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Donnerstag, 14. Oktober 2010

Doch noch eine Notiz

Binnen Stunden fanden sich unter dem Artikel des Wiener Universitätsprofessors Franz Hörmann "Banken erfinden Geld aus Luft" im Standard tausende Postings. Die meisten begeistert zustimmend. Was hatte Hörmann da geschrieben? War bzw. ist der nicht Professor für Bilanzwesen? Was hat der zur Wirtschaftskrise der Gegenwart zu sagen? Eine Replik, die heute im Standard zu lesen war, nimmt süffisant genau darauf Bezug: der solle aufhören, Prophet zu spielen, sondern sich um seine Bilanzen kümmern.

Der Verfasser dieser Replik diskreditiert sich selbst. Denn die Finanzkrise der Gegenwart ist EXAKT eine Frage der ... bilanziellen Bewertung. Es ist eine Frage der WERTE, das kann man durchaus in jeder Hinsicht so sehen. Und der VdZ wird nicht vergessen, wie er noch vor zwanzig Jahren ausgelacht wurde, als er aus der konkreten Erfahrung als Unternehmer heraus nicht nur das Wesen der heutigen Wirtschaft exakt erfaßte, sondern auch öffentlich darlegte, daß die Bilanzen der Unternehmen das Papier nicht wert seien, auf dem sie stünden - der Wert eines Unternehmens sei nur solange vorhanden, solange das entsprechende Bewertungssystem aufrecht sei. Sobald dieses wanke, breche wie im Dominospiel ein System zusammen, und (den Begriff verwendet auch Hörmann) dann bewahrheitet sich, daß der Liquidationserlös eines Unternehmens, ja der Wirtschaft, exorbitant geringer sei, als die geschaffene Geld- (und Kredit-)menge.

Die Frage der "Werte" einer Gesellschaft und der ihr zugehörigen Wirtschaft ist also von immenser Wichtigkeit, denn sie ist einerseits extrem relativ, somit anderseits keine abstrakte "An sich-"Basis für Kredite und "neues Geld." Geld hat kein "an sich" - es ist nur ein Ausdruck des Bezugs von Leistungsversprechen von Personen, es ist nicht mehr.  (Auch darüber stand hier erst jüngst wieder zu lesen.)

Gefahr ist also immer dann in Verzug, wenn sich die Geldmenge von dieser - noch einmal: MENSCHLICHEN - Leistung entfernt. Im Grunde ist das diese menschliche adhoc-Leistung überschreitende Geld LEER, es existiert nur noch virtuell, und ist somit Inflationsauslöser (und das hat sich noch immer so eingestellt, noch kein Geldsystem der Geschichte hatte lange Bestand). Auch Gold kann das Problem nur teilweise lösen, nur etwas verbessern. Ein System wie es sich nun weltweit etablierte, das GELD zum Leistungsträger machte, und den Menschen regelrecht aus dem System nehmen wollte - die Bilanz zieht jede seriöse Demographie -, ja die den Menschen gar als Hindernis (Abtreibung, Verhütung, Überbevölkerungshysterie etc.) zum glücklichen Leben begreifen wollte, muß also zwangsläufig scheitern!

Bis ins Detail decken sich die Befundanalysen Hörmanns mit dem, was auf diesen Seiten seit langer Zeit zu lesen, und seit Jahrzehnten Ansicht des Autors ist. (Wenn auch nicht in allen Einschätzungen, vor allem was die Ursachen betrifft, dazu unten.) Über die fundamentale Schwäche des Zustands unseres Wirtschaftssystems, wie es sich entwickelt hat, und die Nähe herrschender Steuerungsinstrumente samt der sie stützenden Politik zum Verbrechertum.

Hörmann geht freilich weiter. Er prognostiziert klar, und das ehrt ihn sogar auf eine Weise, daß der Euro 2011 zusammenbrechen wird, und daß 2013 ein Totalzusammenbruch unseres weltweiten Wirtschaftssystems ansteht. Diesem wird eine völlig neue Art des Wirtschaftens folgen.

Und genau da hakt es dann. Sind Hörmanns Analysen noch exakt und nachvollziehbar, mischt er ab diesem Zeitpunkt nur noch blanke Utopien ein, die vom ratlosen Leser - und die Mehrzahl jener sind wohl so zu attribuieren - mit dem Köder geschluckt werden.

