Die zu einer gewaltigen Klimax führte - Die etwa zur Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts in einer Person ihre Repräsentanz fand, nämlich dem säkularisierten Juden Siegmund Freud. Der nichts anderes machte als die "naturwissenschaftlichen Erkenntnisse" der Zeit (allen voran die längst zum Mythos ausgebaute Evolutionslehre, die tatsächlich ja eine Metaphysik ist) in das Komplexe des Seelenlebens eines Menschen einzuflechten. Und so zu einem ganz neuen Erklärungsmodell kam, nämlich der Psychoanalyse. Die nun eiderdautz eine interessante Nebenwirkung hatte, die freilich zur Hauptwirkung wurde, nämlich die Entlastung von Schuld. Und wenn man mich fragt, dann konnte oder kann das Forschen eines Juden (schon gar in diesen Bereichen) zu gar nichts anderem führen als zu einer Methodik, zu einem Ritus der Entsühnung.
Freud übertrug die Erkenntnis, daß das natürliche Geschehen eine Mechanik ist, die sich aus sich selbst heraus weiterentwickelt, und deren Überleben, deren Bestehenbleiben zum ersten Ziel alles Lebendigen wurde. Sodaß nunmehr dieses Ziel auch die Grammatik des Seelenlebens eines Menschen prägt, was sonst. Denn der Mensch ist nach Freud eben ein Apparat, der von bestimmten "natürlichen" Zielen bestimmt wird.
Die niemand wählt, die vielmehr allen Menschen vorausgehen, ja sogar allen mehr oder weniger gleich sind. Was immer sich in der Tiefe der Seele abspielt, welche Tiefendimension von den Träumen angezeigt wird (weshalb die Traumdeutung bei Freud eine zentrale Rolle spielt), die sich aber in allen möglichen geheimen seelischen Vorgängen anzeigt. Das menschliche Seelenleben ist somit nichts mehr als ein Versuch, sich innerhalb der unterschiedlichsten Ebenen und Mechaniken zu bewegen, die es in einer Kultur gibt. Und Freuds Thesen sind ja nichts anderes als Kulturdeutungen.
Schuld in dem Sinn gibt es aber nun nicht mehr. Denn wie sollte sich jemand, der doch von allem getrieben wird, was "er ist", frei entscheiden können? Das kann er nicht mehr, oder nicht mehr wesentlich. Im Grunde ist alles determiniert, und die Psychoanalyse soll nichts anderes als zeigen, wovon der konkrete Mensch (der "Patient") eben getrieben wird. Welche Schemen ihn plagen, welche komplexen Verwicklungen, die durch die konkrete, von jeweiligen Familien- und Standeskulturen geprägt sind, in denen es Tabus und wunde Punkte gibt, Traumata und Verletzungen von natürlichen, ber unbefriedigten Bedürfnissen, bis hin zu den großen, ja größten Trieben (wie jeder Hengst und jeder Stief ja anzeigt, die nur davon gesteuert sind) - den Sexualtrieben. Die sich in alles einmischen, weil es ihnen nur um eines geht: Sie streben gierig danach, endlich und immer wieder neu befriedigt zu werden.
Die sexuelle Befreiung, die uns seit siebenzig Jahren wie ein Tsunani überrollt hat, steht also auf exakt diesen Beinen. Sie geht davon aus, daß jede unbefriedigte Regung eine seelische Unfreiheit weil Gebundenheit nach sich zieht. Die muß befreit werden, damit der Mensch damit frei wird. Und das heißt, der Mensch muß am besten allem nachgebe, was ihn gerade treibt. Auch und vor allem in der Sexualität. Was auch immer die Sexualität begrenzt, formiert, leitet, ist auf die eine oder andere Weise auf die Grundgesetze des Lebendigen zurückzuführen, deren erstes das Überleben, also der Sieg im Kampf aller gegen alle ist.
So in etwa, und in einem irren Parvorceritt durchgaloppiert, ist die geistige Landschaft, in der wir Heutigen nun stehen. Auf diesen Seiten hben wir uns ja in 10.000en Seiten damit befaßt, diese Thematik aufzuarbeiten, zu erhellen, und - fast wie Freud also?! - Unfreiheiten zu zeigen, die wir uns alle und zuerst auch als Kollektiv, das den Einzelnen zur Unfreiheit zwingt (aber nicht nur!), eingehandelt haben. Auch und gerade durch Theorien und Ansätze, die Freiheit versprochen haben. Sodaß wir uns heute (eine der Grundthesen dieser "Enzyklopädie der Welt- und Lebensdinge", den ambrosius.konnotationen) in einer derartigen Fülle von Unfreiheiten befinden, daß der Weg heraus kaum noch zu finden ist.
Weil der Kultur sozusagen die letzte Puste ausgegangen ist, sie ihren Geist ausgehaucht hat und starb. Sodaß wir von dem, was sich als sie selbst präsentiert, was aber nur noch dem Namen nach mit ihr selbst und damit mit ihrer eigenen Vergangenheit identisch ist (somit nur noch in den Ruinen und Museen erkennbar wird), nicht mehr zur persönlichen Freiheit und Erfüllung geführt werden, wenn wir den Traditionen, Gepflogenheiten, Riten, Gesten, Moden und Forderungen folgen. Sondern sogar zum Gegenteil, weil diese Kultur zur Anti-Kultur wurde, und uns der Gehorsam ihren Geboten gegenüber zum persönlichen Verderben führt.
*Die wir Katholischen sogar ausdrücklich als personal sehen, sodaß alles zwar immer eine Beziehung ist, ja, aber diese Beziehung - Geschöpf zu Schöpfer, Empfangender zum Leben selbst, Rebe zum Weinstock - durch die Göttlichkeit unseres Beziehungspartners für uns fruchtbar werden kann, wenn wir diese Beziehung so gestalte, daß wir am Persönlichen des Gegenüber, des zugleich Gott wie Mensch seienden Jesus Christus, teilhaben.
**Das reimt sich schon weniger, außer mit Hasché, oh, da ist sie ja, die Ergänzung: Ißt man Hasché nicht mit Knödel? War Poincaré nicht vor Gödel? Und war nicht Kant vor den beiden? Sind wir nicht seither ... hm, dieses verdammte letzte Wort im zweiten Vers, vierte Zeile, immer dasselbe, immer das verdammte letzte Wort. Als nähme einem die Sprache, nein, der ihr vorausgehende Rhythmus das Denken aus der Hand, forderte den Umstieg auf die Ästhetik. Hat uns das nicht etwas zu sagen? Ich meine: Zum Thema. Ich meine die innere Grammatik, die dem Denken zugrunde liegt und damit vorausgeht? Denn jetzt kommt's: Bei den meisten Wortkonstellation dieser Art bricht es im letzten Wort der vierten Zeile, und "macht auf", durch ein dissonantes Wort. Ein Gedicht ist somit ein Streiten ums letzte Wort. Kommt es in der vierten Strophe? Der sechsten? Oder schon nach drei? Wann hat sich das (was?) dargestellt? Und geht es nicht immer ums Ende eines sich auswickelnden, mit der Welt mehr oder weniger verhängenden Anfangs, der ich aus der Verwicklung wieder freikämpft?