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Sonntag, 23. Juli 2017

Der Maßstab ist die Erwartung

Am 5. Dezember 1914 legte Ernest Shackleton und eine Mannschaft von 27 Männern mit ihrem 350 Tonnen-Schiff Endurance in Liverpool ab. Trotz der Ereignisse rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es ihm gelungen, das Geld für eine Antarktic-Überquerung zusammenzukriegen. Aber alle auf der Endurance sollten ihre Expedition nicht erfolgreich abschließen können. 

Schon wenige Tage nach ihrer letzten geplanten Station auf der Insel Süd-Georgien im Südatlantik begegneten sie Eis, Tag für Tag, Meile um Meile wurde es mehr, und das Schiff war schließlich gefangen, als auch noch der Winter mit ungewohnter Härte und Schärfe früher als erwartet einsetzte. Dicht umschlossen von Eis, schien alles aus zu sein. Langsam trieb die Endurance, eingeschlossen vom Eis, Richtung Norden, zehn Monate war man nicht mehr in der Lage zu navigieren. Die Nahrungsmittel gingen zur Neige, und am 15. November 1915 mußte die Mannschaft schließlich sogar zusehen, wie ihr Schiff im Meer versank, endgültig zerdrückt vom Eis.

Immerhin hatte man drei Rettungsboote retten können. Darin gelang es schließlich, die winzige Elephant Island zu erreichen. Dort ließ Shackleton alle außer fünf Männer zurück, mit denen er den Versuch wagte, über die wilde, offene See Hilfe in Südafrika zu holen. Und es gelang. Nach einer wilden Reise von 800 Meilen konnte man anlanden, fand eine Siedlung, und konnte Hilfe organisieren, die den Rest der Mannschaft rettete. Shackleton verlor nicht einen einzigen Mann. 

Ein Mißerfolg, glatt und durchweg. Was aber die Reise Shackletons dennoch so bemerkenswert machte war, daß trotz dieser völlig aussichtslosen Situation, ohne Nahrungsmittel, ohne Aussicht auf Hilfe, nicht ein Mann gestorben war. Es gab auch keine Geschichten von  Kannibalismus oder Unruhen oder gar Meuterei unter den Männern, nichts. Bis zuletzt blieb die Disziplin aufrecht, bei allen. Der Engländer hatte einfach nicht nur gute Männer. Er hatte die besten gefunden, die für dieses Abenteuer am besten paßten. Und zwar - charakterlich.

Und wie hatte er diese Männer gefunden? Mit einer simplen Anzeige in der Londoner Times. Anders als typische Stellenanzeigen hatte er eine Anzeige gesetzt, die jeder Werbefachmann aufs erste abgelehnt haben würde. Weder suchte er erfahrene, besonders ausgebildete, oder talentierte oder fähige oder erfahrene Männer, nein, er lockte nicht einmal, egal womit. Er schrieb:

"Ich suche Männer für eine riskante, abenteuerliche Reise. Sie erwartet geringer Lohn, eisige Kälte, lange Monate totaler Finsternis, ständige Lebensgefahr, und eine Rückkehr ist ungewiß. Es gibt außerdem nur Ehre und Anerkennung, wenn die Expedition Erfolg hat."

Es haben sich mehr als genug und, wie sich herausstellte, genau die richtigen Männer beworben. Männer, die einfach das Unabwägbare auf sich nehmen wollten, sich keine Illusionen machten, in jedem Fall und einfach alles durchstehen und überleben wollten. Shackleton bekam nur Männer, die das glaubten, was auch er glaubte. Die Frage nach dem Warum?, die alles hätte zersetzen können, war nie aufgetaucht. Sie war beantwortet. Jeder hatte seinen Platz, und er hatte ihn akzeptiert. Und genau das hatte sie zu einer Gemeinschaft zusammengeschworen, in der man sich in echter Kameraderie half bis zum Letzten.


(Von OnePeterFive sinngemäß und gekürzt ins Deutsche transskribiert.)







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