Auch dazu hatmich das Stöbern in alten Beiträgen gemahnet: Es ist höchst an der Zeit, eines meiner Liebesgedichte wieder einmal zu servieren. Es stammt von Walther von der Vogelweide, und ist "aktuell" wie am Tag seiner ersten Niederschrift, damals, im Wien der späten Jugend.
Was für eine schöne Geschichte, wie meisterlich gedichtet, und mit wie wenigen Worten - Tandaradei!, so viel erzählt, ein Leben ausgebreitet wird. Sieht man sie nicht, das Frauke, mit ihrer persischfrüchtigen Haut, und ihren kaukasischen Lippen? Wo ihr Köpflein lag, dort ist das Gras besonders zusammengedrückt, dort bei den Rosen. Wegen der Tropfen Bluts, die nun zwar schon trocken, aber noch gestern frisch und rot? Nein. Warum dann? Das weiß nur sie, und das Vögelein, und sie beide, sie schweigen. Wie der Wald. Denn das Schweigen ist das Hören. Das Hören aber, das ist das Sprechen des ewigen Wissens.
Wo mein Köpflein lag
Unter den Linden
an der Heide,
wo ich mit meinem Liebsten saß,
da mögt ihr finden
wie wir beide
die Blumen brachen und das Gras;
vor dem Wald in einem Tal - 'Tandaradei
Herrlich sang die Nachtigall
Ich kam gegangen
Zu der Aue,
und mein Liebster ware schon dort;
Da ward ich empfangen
als heilige Fraue,
daß ich bin selig immerfort.
Ob er mich wohl oft geküßt? - Tandaradei!
Seht wie rot der Mund mir ist!
Und Blumen brachen
mir zum Bette
in reicher Zahl. O kommt und seht!
Vom Herzen lachen
muß, ich wette,
o mancher, der vorübergeht.
Weil bei den Rosen er wohl mag - Tandaradei!
sehen, wo das Haupt mir lag.
Wie ich da ruhte,
wenn es wer wüßte,
du lieber Gott, ich schämte mich!
Wie mich der Gute
nahm und küßte,
ei, das weiß nur er und ich.
Und auch du, Waldvögelein, - Tandaradei!
Nicht wahr, wirst verschwiegen sein.
Walther von der Vogelweide