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Samstag, 16. Oktober 2010

Genie - nicht Virtuosität

In seiner großartigen Monographie über Giotto geht Henry Thode auch auf das Wesen des Genies ein.

Es sei ein Trugschluß, meint er, Genie mit Virtuosität zu verwechseln. Im Gesamtrahmen betrachtet sei es nicht einmal so, daß Genies das, was sie angestoßen haben, und um dessentwillen sie Genie zu nennen sind, selbst zur größten Meisterschaft geführt haben. Das blieb praktisch immer den Epigonen überlassen, die die einmal gebahnten neuen Wege bereits mit viel mehr Übersicht und Ruhe betreten konnten. Meist gelangt also erst in ihnen eine geistig oder künstlerisch neue Epoche zur höheren und reineren Formentwicklung.

Im Genie aber kommt eine sprunghafte Höherentwicklung zum Ausbruch, und das ist sein unzweifelhafter Verdienst, und seine Notwendigkeit. Und zwar nie, ohne daß er sich am Vorhergehenden abgearbeitet hat. Dessen Beherrschung ihn aber unbefriedigt läßt, und ihn zu etwas Neuem drängt, immer einem inneren Anspruch folgend, der ihm gegeben ist - den er nicht einfach setzt.

Nie ist Neues aus ziellosem Probieren an Formen entstanden, immer war es ein innerer Impuls, etwas zum Ausdruck, zur Darstellung zu bringen, das noch namenlos war, weil es es noch nicht gegeben hat. Mit einem wesentlichen Merkmal: daß das Neue den Menschen als "immer schon da", aber noch nie präzisiert, erscheint.

 
*161010*