Teil 2) Erst die Moral macht daß wir zu fressen haben, Herr Brecht!
Zurück zu diesem kanadischen Windpark
bedeutet das, daß der nunmehrige neue Besitzer von der Landesregierung
Maßnahmen erwartet, die seine Anlage deshalb rentabel machen sollen,
weil die öffentliche Hand das private Unternehmerrisiko übernimmt. Das
eben nicht kalkulierbar, deshalb für private Unternehmen nicht
verantwortbar ist. Das Beispiel zeigt uns nun, daß die angeblich aus
ökologischen Gründen notwendige Umstellung auf Windkraft (die Lage bei
Solarkraft ist um nichts anders) eine Gesamtbewegung VON DER KULTUR WEG
verstärkt, ja sogar überhaupt erst bewirkt hat.
Sie
macht das menschliche Wirtschaften noch unmenschlicher, weil es die
Gesellschaften den Zwängen einer Maschine aussetzt, die das Leben bis in
kleinste Dinge hinein reguliert. Also den Takt für die individuelle
Lebensgestaltung vorgibt, dem man sich auch unterwerfen muß, weil es
keine alternativen Lebensweisen mehr gibt, ja diese sogar verboten
werden müssen, weil jede Maschine kalkulierbare Elemente notwendig
braucht. Das war schon der prinzipielle Fehler bei der Einführung des
elektrischen Stroms generell, als man dazu überging, auf Stromnetze zu
setzen.
Es
war, im übrigen, eine zur Gänze unterschätzte Folge einer Wirtschaft,
die zunehmend auf "Netze" setzte, sei es zur Wasserversorgung, die
Eisenbahnen und Verkehrsmittel generell, die Straßennetze, oder dem
Internet, und es war das Problem mit der Einführung der mechanischen
Uhr, die die ganze Welt mit einem unsichtbaren geometrischen Netz
umspannte und ein völlig neues Lebensgefühl und -befinden auslöste. Sie
alle haben Teil für Teil unserer individuelles Selbstüberschreiten ins
Transzendentale hin abgelöst, indem sie vereinfacht gesagt den ganz
realen Taktgeber Gott durch einen technischen Notwendigkeiten folgenden
Taktgeber ersetzte. Und zwar nicht partiell, nicht über kurze
Zeiträume, sondern in der Herstellung eines alle umfassenden
technisch-mathematischen Raumes.
Die
Folge war und ist, daß sich das Leben der Menschen mehr und mehr
entleert, und zwar im wahrsten Sinn. Es besteht kaum noch Freiraum, und
er wird sogar ständig noch kleiner, sich ins Transzendente (auf Gott
hin) zu überschreiten, um so das wahre, wirkliche Leben in dieses
irdische Existieren hereinzuholen, es damit mit Leben erst aufzufüllen.
Stattdessen wurde das Leben selbst zu einer den großen technischen
Apparaturen unterstellten weltimmanenten Teilapparatur bloßen
technisch-mechanischen Funktionierens und beschränkter
Nützlichkeitserwägungen im Dienste reiner Ablaufbewahrung. Entsprechend
wird jeder menschliche Lebensvorgang auf technische Vorgänge
heruntergebrochen, bis zum Gesundheitswesen hin, um die Gesamtmaschine
Volk, Staat, Zivilisation kalkulierbar zu machen, die sonst nicht mehr
funktionieren könnte..
Damit
wird aber eine Kultur im wahrsten Sinne ausgelöscht, und durch einen
technischen Vorgang ersetzt. Damit wird aber der Mensch tatsächlich
entmenscht. Und das ist kein Detail, das man halt achselzuckend
hinnehmen muß, sondern es wird und muß sich auf sein Leben auswirken.
Denn in Wahrheit KANN der Mensch nicht darauf verzichten, es gehört zum
Menschsein unabdingbar dazu. Weil kein Mensch ohne Kultur überleben
kann. Weil die Reihenfolge auch andersherum läuft, als wir bereits unter
der Prägung der Maschinen, die uns seit langem pausenlos und immer mehr
zwingen, mittlerweile glauben. Wo wir glauben, daß wie bei der Maschine
zuerst die mechanischen, materiellen Vorgänge zu laufen hätten, ehe man
an "höhere Bedürfnisse" denken könne.
Der Brecht'sche Ausspruch "Erst das Fressen, dann die Moral"
ist nicht nur brutal, er ist auch sachlich falsch. Ohne Moral wird auch
die rein irdisch-materielle Fähigkeit des Menschen, ohne Moral wird
auch eine Wirtschaft und die Geldproduktion (die in Wahrheit eine
Produktion von Werten DURCH den Menschen ist) unweigerlich
zusammenbrechen. Der Mensch bezieht seine Kraft nicht aus Kalorien und
Vitaminen, wie eine Maschine. Sondern er bezieht seine Kraft aus dem
Transzendenten, aus Gott. Er beginnt - nicht: endet! - also mit dem
Kult, mit dem Spiel, mit der Lebenskraft die aus dem Ewigen Leben kommt,
zu dem er sich in dem Moment öffnet, wo er sein Leben in die Hand
Gottes legt. Und das tut er in dem Moment, wo er nicht mehr
"kalkuliert", sondern einer Sache folgt, die er tut, auch wenn sie ihn
das Leben kosten könnte. So legt er sein Leben in die Hand Gottes, und
aus diesem Akt wiederum kann ihm Leben überhaupt zufließen, und zwar
aus dem absoluten Leben heraus.
