Robert Spaemann hat ein wunderbares Beispiel zur Illustration, was Verstehen bedeutet: Er beschreibt ein Kind, dessen Entwicklung so abläuft, daß es sich selbst erst mit dem Namen sieht und begreift, den ihm andere geben, und erst allmählich, von außen nach innen, zum Begriff des "Ich" kommt. Zugleich begreift es damit, daß es für andere ein "Du" oder ein "Es", kein "Ich" ist.
So, schreibt er in "Whitehead oder: Welche Erfahrungen lehren uns, die Welt zu verstehen?", heißt Nichtverstehen: Die im Reden immer schon antizipierte Universalität der Perspektive nicht tatsächlich realisieren können; wissen, daß ich nicht wirklich weiß, was ich bin, solange ich nicht weiß, was alles andere ist und was ich für alles andere bin. Dem Atom ist alles selbstverständlich, insofern es nichts nicht versteht.
Der Begriff Gottes ist der Begriff eines Wesens, dem wiederum alles verständlich ist, weil es alles als es selbst und im Zusammenhang mit allem anderen als diesem selbst versteht. Philosophie hat von Anfang an kein anderes Ideal gekannt als das des göttlichen Verstehens.
Und, möchte man hinzufügen, ist letztlich auf ein Verstehen eines selbst ausgerichtet, das ein Selbstbesitzen bedeutet. Worin es Gott am vollkommensten nachzuahmen sucht, weil er des Menschen Urbild ist.
*141010*