern auch im Süden, wo am Wienerberg, exakt an der
topographischen Stadtgrenze (man sieht das ganz deutlich, wenn man sich
der Stadt auf der Autobahn von Süden her nähert), in den letzten Jahren
eine immer weiter ausgebaute Hochhaussiedlung entstanden ist. Die, wie
die Einwohner dort beklagen, denn die Zwischenräume zwischen den Türmen
agieren wie Winddüsen, teilweise entstehen lebensgefährliche
Windgeschwindigkeiten, als düsenartiger Windfang wirkt. Man nimmt aber
damit der Stadt die Luftschneise von Süden her.
Ähnliche
Erscheinungen werden vom Nordosten Wiens, vom Donauufer gemeldet, der
sogenannten "Donauplatte", am Gebiet rund um die "UNO-City" (die heute,
wiewohl nicht klein, wie Minimundus gegen die Umgebung wirkt), wo sich
seit Jahren ein Wettbewerb der Architektur abspielt, wer endlich das
größte und häßlichste Hochhaus Wiens baut, und hilflose Stadtplaner
riesige Areale (wie das des früheren Flughafens Wien Aspern) mit
Satellitenstädten vollpflastern und mit absurden soziologischen
Konzepten der "Durchmischung" zukünftige Slums einrichten weil jede
Einwurzelung, die sich immer um ethnische, religiös-kulturelle Punkte
kristallisiert, verhindern. Deren Bewohner in starkem
Spannungsverhältnis zur angestammten Bevölkerung stehen, die diese
Gebiete bisher - aber in ganz anderer Charakteristik: aufgelockerter
Siedlungsbau - bewohnten.
Aber
die Probleme summieren sich: Die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit der
Donau (durch die an sich kluge Hochwasserlösung einer zweiten
Donaurinne, die im Extremfall die Durchflußkapazität der Donau
verdoppelt) hat eine kaum zu stoppende Vertiefung der Flußrinne bewirkt.
Dazu kommt, daß dieser ganze, seit Jahren stark wachsende Nord-Osten
Wiens sich von Grundwasser speist (der diesseitige Teil Wiens lebt ja
von bestem Hochgebirgswasser, das über drei Leitungen von den Alpen her
zugeführt wird). Schon jetzt wird im angrenzenden Ackerbauland, dem
Marchfeld, einer der "Kornkammern" Österreichs, ein ständiges Absinken
des Grundwasserspiegels und ein immer trockeneres Klima vermerkt.
Ähnlich
wirken sich die in den letzten Jahrzehnten errichteten Fließkraftwerke
etwas außerhalb Wiens aus, in Österreich und im angrenzenden
Slowakei/Ungarn. Auch sie bringen eine Vertiefung der Donaurinne. Die
südlich des Kraftwerks Gabcikowo/Nagymoros liegenden alten Sumpfgebiete,
die aufgrund ihrer reichen Flora und Fauna (sogar mit
Sumpfbüffelherden) eine Art Nationalheiligtum der Ungarn sind. Die seit
Jahren mit den Slowaken streiten, weil der fallende Wasserspiegel ein
Austrocknen dieser Sümpfe nach sich zieht, die zugeführten Wässer nicht
mehr ausreichen, weil man "sparen" muß, um das Kraftwerk noch
wirtschaftlich zu betreiben.
***
Der
heutige Wissenschaftsbegriff ist als Rationalismus nur in der Lage, die
Welt linear-rational aufzulösen. Diese Herangehensweise aber erfaßt
nicht die Dinge in ihrer Wesenheit, ihrer Ganzheit, sondern ist wie das
Einrichten von gradlinigen Sondierstollen in eine hochkomplexe,
systemisch als Ganzes reagierende und inanander unendlich tief
verschachtelte Welt. Es entsteht ein verkehrtes Weltbild, das die Welt
als lineares Ursache-Wirkungsverhältnis sieht. Das aber für die
Beschreibung der Welt nicht ausreicht. Weil wir aber in diesem
Technizismus zu wirken gewöhnt wurden, lösen wir immer häufiger
Gesamtstörungen aus, die zu ursprünglichen Absichten gegenläufigen
Entwicklungen (in kleinem, unserem Wirken anschließenden Raum, der immer
ein Raum der Beziehungen ist) führen. Wir richten also immer
regelmäßiger mehr Schaden an, als wir Nutzen ziehen. Und setzen damit
ein Perpetuum mobile in Gang, in dem wir ein Problem lösen, aber in linearer Aufgliederung fünf neue schaffen.
Das
große Ganze zu sehen ist aber einer rationalistisch-mathematisch
aufgefaßten Naturwissenschaft schon methodenbedingt nicht möglich. Es
ist eine Aufgabe der Metaphysik, ja der Poesie, die jene Gesamtbilder
liefern kann, die die Angemessenheit vereinzelten Handelns bestimmen und
aussagen kann. Der umgekehrte Weg - das Ganze aus linear-mathematischer
Rationalität auflösen zu wollen - ist schon prinzipiell (Gödel) nicht
möglich, denn auch dieser Rationalismus ruht auf einer transzendenten
Wirklichkeit auf. Anderes zu glauben ist vielleicht rational-begrenzt
ausdenkbar, denn das Denken kann sehr rasch zu einem fidelen
Glasperlenspiel werden, das in sich logisch bleibt, aber auf technische
Welt beschränkt mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat, aber nicht
vernünftig. Nur der religiöse (ja sogar: nur der katholsche) Mensch kann auch wirklichkeitsgerecht denken.
Das
wirkt sich besonders dort tragisch aus, wo wir große Systeme - wie
"Weltklima" - mit unseren linearen Denkweisen aufzulösen versuchen. Es
ist also das derzeit schlimmste Beispiel dafür, wie wir allmählich
überhaupt mehr Schaden anrichten als wir Lösungen erarbeiten, weil wir
unser technisches Wirken nicht mehr als das sehen, was es ist: Ein
Kratzen an der Oberfläche der Welt, mit dem wir äußerst vorsichtig und
sowohl räumlich wie zeitlich beschränkt umgehen sollten. Damit diese
hochkomplexe Welt, deren Schicksal niemals in unserer Hand liegt,
sondern das eingebettet in ein gigantisches System kosmischen Ausmaßes
ist, das sich unserem Zugriff immer entzieht. Je größer aber der Maßstab
ist, in dem wir auf unsere beschränkte lineare Weise eingreifen, umso
größer sind die Schäden, die wir anrichten, weil wir sehr rasch mit
komplexen Systemen zu tun haben, die unserem Denken nicht angemessen und
deshalb schon prinzipiell niemals steuerbar sind. Ohne aber je das
Ganze auch nur annähernd zu erreichen! Schon zu glauben, daß wir also
ein "Weltklima" beeinflussen und gar steuern können ist grenzenloser
Wahn der Selbstüberschätzung.
*190817*