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Freitag, 14. Mai 2021

Man kann's auch übertreiben (1)

Es ist ein wenig seltsam, daß über weite Strecken dieselben Kräfte, die für sexuelle Befreiung eintreten, die Pornographie ablehnen. Und nicht nur das, diese Ablehnung trägt teilweise bereits aggressive Züge. Ganz so, als würden alle Schranken, hier den Archetyp eines Sündenbocks zu konstituieren, zunehmend fallen. Sodaß sich (ähnlich wie in der #metoo-Bewegung) ganz andere, elementarere und vor allem komplexere Dinge zu einer Ersatzabführung bündeln. In die hinein dann der Wille (zusätzlich aus dem Verstand genährt) Energie lenkt. 

So wird die Ablehnung der Pornographie sogar zu einer Art Gleitmittel, zu einem nächsten Trojanischen Pferd, um im Kampf gegen dieses "na wohl auch von Ihnen abgelehnte Zeug!" auch die Zustimmung zu Totalitarismen einzuholen. Denn wenn schon nicht beim Klima, wenn schon nicht bei Corona, dann ist doch wenigstens bei der Pornographie gerechtfertigt, das Verhalten der Menschen bis zum Gang auf die Toilette zu regeln. NICHT WAHR?

Eben. Nicht wahr.* 

Realisation von Träumen, von Wünschen als Moment der Unerfülltheit von Wirklichem in der Realität. Dieses Wirkliche wiederum ist mit dem Natürlichen ident. In die Pornographie werden deshalb vorwiegend (vom Moment der Verführung wollen wir an dieser Stelle nicht sprechen) jene gezogen, die in einer naturwidrigen Lebenssituation stehen. Das ist in anderen Bereichen der Phantasie und deren Erfüllung nicht anders. 

Wenn wir also wie heute in einer Welt leben, die Forderungen an die Lebensweise stellt, die sich von unserem natürlichen Mensch- und Weltsein immer weiter entfernen, dann wird auch die Phantasie immer größer, werden die Ersatzwünsche immer stärker, die sich in den Menschen bilden. 

Es greift deshalb viel zu weit und hat etwas von Fanatismus, wenn ein Trend zu beobachten ist, in dem die Gleichsetzung von Phantasie  und Realität geschieht. So als ob die in der Pornographie visualisierten, ins Sinnliche getriebenen Szenen und Bilder dieselbe Qualität (auch in der Seele) hätten wie die reale Handlung.
QR Artikel Life Site News

Denn von einem zum anderen ist schon noch ein großer Schritt. Pornographie, deren diabolisches Moment in der scheinbar "realitätsnäheren" Welt, in der die Wünsche Realität werden, liegt, ist nämlich lediglich ein nächster Schritt der Phantasie. Die in der Funktion wie ein intimes Tagebuch Wünsche realisiert, die sich in der Welt nie realisieren. Und der Konsument weiß das auch. Er weiß, daß das, was er da "erlebt", nicht Realität werden kann. 

Ja man kann sogar darüber nachdenken, ob und in wieweit nicht diese Virtualisierung des Seelischen zur Realität depotenziert. Vor dem Bildschirm masturbieren ist also das Äquivalent zu "Schniedel ab!" und "Muschi weg!" Julien Green, der als Homosexueller, der (als Katholik) mit diesem Problem bis ins höchste Alter (er wurde hundert Jahre alt!) kämpfte (und sogar einen Sohn adoptiert hatte), schreibt in seinen Tagebüchern unter anderem immer wieder davon, wie er die These verfolgt, daß so besehen die Masturbation sogar "Verbrechen (namentlich: Vergewaltigungen) verhindere." 

Und ein ebenfalls als Vertreter der französischen Dichtergeneration der "nouvelle catholique" bekanntgewordenen Autoren schreibt, daß er die nackte, ja sogar die "furchtbare" Tat eher schätze als die feige Wirklichkeitsverweigerung des Onanisten. Die den Menschen von der Vorsehung - also dieser "Taktung in den göttlichen Willen" - so unwiederbringlich abschneidet. Denn eines muß uns schon klar sein: Die böse Tat trägt in seinem entscheidenden Punkt, dem Entschluß als Abschied vom Gut(en), eine Wirklichkeitsnähe, die der generellen Flucht aus dem Wirklichen weit überlegen ist. 

