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Sonntag, 9. Mai 2021

Neulich vor einem Jahr (3)

Teil 3) Kapitalismus wird oligarchisch wie der Kommunismus


Das ist jenes Prinzip, in dem der Stärkere, der nun nur noch ein Skrupelloserer ist (somit der von "christlich-ethischen Werten, die die Rücksicht auf den Schwächeren kraft des Hauptgebotes der Nächstenliebe verlangt, befreitere") sich nicht nur durchsetzt, sondern in einem ständigen Wettbewerb mit dem anderen in einem Prozeß der ständigen Akkumulierung von Geld und Kapital steht. Weil immer nur der Stärkere übrigbleibt, der zugleich dann auch der mit weiter konzentrierterer Kapitalmacht wird, die sich von selbst in politische Macht umsetzt.

Was dem Liberalen also fehlt ist ein Konzept, ein umfassendes Bild, auf das hin sich eine Gesellschaft ausrichten kann und soll, weil es dem Gemeinwohl am meisten dient. Der Liberalismus führt automatisch zur Herrschaft von Wenigen immer Mächtigeren, er führt automatisch zur Oligarchie (in der wir uns seit diesen seit zweihundert Jahren aufbauenden Liberalismus heute tatsächlich befinden).

Was immer der Liberale politisch fordert (und das hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten auch mehrmals geändert (man spricht heute von der 7. oder gar 8. Internationalen Liberalen Bewegung) ist lediglich tagesaktuell. Es ist somit aus seinem Wesen heraus populistisch, und findet auch immer Gruppen der Zustimmung. Denn es ist nicht nur populistisch, sondern wie gesagt "passend zur momentanen Problemlage," die auch dem einfachen Volk klar wird, weil es darunter leidet.

Wenn wir nun zusammenfassen, dann führen sich also Liberalismus und Kommunismus zusammen. Sie brauchen einander. Der Kommunismus braucht das Kapital und die Ideologie des Stärkeren als evolutionäres Prinzip der gesellschaftlichen Entwicklung, die seiner Politik der Emanzipation von bestehenden Gesellschaftsordnungen den Charakter unüberwindbarer Naturnotwendigkeit und also Schicksalshaftigkeit verleiht. Sodaß das Volk sie mehr oder weniger "akzeptiert", stillschweigend zur Kenntnis nimmt, was ohnehin nicht vermieden werden kann. 

Der Liberale wiederum braucht und will dieselbe revolutionäre Politik, und der Kommunismus liefert ihm jene ideologische Basis (der "Wissenschaft", also des "unüberbietbaren Wissens über die Welt") die die Selbstauflösung bestehender Ordnungen zur Folge hat. Um somit der ungezügelten Entwicklung zur Oligarchie, dieser Herrschaft der Stärkeren, in deren Händen sich Kapital und indirekte politische Macht konzentriert, alle Wege öffnet. 

Beide - Liberalismus und die Linke - haben also, wenn man sie auch nur ein wenig unter die Lupe nimmt, dieselbe Wertestruktur. Sie bauen auf der Naturnotwendigkeit (weil "Wissen") evolutionärer Höherentwicklung als Fortschritt auf. Sie wollen Menschen, die ihren Stand akzeptieren, der sie unter die Fuchtel der Oligarchie bringt, die ihre Arbeitskraft nützen und den Mehrwert abschöpfen. Und sie pendeln beide zwischen den Extremen totaler Schrankenlosigkeit (Revolution) und der konservativsten Einordnung als Rädchen in der Maschine, die sich Staat nennt. Der - als anonymisierter Apparat - auf Produktivität ausgerichtet, für den Wohlstand der Massen sorgt. Wobei der Liberalismus sogar den Sozialstaat akzeptiert, wenn er aktuelle Probleme (z. B. Unzufriedenheit der Massen) beseitigt.

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Wenn wir also Szenen wie die oben sehen, die aus ausgewiesenen linken = kommunistischen Kreisen stammen und deren feuchte Träume offenbaren, so sollten wir uns dennoch nicht taub und blind dafür machen, daß wir uns in den liberalen, freiheitlichen Bewegungen derselben Waagschale eingliedern. Der Liberalismus dient der Linken dabei als Werkzeug.

Beide sind aber wesentlich auf die Zerstörung metaphysischer und durch ihre Herkunft aus dem Absoluten verbindlicher Ordnungsbilder ausgerichtet. Die als vorgegeben (und durch göttliche Vorsehung mit Sinn erfüllt) akzeptiert, repräsentiert und in einem ständigen Ausrichten vital gehalten und stets neu angestrebt werden. 

Aber einer ungezügelten Konzentration von Macht Einhalt bieten, weil von diesem Bild ausgehend ein Begriff von Gemeinwohl ausschlaggebend ist, der Machtkonzentration im Volk verhindert, sobald sie die Lebensgestaltung der Mitmenschen einschränkt und in Fron zwingt. Immer ausgehend von einem Verstehen von Nächstenliebe, das nicht auf "Sieg" ausgerichtet ist, sondern auf die Realisierung eines gottgewollten Reiches abzielt.**  


*Die trotz so umfassenden Literaturstudiums nach wie vor zutreffendste, effektivste Analyse revolutionärer Vorgänge findet sich in Brinton Crane's "Anatomy of Revolution". Zusammen mit Jacques Ellul's Büchern aus den 1960er Jahren "Propaganda" sowie "The Technological Society" erhält der Interessierte so viel Hintergrunderhellung, daß sie ausreicht, um die Grundströmungen der Geschichte Europas der letzten zwei Jahrhunderte zu erkennen und zu verstehen. 

Die umfassendste und vollständigste wie inhaltlich beste Analyse des Liberalismus als Weltanschauung findet sich in dem zweibändigen Monumentalwerk von Ceslaus Maria Schneider, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts verfaßt und veröffentlicht wurde.

** = Kirche, "ecclesia", "Versammlung aller". Abstrakt und als ontologische Ausrichtung des Menschen als Sozialwesen gesehen (also als Anthropologie), trifft das auf jede Gesellschaft, jede Kultur und jede Religion zu allen Zeiten zu.


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