Dabei ist es ältester, abgestandener Aufguß, den Hörmann da verbreitet. Simpler Etatismus, Planwirtschaft ganz einfach kommunistischen Zuschnitts, oder, wie in einer Artikelreihe hier erst vor kurzem vorgestellt war, eine NEUE WIRTSCHAFT, wie sie im Deutschland der 1920er Jahre von Männern wie Rathenau zu einem "wissenschaftlich ausgeklügelten" System ausgebaut wurde. Gerade mit Rathenau's NEUER WIRTSCHAFT decken sich Hörmanns Vorschläge auffallend.

Auch Hörmann meint zum Beispiel, daß das Zentralproblem des Wirtschaftens, die Motivation, auf ähnlich naive, blauäugige Weise wie Rathenau das für möglich hielt, zu beseitigen wäre. Wenn allen der Druck genommen wird, so Rathenau, so Hörmann, dann würden alle glücklich. Dann würden alle motiviert, dann würden alle kreativ und selbstverwirklicht endlich in eine neue Zeit aufbrechen. Fuchs schläft neben Gans, und Wolf neben Rehlein, und alle habe sich lieb. Spätestens da läuft einem der kalte Schauer über den Rücken, denn spätestens nun wird klar, daß auch die Vision Hörmanns eine gottverdammte Utopie ist, die nicht nur aus ihrer Natur heraus in Terror mündet, sondern die das sogar erst jüngst bewiesen hat. Daß dies noch immer zuwenig bekannt ist, und dieser Mangel ist immer schon zu beklagen gewesen, beweist sich ohnehin oft genug. Es gibt aber keine Alternative zur Freiheit, und es gibt ihn nicht, den Mittelteil des Übergangs, wo man einfach einmal ein paar Jahre und Jahrzehnte streicht, um dann, dann endlich, ins Paradies einzutreten. Nicht hier auf Erden! Nicht, weil alle so böse sind, wo doch alle auch anders könnten, man müßte sie nur ... nein: Prinzipiell. Darum geht es nicht!!! Hörmanns Ziele sind verkehrt, weil die Anthropologie dahinter, die in Hörmanns Thesen mitgeliefert wird, falsch, einfach falsch ist. Hörmann verbreitet somit letztlich nichts als Weltanschauung. Und zwar nicht einmal eine sehr originelle, sondern er verkauft abgestandenes Regenwasser. Vielleicht trinken die Leut es ja jetzt ...

Diese fundamentale, aber sogar gefährliche, Schwäche des Hörmann'schen Beitrags verrät sich aber selbst dort, wo er Mischsysteme (!) wie in China als Alternative vorschlägt. Wo sich Elemente des freien Wirtschaftens mit zentraler Lenkung vereinen. Ähnliches gab es ja auch bei uns - in Zeiten des Krieges. Im Ersten Weltkrieg genauso wie im darauffolgenden. Die Schäden sind irreparabel.

So verlockend es ist, und gerade jetzt ist es verlockend, das liegt in der Luft: die Messiaserwartung steigt und steigt, denn die Welt ist in ihrer Widersprüchlichkeit für die Menschen nicht mehr verstehbar, auch weil ihnen das wesentliche Instrumentarium abhanden gekommen, nein, aus den Händen geschlagen ist: der Hausverstand (und Hörmanns Analysen gehen über diesen Rahmen ja gar nicht hinaus!). Es gibt keinen "verordneten Weg" ins Glück, in die Freiheit, aus dem Chaos heraus. Unser Problem ist ja gerade die Überregulierung der letzten Jahrzehnte, ist der Mißbrauch der Staaten und Gesellschaften in ihnen durch die Politik.

Es gibt keinen "optimalen Weg", kein Wunschbild, keinen Idealzustand, den es anzusteuern gälte, mit diesen oder jenen Gesetzen und Regelungen. Hörmann arbeitet genau mit solchen Visionen, die uns schon jetzt das Genick gebrochen haben: Wohlstand für alle, vereinfacht; Glück und Zufriedenheit für jeden! Nein! Die Welt ist nicht so, daß das möglich wäre, nicht in dieser Welt, in der Freiheit auch heißt, Risiko zu tragen, weil NUR DANN Freiheit überhaupt gewirklicht ist.

