Dieses Blog durchsuchen

Montag, 10. Januar 2022

Wer, ins Dunkel geworfen, herumtappt ... (1)

Inmitten der völligen Erodierung und Auslöschung der sozialen Strukturen durch Gleichheitsideologie, Technizismus und damit Nichtung der Gestalten, ist der Bedarf nach sozialer Distinktheit das größte Bedürfnis der menschlichen Gesellschaften. Weil es sich um das Theter der Notwendigkeit handelt, überhaupt zu sein.

Und das vollzieht sich nur durch Gestalthaftigkeit. Gestalt ist das Individuierungsprinzip als Existenzprinzip. Und in dieser hat jede gesuchte Gestalt natürlich eine unbedingte Anforderung, und das ist die nach Geltung, Ansehen und möglichst höchster Stellung.

Weil alle nach oben wollen? Nein. Sondern weil das ontologische Gefüge der Schöpfung ein unbedingtes Netz von Orten ist, an die jedes und alles ab dem Moment gehört, ab dem es zur Exitenz kommt. Existieren - das actu des Seins als Schöpfung, als Welt - bedeutet aber immer das Selbsttranszendieren in den Augenblick hinein. Bietet das Begegnende keine Beschränkung mehr, keine Aufgabe weil die soziale Struktur fehlt, die vorgibt, findet das Transzendieren keine Grenze mehr. 
Narziß, der sich im Außen nicht fand, sucht fortan im Spiegelbild, diesem scheinbaren Außen, seine Gestalt. 
Ein Spiegelbild, das uns so viel über das Wesen des Internet - ein Bild an der Oberfläche, wie der Teich des Narziß - als angebliches social media verrät. Einer Konstruktion, die Soziales Gefüge vortäuscht weil zu errichten vorgibt, und wo wir es ebenfalls mit einem Schein-Außen zu tun haben. 
Fortan wird Narziß vom Echo verfolgt, das sich in ihn unsterblich verliebt hat, und ihm nicht mehr von der Ferse weicht.
Wie im Krebs, dieser Unbeschränktheit eines normalen Lebensvorgangs, wuchert das Geltenwollen der Einzelnen, das eine Suche nach der eigenen Gestalt ist, und wird im Begegnen zum selben Ringen der Selbsttranszendierung. Fehlt die gestalthafte Begegnung, also die Kultur, die im Ritus den Ort verleiblicht, findet das Transzendierungsstreben keinen Zielort mehr, und wendet sich zurück, auf das einzige das erfahrbar bleibt: Das Ich, dem alle ausurfernden Welterfahrungen (der Unbegrenzte strebt nach immer mehr Extremen) . 

Das ist kurz gefaßt der Narzißmus der Gegenwart, der sich weitgehend auf den Westen konzentriert, wo er als Kollektiverkrankung die vorzüglichste Seelendeformation ist.

Der lauter "Götter" produziert, und darin gründet die Stärke der Geltungsindustrien, in denen es so nebenbei um viel viel Geld geht, weil sie zynisch herstellen, was sie in Wahrheit endgültig entziehen. Gemeint ist hier die Akademikerproduktion, die uns um Kopf und Kragen gebracht hat, als auch eine weitere und ganz spezielle Industrie, die ebenfalls mit Notwendigkeit auf dem Boden des Selbstseins und -werdens argumentiert - die Medizin und das Gesundheitswesen. 

Dessen Stellung im gegenwärtigen Identitätsgeschehen mit anderen kulturellen Deformierungen zusammenfließt, in denen die Schmerzvermeidung (also der Sozialstaat als Anspruchsstaat generell), der Hedonismus (als Selbststeuerung sind nur Wohlgefühle vorhanden und zulässiges Urteil, alle anderen werden ontologisch ausgegrenzt und im Schmerz als schlecht verdammt) und somit der Subjektivismus im Vordergrund steht. In dem das zufällige Selbst, dem es aber an Geist fehlt, der die Melodie der Gestaltwerdung ist, zur Generalinstranz der Bewertung der Wirklichkeit erklärt wird. 

Warum fehlt es an Geist? Weil Geist Lösung vom bloß körperhaften Geschehen bedeutet.Der Evolutionismus, der alles an den Leib bindet, kennt deshalb keinen Geist, dieser wird zum physischen (neuronalen) Geschehen und damit zur Illusion.

Während die Grundlegung des Geistigen, die Offenbarung, der "Ruf", die Autorisierung zu sich selbst (die Autorität, also soziales Gefüge) fehlt und in den Rahmen des Kampfes gestellt wird, der in sich keine Vorlage, kein Urbild als Ziel hat, sondern - damit unbegrenzt - zum nie endenden Krieg wird. Darauf erst, auf diesem Ruf (der im Namen beginnt, dieser ersten Grammatik des Ich), baut die Selbsttätigkeit das Selbst auf, und dieses wird im das bloß Subjektive überschreitenden Hinaustreten als existentieller Bewegung zum Geist.

Aber diese primär natürliche Grundbewegung des Menschen kann, weil sie Natur ist, nicht wirklich beseitigt werden, soll das Leben nicht weichen (wie im reinen Bösen, das ein Fernsein von der wahren Natur ist). Die Wesensbestimmtheit ist weiterhin aktiv, und bleibt ein "unbewußtes" Drängen, das die menschliche Handlung durchformt. 

Aber losgelöst von natürlichen Strukturen, die sozial durch Verbindlichkeit sind (als wechselseitiges Netz von Forderungen und Erwartungen - so nebenbei: Das Wesen von Geld - bilden sich willkürliche Autoritäten. In denen sich das Gesetz der Skrupellosigkeit und bloßen Macht (siehe: Grenzenlosigkeit) durchsetzt, und ein neues Allgemeines, ein neues, willkürliches Sozialnetz bildet.

Mit einem solchen Über-Ich (lassen wir ausnahmsweise diesen Freudschen Begriff hier zu) als Gewissen und Gewissesinstanz, das von Kräften geformt wird, die zwar um nichts klarer identifizierbar sind als früher - wo man sie aber benennen konnte: Hierarchie, Kirche bzw. konfessionelle oder religiöse Instanzen generell, oder die Fürstenmacht durch entsprechende Ausbildungsstätten - die aber alles daran gesetzt haben und daran setzen, unerkannt zu bleiben. 

Sodaß in einer der natürlichen (wesensbestimmten) sozialen Strukturen beraubten menschlichen Gesellschaft die Menschen, vereinfacht gesagt, zunehmend bis bald ausschließlich von Mächten und mächtigeren zweiten bzw. fremden Willen gelenkt werden, die sie nicht mehr kennen, und denen sie somit ausgeliefert sind.

Wie werden soziale Strukturen aber ausgelöscht? Die Antwort mag überraschen. Denn die stärkste vorbereitende Macht dazu war zweifellos der politische Wille hinter der allgemeinen Sozialversicherung. Die die zwischenmenschliche, auf Gebot wie Bedarf nach Nächstenliebe gründende Solidarität (wie sie aus der Verbindlichkeit aufsteht) auflöste, und in technische Vorgänge umlegte. Also nicht auf Gestalt zielte, sondern auf physikalisch-leibliche Äußerungen abgestellt war. 

In denen es keine weitere persönliche Verantwortungsinstanz gibt als die, die in Ablaufoptimierung mündet. Deren Kriterien letztlich im Kampf der Ideen zwangsläufig durch die solche Einrichtungen ja begründende Ideologie bestimmt werden: Die Ideologie sagt, was und unter welchen Umständen und wie "soziales Handeln" erfordert, und wer wieviel warum zu erhalten hat. 

Wird morgen fortgesetzt