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Donnerstag, 27. Juli 2017

Brief an eine Tochter (4)

Bezug zur eigenen Geschichte
Man baut eine Firma auf, und stellt sie wieder ein, weil einen der Vorgang dahinter, das, was sich geistig abspielt, viel mehr interessiert, als der Bestand einer Firma, Geld, Ansehen etc. Ich werde hier schon ganz konkret, wie Du siehst. Denn mir ist nach sechs Jahren hartem innerem Kampf damals klar geworden, daß das einzige, was mich interessiert, der neutrale Schöpfungsvorgang ist. Aber als Unternehmer muß man anders denken. Also habe ich die Firma in Konkurs geschickt, was ja rein wirtschaftlich gesehen gar nicht notwendig gewesen wäre. Aber sie hat mich erstickt!
Und noch mehr wurde mir nach dem Jahr als Manager bei Neusiedler klar, daß ich nicht für ein normales Berufsleben tauge. Es ging nicht! Was ist da immer - und später immer klarer - passiert? Ich habe kraft Intelligenz und Erfahrung die Dinge sehr rasch durchschaut, und damit wie aus einem Drehbuch meist blitzschnell "perfekt" machen können. Ich habe also Theaterstücke inszeniert und auf die Bühne gestellt, in allen diesen Berufen! In denen ich in den Augen vieler ja immer sehr erfolgreich war! Aber ich KONNTE nicht. Nach einem halben Jahr begann es in mir - alles war immer mehr gelähmt, ich war zum Schluß dieser Geschichte, bei Wenzl 1999, schon regelrecht körperlich gelähmt, unfähig zu denken. Damals, 1999, war es zu Ende, endgültig.

Was war zu Ende? Der Versuch, den ich 1983 gestartet hatte, aus Angst, (...), aus Angst vor mir selbst und dieser ungeheuren Last des Künstlertums, die mir damals aufgegangen ist. Denn ohne Figur zu leben heißt, völlig ungesichert zu leben, ohne Identität! Heißt als Mensch ständig über dem Nichts zu schweben! MAN IST - buchstäblich - NICHTS.
Die Erscheinung, die ich damals an diesem Gründonnerstag Abend hatte, spielte eine spezifische Rolle, die ich aus heutiger Sicht als notwendig und gut erkenne, damals jedenfalls bewirkte, daß ich alles Künstlertum abwarf, "in die Hände Gottes zurücklegte", um ein "gutes Leben" zu beginnen. Da war zufällig Deine Mutter, der gegenüber ich mich wie gegenüber aller Welt als "schuldig" empfand, und der Rest ist Dir bekannt. Wobei ich immer vor mir Angst hatte, und deshalb jeden, wirklich jeden meiner Schritte "am Boden festgenagelt habe", also mit enormen Mut zum Risiko Verantwortungen einbetoniert habe, um nicht davon laufen zu können.
Daß in dieser Zeit so viele Kinder von mir gezeugt wurden, war damit kein "Versehen", es war der letzte Ausdruck meines Willens zum Schaffen! Wenn überhaupt dieser Plan aufgehen hätte können, hätte ich aber eine ganz andere Frau gebraucht. Darüber können wir ein andermal reden. Nur so viel: Deine Mutter hat auf mich wie eine Mörderin gewirkt, die alles Leben erstickt, und mich beinahe auch ums Leben gebracht hätte.
Abschluß der eigenen Geschichte. Einsicht als Künstler. Ultimo ratio. Bezug zur Geschichte der Tochter
Ich erzähle Dir das als Exempel, nicht um es aufzuarbeiten oder sonst etwas. Ich erzähle es Dir, weil ich an mir erlebt habe, daß man seiner Berufung zur Kunst, wenn sie denn da ist, nicht davon laufen kann.
Aber das zeigt sich nach und nach. Du bist nun 28 Jahre alt, (...). Das ist genau der Zeitraum, in dem das Leben aller Menschen das erste mal kräftig umbricht. Man korrigiert das erste mal, was am Anzug des Lebens nicht paßt. Frauen sind da etwas früher dran, da läuft es ca. von 28-30 Jahren Lebensalter ab, bei Männern passiert es etwa von 32-35 Jahren. Schau Dir Biographien an, ganz normale Menschen, Du wirst oft entdecken, daß sich darin ein erster und oft kräftiger Bruch findet.
Du scheinst es - wie ich - nicht zu schaffen, ein normales Leben zu führen. Aber Du läufst, so mein Eindruck, Dir in vielem vor allem an zu leistender Charakterarbeit noch davon. Auch bei mir war es zäh, und ich habe lange gebraucht, um den Mut zu finden zu sagen (und ich ringe noch heute, wo ich weiß, daß das gar nie aufhört): ich mache nur noch das, wozu ich berufen bin. Das war deshalb leichter, weil mir ja ohnehin alles zerbrochen ist oder (!) zerbrochen wurde. Wozu ein altes Sprichwort ja sagt: Wer sein Schicksal nicht wählt, den zieht es: VOLENTEM FATA DUCUNT; NOLENTEM TRAHUNT. Dem Willigen ist das Schicksal Führer, den Nichtwollenden zieht es.
Ich mußte aus meinem Lebensverlauf immer endgültiger schließen, daß die Welt mir gegenüber ohnehin feindlich bleibt, so lange ich versuche, in ihr als "normaler Bürger" zu bestehen.



 Morgen Teil 5)





*040717*