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Mittwoch, 27. Oktober 2010

Fettwanste

Der Orden der Franziskaner, mit allen Abspaltungen und Tertiärorden, wächst unglaublich rasant. Noch im Todesjahr des Heiligen Franz zählen die Minoriten dreitausend Brüder. Zweiundvierzig Jahre später zählen die Franziskaner achttausend Klöster mit zweihunderttausend Mönchen.

Kaiser, Könige, Heilige zählen zu den Tertiärorden, die dem Vorbild des Heiligen Franz nacheifern - mehr, oder weniger. Eher weniger dafür zunehmend die Klöster. Das Armutsideal verliert sich bald, betteln wird zum neckischen Schein, und der Wohlstand zieht auch in die Klosterküchen ein. Ja, sie sind noch im 13. Jahrhundert als Epikureer verschrien, und man sieht es mit Eifersucht, aber durchaus auch mit berechtigten Beschwerdegründen, daß ihre Rolle in der Kirche derartig zunahm.

Denn sie sind einerseits die Träger der Mission der Weltkirche, wie auch der inneren Mission - aber damit untergraben sie die normale Seelsorge, denn die Menschen gehen lieber bei Wandermönchen beichten, als beim Ortspfarrer. Der damit aber sein eigentliches Amt, die Seelsorge, nur noch beeinträchtigt wahrnehmen kann.

Vor allem die Freundschaft der gesellschaftlichen Eliten kommt in der bußfertigen Gebefreude ihrem materiellen Gebaren aber auf eine Weise entgegen, die gewiß nicht mehr die Gründungsintentionen erfüllt. 1246 kommen die Franziskaneroberen aus London den Papst bereits reichgekleidet wie Fürsten besuchen, und in diesem Wohlleben kommen sie auch als Frauenlieblinge ins Gespräch, sodaß sich eine immer stärkere Gegenströmung bemerkbar macht. Dennoch erringen die Franziskaner auch in den Wissenschaften - ebenfalls gegen die Gründerintention - ihre Meriten, und dominieren (neben den Dominikanern) die Universitätslehre. Und mit Figuren wie Alexander von Hales gewinnt die franziskanische Spiritualität Einfluß auf Thomas von Aquin und von da her auf die gesamte Zukunft der Kirche - wobei sich ihre Theologie bald spaltet. Findet sie in der älteren Richtung (in Heiligen wie Bonaventura) noch klare Anleihe im franziskanischen Mystizismus des Platonischen, formiert sich aus einem ebenfalls im Heiligen Franz angelegten Spiritualismus später der Nominalismus.

Der dem Realismus der Scholastik bald in regelrechter anti-katholischer Haltung gegenübersteht. Als Skeptizismus, der die individuelle religiöse Anschauung gleichberechtigt der kirchlichen Autorität gegenüberstellt - ein Erbe der Waldenser. Diese Richtungen, die in William von Ockham erste Ausformulierung finden, bahnen damit den Weltanschauungen des 16. und 17. Jahrhunderts ihren Weg, in Hobbes, Locke und Baron Verulam. Die sinnlichen Dinge, die bloßen Erfahrungen, waren das einzig Anzuerkennende, die Begriffe bloße (substanzlose) Zusammenfassungen, die aber von nichts mehr sprachen, und mit Gottes Denken nie überein kamen - Theologie und Verstand wurden getrennt. Damit wurde die Religion rein auf das Gebiet individueller faktischer Praxis verlegt.

Thode weist darauf hin, daß diese Bewegung aber eigentlich dieselbe ist, wie sie sich in der Kunst abzeichnet und der Renaissancekunst zugrunde liegt, als Giotto beginnt, in Assisi erstmals nach der Natur zu malen. Und plötzlich beginnt, die Gefühle der Dargestellten auszudrücken.

 
*271010*