Walther Rathenau, der 1922 von nationalistischen Antisemiten erschossen wurde, war der Meinung, daß sich auch Seelen bilden könnten, soweit es menschliche Gemeinschaften anbelangte. Diese Seelen, in Anklang an Spinoza, hätten das Recht zur Entfaltung, aber auch die Pflicht, aus sich heraus zu wachsen und zu wirklichen. So war für ihn (im Gesamtzusammenhang auf Gott hin, dem Urbild jeder "Seele", als Ideon, als Idee verquickt mit Willen zur Gestaltwerdung, mit Liebe) das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" transzendent begründet.
Solche Seelen entstanden, meinte Rathenau, ähnlich der Ehe als Gemeinschaft zweier Menschen, aus der Liebe zueinander, und allen darauf folgenden Stimmungen und den beiden wesentlichen Haltungen: Solidarität und Opfersinn. Wo diese Haltungen wahr werden, ist der Mutterboden für die Seele eines Staates gegeben, der sich - was seine Bewohner anbelangt - auf nichts einschränken läßt, nicht auf Volk, Familie, Stamm, Nation, der aus jeder Gesellschaft erwachsen kann.
Lebt solch eine Seele erst einmal, ist sie in einem Staat wirklich geworden, so besitzt sie eine Eigendynamik, die Rathenau mit "Strahlenphänomen" bezeichnet, in der sie auf alle Bürger zurückwirkt, Geschichte annimmt und wird überzeitlich. Walther Rathenau vergleicht es in "Mechanik des Geistes" mit einem Springbrunnen im Schloßpark von Versailles. Schon Ludwig XIV. sah die Fontaine aufsteigen, und wir Heutigen sehen ihn genau gleich. Nur das Wasser hat gewechselt. Dieser Vorgang ist noch in zweitausend Jahren derselbe, wenn das Wasser dann noch aus demselben Rohr steigt.
Dieses Strahlenphänomen beherrscht, wie Rathenau feststellt, alles Lebendige. Alles fließt, aber jeder Moment der dahineilenden Materie wird aufgefangen in einem milliardenfachen Netz von Formen, die der Welt den Schein der Stetigkeit verleihen, weil sie, von der Form des Weltalls bis zu der des Atoms, an menschlichen Maßstäben gemessen, unwandelbar sind.
Nicht das Blut, sondern ein Schatz von stetigen Formtendenzen, die aus dem fortlaufend neuen, durchstürmenden Stoff immer den gleichen Strahl formen, gibt einer Gemeinschaft in den Formen ihrer Sprache, ihre Kunst, ihrer Sitten, ihrer Religion eine eigene Individualität - im Sinne Rathenau's: eine Seele.
Solche Seelen entstanden, meinte Rathenau, ähnlich der Ehe als Gemeinschaft zweier Menschen, aus der Liebe zueinander, und allen darauf folgenden Stimmungen und den beiden wesentlichen Haltungen: Solidarität und Opfersinn. Wo diese Haltungen wahr werden, ist der Mutterboden für die Seele eines Staates gegeben, der sich - was seine Bewohner anbelangt - auf nichts einschränken läßt, nicht auf Volk, Familie, Stamm, Nation, der aus jeder Gesellschaft erwachsen kann.
Lebt solch eine Seele erst einmal, ist sie in einem Staat wirklich geworden, so besitzt sie eine Eigendynamik, die Rathenau mit "Strahlenphänomen" bezeichnet, in der sie auf alle Bürger zurückwirkt, Geschichte annimmt und wird überzeitlich. Walther Rathenau vergleicht es in "Mechanik des Geistes" mit einem Springbrunnen im Schloßpark von Versailles. Schon Ludwig XIV. sah die Fontaine aufsteigen, und wir Heutigen sehen ihn genau gleich. Nur das Wasser hat gewechselt. Dieser Vorgang ist noch in zweitausend Jahren derselbe, wenn das Wasser dann noch aus demselben Rohr steigt.
Dieses Strahlenphänomen beherrscht, wie Rathenau feststellt, alles Lebendige. Alles fließt, aber jeder Moment der dahineilenden Materie wird aufgefangen in einem milliardenfachen Netz von Formen, die der Welt den Schein der Stetigkeit verleihen, weil sie, von der Form des Weltalls bis zu der des Atoms, an menschlichen Maßstäben gemessen, unwandelbar sind.
Nicht das Blut, sondern ein Schatz von stetigen Formtendenzen, die aus dem fortlaufend neuen, durchstürmenden Stoff immer den gleichen Strahl formen, gibt einer Gemeinschaft in den Formen ihrer Sprache, ihre Kunst, ihrer Sitten, ihrer Religion eine eigene Individualität - im Sinne Rathenau's: eine Seele.
*171010*