Nichts
aber gibt es, das sich nicht aus diesem Absoluten, aus Gott, aus dem
Sein selbst, nährt und seinen Bestand holt. Was die philosophische Logik
hier als Tatsachenfeststellung konstatiert, weil eben die Welt selbst
auf logos, also auf Vernunft beruht, ist von einer einzigen Realistik
getragen, ist alleine zutiefst realistisch. Keine Technik, keine
Maschine kommt an Realität dieser Realitätsbezogenheit nahe oder kann
sie gar ersetzen.
Deshalb
braucht es auch ein Leben - und dieses "braucht" heißt, daß man es als
Urteilskriterium sehen muß, aus dem Entscheidungen getroffen werden -
das mit der Technik und der Maschine in einem Sinne spielt, der sie
punktuell als Hilfe betrachten läßt. Daß es aber niemals zu unserem
Glück führen wird, wenn wir unsere Lebensvorgänge großen Maschinen und
Ideenmaschinen übermitteln, um uns mit dem gerade noch abfallenden Rest
zufrieden zu geben. Es braucht ein Leben, das ZUERST nach den
jenseitigen Gütern sucht, weil sich aus diesen auch erst im Bestand
weiß, und von dort aus die Kraft bezieht (und zwar real, nicht als
Methodik, nicht als Magie, nicht als Technik) um Welt aufbauen zu
können. Das heißt vor allem eine Welt, die wir Stück um Stück gestalten,
in der wir nicht der blinden, zufälligen Gewalt der sogenannten "Natur"
ausgeliefert sind, sodaß sie uns jederzeit gefährden könnte. Es heißt
aber damit auch die Grenzen menschlichen Tuns zu erkennen, die in erster
Linie die Grenzen unserer individuellen Mächtigkeit sind. Erst an
diesen Grenzen wartet dann Gott, wartet das Jenseitige, das Absolute.
Die Religion selbst, als Kult, als Gestalt, ist ja nur das Tor zu diesem
Absoluten, in der Wahrheit diesem als Analogie gleichförmig, in der
Gestalt des Kultes (woraus dann Kultur erwächst) diesem wie ein Trichter
offen gemacht, ohne doch je darüber verfügen zu können.**
Der
Weg in unsere eigene Zukunft ist aber damit einerseits eben nicht ein
völliges Entsagen von Technik, das Abstellen jeder Industrie als
hochspezialisierte Maschine der Arbeitsteiligkeit, ein Rückstieg auf
eine primitive Lebensform, in der wir jede Technik ablehnen müssen.
Keineswegs! Aber er ist ein Weg, der uns nicht in immer noch mehr
Zwänge einspannt, weil wir dann angeblich, ab irgendeinem Stadium
zumindest, auf das wir nur zu hoffen brauchen, irgendwann auch Menschen
werden können, wir müssen es nur geduldig abwarten. DAS wird nie
eintreten.
Es bedeutet aber, daß wir uns aus der Dominanz dieser großen
Maschinen und Netze herauslösen müssen (statt sie, wie derzeit so mächtig gescheiht, die Verflechtungen noch weiter, das heißt: immer umfassender im Konkreten, zu verstärken), um sie zwar vielleicht ab und an
zu benützen, aber anderseits auf keinen Fall zu Elementen einer
gewaltigen Maschinerie zu werden. Es bedeutet, daß wir auch alles
vermeiden müssen, das Entscheidungsprozesse, die für unsere menschliche
Sittlichkeit, für dieses Hinübersteigen auf das Ewige hin, auf das
absolute Leben zu, uns aus den Händen nimmt, und damit unser Leben
tatsächlich einschränkt und schließlich erdrosselt.
*Das
ist der Fluch aus der Ursünde im Paradies, das ist gemeint, wenn Gott
den Mann zur Arbeit im Schweiße seines Angesichts "verfluchte", ihn in
eine Art Kampfsituation mit der Umwelt stellte, der er das Notwendigste
fortan zu entringen hatte.
**Diese
Nicht-Verfügbarkeit, die eine enorme Verwundbarkeit bedeutet, weil das
Sein der Welt eben NICHT in unserer Hand liegt, zumindest nicht im
Letzten bzw. Ersten, ist das entscheidende Kriterium für die Gnade, für
das Einfließen des Göttlichen in diese Welt, für die Verbindung von Gott
und Welt. Sie ist jener Geist der bittenden Haltung und Liebe, die
Voraussetzung weil einzige mögliche, adäquate Haltung dem Absoluten
gegenüber ist.
*170717*