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Donnerstag, 27. Mai 2021

Neues von der Gestaltsicht (1)

Es ist etwas, das jeder kann. Oder könnte, das heißt: Die allermeisten wissen nicht, daß sie die Welt so sehen, wie Eric Standop es zum Beruf gemacht hat. In und von dem er aber erst in Ostasien (Hongkong) arbeiten und leben konnte, denn für diese Dinge hat man in Europa wenig Sinn. Während das, was jeder Mensch kann - das Lesen von Gestalt, das Rezipieren dessen, was er davon wahrnimmt, das in Europa stumm, stillschweigend in die persönlichen Urteilsprozesse einfließt - in Asien überhaupt gerne zur für sich stehenden "Kunst" gemacht wird.
QR Eric Standop

Die es gar nicht ist. Denn das Wissen um eine Grammatik, die aber unendlich komplexe Dynamik ist, in der das Momenturteil in das Einfluß nimmt, was beurteilt und in das, was "ist", sodaß das Gehörte, das Urteil des Gesichtslesers (in dem Fall) in das eigene Sein miteinfließt und ... lähmt, katatonisiert, erstarren läßt, ist keine Kunst, sondern ein Defekt, wenn es für sich gestellt und "angewandt" wird. Das verbindet das Gesichtlesen als Teil eines (für sich gestellten) Gestaltlesens tatsächlich mit der Esoterik, auch wenn Standop es nicht weiß und bewußt abzulehnen vorgibt.

Und das macht die Janusgesichtigkeit dieser Methoden auch, die sich als Methoden nur deshalb darstelllen können, weil sie unbedingt einer Interpretation bedürfen. Die - eiderdautz! - von Mann zu Mann anders ausfällt. Die also schon insofern keine streng physikalischen, technisch für sich zu sehenden Methoden sind, als ihre Effektivität von der Urteilsfähigkeit, Lebenskenntnis, Glaubenshaltung und Philosophie des "Lesenden" abhängen. Sodaß sie als Spiegel recht gut funktionieren können, gewiß. Und alleine daß dieser Begriff hier nicht spießt, sondern sich gut einfügt, erzählt schon die Herkunft des gesamten Bereichs - es ist Technik. Und Technik, Funnktion und eine darauf abgestimmte Effektivität sind immer blind.

Weshalb vermutlich sogar ausnahmslos die Inanspruchnahme solchen Urteils über einen, also die Konsultation selbst, unsittlich ist. Weil ebenso charakterschädigend wie einen Charakterschaden vertiefend wirkt. Und eine Spirale (nach unten, in die Selbstauflösung des eigenen Urteils, der eigenen Ganzheit als Zusammengefaßtheit im "Ich", was man Persönlichkeit nennt) in Gang setzt. Die zwar zu stoppen ist, aber nur mit viel Aufmerksamkeit und Selbstkenntnis, und nur wenn man sofort reagiert, etwa wenn sie "einem zustößt". (Auch der VdZ war schon mit Esoterikern konfrontiert, die auf ihn zugegangen sind und begonnen haben, ihmj "zu offenbaren". Das verlangt nicht wenig Wachheit, das sofort abzuweisen, meist ist die erste Reaktion nämlich - weil nicht die der Vernunft - apperzeitptiv, man nimmt an, und das Angenommen hängt wie ene Klette am Pullover.) Es verlangt also die Tugend, sofort, wenn jemand solch ein Urteil über einen spricht, in dem er "nur" sagt, was er "sieht", abzuwehren.

Jenen abzuwehren, der speziell wie jene "sieht", die alle möglichen "Sehtechniken" pflegen. Und damit im Westen oft recht viel Aufsehen erregen. Indem er so tut, als wäre da etwas Neues dem eigenen Lebenskreis hinzuzufügen, sodaß man häufig auf den ersten Eindruck hin vergißt, oder gar nie wußte, daß man diese Dinge ohnehin HAT. Nur hat man sie an dem Platz, an den sie gehören. Der westliche Mensch, der solche Techniken nicht "pflegt" und zu dessen Kultur es auch nicht gehört, diese Techniken zu wecken und zu pflegen, sodaß er diese Sichtweisen nicht "kann", ist deshalb dem Asiaten unendlich überlegen. Obwohl man etwas "nicht kann."

Unendlich deshalb, weil der Mensch des christlichen Kulturkreises diese und ähnliche "Fähigkeiten" auf einer weit höheren Ebene hat, als der Asiate. Der von Kindheit an lernt, sie aus dem Ganzen herauszubrechen, und deshalb damit leben lernen muß, nur Bruchstücke einer gar nicht wirklich zugängigen (weil menschenförmigen) Welt in der Hand zu haben. Es sind also gar keine "Fähigkeiten", sie sind Teil des normalen Lebensvollzuges, auch im Westen. Und immer gewesen.

Wer sich diesen Dingen widmet gleicht jemandem, der meint, in der Aussage über die Struktur des Ziegelsteines dem Hausbauer - der diese Strukturen völlig selbstverständlich in seine Überlegungen miteinbezieht - überlegen zu sein. Aus denen heraus (für sich genommen) sie aber nicht "zusammengefügt" werden können. Was einem "von unten heraus mechanistisch aufbauen" gleicht; man denke hier an den wahren Spruch "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile".

Wenn in diesem Gespräch auf SWR3 von "neuem Bewußtsein" geredet wird (und in wie vielen Bereichen ist heute davon die Rede) dann wird als "wachsendes Bewußtsein" also nicht eine Zunahme der Lebens- und Geistesqualität vermittelt, wie vorgegeben. Der Medienkonsument sieht stattdessen die Folgen eines Zerfalls, also eine negative Folge einer Rekonstruktion des Ganzen, in das man das Vertrauen verloren hat, das ihm als Zugewinn verkauft wird.
Persönlichkeit ist aber nur ein Synonym für Vertrauen in das Ganze der Welt.
Obwohl in diesem aufgezeichneten Gespräch in der Einzelbeobachtung (also über "Teile", über "Ziegelsteine", siehe oben) sehr viel Gutes, Richtiges gesagt wird. Sodaß es durchaus lohnt, diese halbe Stunde aufzuwenden. Was Standop etwa über Gesundheit sagt, ist recht griffig.

Und es gibt noch andere Aspekte, die dieses Gespräch interessant machen. Denn daß solche Techniken gerade in Asien so populär und alltäglich sind, sagt enorm viel über die innere Grammatik der Asiaten überhaupt aus. Die sich schon in den dort vorzufindenden Religionen erkennen lassen. Die (und hier kann man Berichten von Missionaren sehr gut folgen und umso mehr vertrauen, je älter sie sind; man lese etwa die Briefe von Franz Xaver aus dem 16. Jahrhundert) allesamt, wirklich allesamt keine Religionen sind, sondern Überbauten über Religionen, während das menschlich Religiöse nicht nur diffus, sondern tief irrational, heidnisch und sogar dämonisch bleibt, das heißt: Bewußt oder unbewußt "irgendwelche" Kräfte, die man nie genau kennt, anruft und verehrt und - was entscheidend ist - denen man in demütiger, also empfangsbereiter, auf eine Gabe, ein Geschenk wartend begegnet.

Morgen Teil 2) Der eine liest, der andere sieht die Gestalt


*240521*