Oder, um es in ähnliche Worte wie der Recke der Abwehr des Fußballclubs Eintracht Frankfurt, Martin Hinteregger, zu kleiden, der unlängst zum Stirnerunzeln der vielen von Moral und Gewalt-gegen-die-Gewalttätigen Unbefleckten in diesen unseren Ländern davon sprach, daß er manche Straßenschlachten zwischen Mitgliedern je unterschiedlicher Fanclubs deshalb schätze, weil die Energie nach so einer ehrlichen Dresche draußen ist (und sich nicht staut und schließlich Ersatzwege sucht): Besser kräftig gescheitert als in die Dämonie des Unwirklichen hinein aufgelöst.

Somit stehen wir vor dieser in Wahrheit fatalen Korrelation, wenn sich hier nicht sogar Ursache-Wirkungs-Bezüge finden. Und das ist die Tatsache, daß das Sexualleben, das reale Sexualleben ganz erstaunlich ABGENOMMEN hat. Was paradox ist! Denn da wird von sexueller Befreiung gefaselt, und in praktisch jeder Diskussion mit Jugendlichen (als Beispiel) ist die sexuelle Freizügigkeit ein Dogma, das mit Händen und Füßen verteidigt wird. Aber die Realität ist immer dürftiger. Es gibt jede Menge Untersuchungen, daß die sexuelle Praxis ABNIMMT. Daß die heutigen Jugendlichen (nicht weniger wie die Erwachsenen) in ihrem Alltag WENIGER Sex haben als früher. 

In einer Woche Teil 2) Wenn ein Sündenbock zum Sündenbock wird


*Übrigens - das hatten wir schon hinter uns. Erinnert sich der Leser vielleicht noch an die vor etwa zwei Dezennien einige Jahre lang die (mehr oder weniger) Öffentlichkeit bewegende Frage des Steh- oder Sitzpinkelns? Wo unter dem Vorwand aller möglichen Gesundheits-, Hygiene- und vor allem Genderfragen (erst war der irrationale Anlaß, dann die Gründe, dann die "Fakten") den Männern der entscheidende Kulturunterschied der Geschlechter beim Pinkeln - Sitzen oder Stehen - mit aggressiven Gesten ausgetrieben werden sollte. Mit Erfolg, übrigens, die segensreiche Einrichtung von Pissoirs ist am Schwinden begriffen, und selbst der VdZ ist zum überwiegenden Sitzpinkler geworden, weil er wegen so einer "Lächerlichkeit" nicht ständig zwischenmenschliche Konflikte wollte. 

Gehe der Leser aber doch einmal die Erinnerungsbilder durch, und beantworte er dann die Frage, ob nicht dieselben, die das Stehpinkeln nötigenfalls per Videokamerabeweis austreiben wollten, auch jene sind, die heute als Berserkertruppe auftreten, um alles mögliche Verhalten zu verändern. Verhalten, weil man das Sein zwingen will.

Und zwar im Namen der Corona-Gesundheit wie jüngst, und wie jetzt, im nahtlos daraus hervorgewundenen, ansatzlos (und nur durch dieses extrem kalte Frühjahr - Ungarn hatte den kältesten April seit 1908! - ein wenig gehemmt) eingesprungenen doppelten Rittberger einer wohl endgültig herbeimanipulierten, in die Normalität der moralischen Imperative eingeschmuggelten Bereitschaft, Verhaltens- und Denkregulierungen bis in intimste Winkel im Namen der Weltklimarettung hinzunehmen.

Womit hat das begonnen? Richtig. Auch (auch, nicht nur) mit der Verfolgung der Stehpinkler, als scheinbar noch "unwesentliche" Ersatzfiguren für den eigentlichen Kampf, den gegen das Sein selbst. Wobei, wenn man es genau überlegt: Letztlich, ja letztlich geht alles tatsächlich um diese eine (und sehr ernst gemeinte) Frage: Ist nicht das Gottsein im Stehpinkler vollkommen abgebildet?


*130421*