Konkret, um ein Beispiel aus den Vorschlägen Hörmanns (und Rathenaus) herauszugreifen: mitnichten werden die Menschen freier und schöpferischer ihr Leben wirklichen, wenn sie alle ein garantiertes bedingungsloses Grundeinkommen haben (wobei Rathenau es noch, so realistisch war er immerhin, es mit Arbeitszwang verband, übrigens: exakt was die DDR bzw. der ehemalige Ostblock machte). Stattdessen werden sie sogar demotiviert! Die Jugend der Gegenwart, die schon exakt in dieser "Garantiehaltung" heranwuchs (hier verschätzt sich Hörmann bereits in seiner Zustandsanalyse), beweist es, nicht zuletzt. Wer das Leben nicht als Erwartung an einen selbst erfährt - der hört auf zu geben, der hört auf morgens aufzustehen. Hatten wir erst unlängst ...

Schon diese Erwartung überhaupt zu haben zeigt die Krankheit - weil die Menschen vom Staat, von "der Gesellschaft", vom anderen ihr Lebensglück erwarten. Und auch hier irrt Hörmann schon in der Analyse: denn exakt in dieser Denaturierung liegt bereits die eigentliche Ursache der Wirtschaftskrise, und bald, nach Hörmann, nach mir, der totale Zusammenbruch. Wobei, und auch das kalkuliert Hörmann (weil er sich eben im Menschen verschätzt) nicht ein, es einen TOTALEN Zusammenbruch nicht geben wird, nie gab! Es bricht immer nur ein mehr oder weniger großer Überbau zusammen. Die Menschen aber, die mit zwei Beinen und zwei Händen und Herz und Verstand und Mund und Augen, die gehen schon am nächsten Tag her, in der nächsten Stunde, und organisieren sich ihr Leben neu. Einfacher, schlichter, mangelhafter - aber es hat NIE einen TOTALEN Zusammenbruch gegeben.

Der Staat solle aber, so Hörmann, so Rathenau, so andere, dann richten, was ER eingebrockt habe ... Nein, nein, und nochmals nein: Gesundung wird nicht DURCH DEN STAAT eintreten. Es kann nur Gesundung geben, wenn die individuelle Freiheit wächst. Sie ist unser Problem. Und sie ist fundamental anders, als es auch Hörmann verkündet. Sie bedeutet nicht Willkür, sondern die Möglichkeit des freien, vernünftigen, überlegten, ungetriebenen Verhaltens zu sich. Ein solcherart "herbeigesehntes" gesellschaftliches Klima ist ohne diese individuelle Freiheit, die eine persönliche Lebenswahl sein muß, sonst ist sie nicht Freiheit, nicht erreichbar.

Also kann eine Gesundung erst eintreten, wenn erstens die Fieberkrise wirklich ausgestanden ist, und zweitens Regelung um Regelung, Mißbrauch um Mißbrauch zurückgenommen worden ist. Sodaß die Menschen wieder zurück auf ihre eigene Problemlösungsfähigkeiten und Lebenskraft geworfen werden - und wieder beginnen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und auch dann werden wir erleben, daß viele das System ausnützen, daß noch mehr ihre Freiheit verfehlen. Aber: SO IST EBEN DIE WELT!

Gott bewahre uns vor jenen, die uns hienieden eine bessere Welt einzurichten versprechen - wir sollen sie nur machen lassen. Ich glaube, es ist Duns Scotus, der einmal sagt, daß der Mensch nichts der Welt hinzufügen kann! Er solle aber dahinter sein, daß er ihr nichts nehme. Dann habe er die Tugend.

***
 
Vielleicht sind es aber die Leserreaktionen, die am interessantesten sind. Die Euphorie im Standard trägt nämlich alle Anzeichen eines wirklichen Erleichterungsgefühls, das eine tiefliegende Sehnsucht nach einem Ende des Drucks, nach einem Wechsel um jeden Preis ausdrückt. Auch das ist ein dezenter Hinweis, daß sich die Geschichte immer auffälliger wiederholt: Wir befinden uns in einer Schleife, die nun bei 1920/1930 angelangt ist. Wie es weitergeht? Hm ...


*141010*