Es ist uns Heutigen fast unmöglich, und doch stoßen wir daran ... Denn wir sind angefüllt bis an den Rand mit Scheinerklärungen und Wortnebeln, die uns zu erklären vorgeben, was gar nicht erklärt wird. Und wenn der Verfasser dieser Zeilen die Quantenphysik halbwegs richtig verstanden hat, so muß sie längst selbst zur Kenntnis nehmen, daß sich aus weltimmanenter Kausalität NICHTS erklären läßt. Denn in den wirklichen stofflichen Prozessen, in denen sich jeder feste Stoff auflöst, findet sich keine Kausalität mehr. Diese Vorgänge sind bestenfalls mathematisch-wahrscheinlich zu beschreiben, aber nicht mehr kausal determiniert.
Aber zu begreifen, daß kein Tag, kein Monat, kein Jahr, kein Winter und kein Frühjahr selbstverständliche Folge von Abläufen ist, sondern je neue Hervorbringung des Seins selbst, das Gott ist, und das alles umfaßt, aus dem nichts außerhalb gedacht werden kann, ist uns fast schon unmöglich. Geprägt von einer Zeitvorstellung, die wie eine lineare Voranschreitung eines über allem stehenden Prozesses ist, meinen wir den Bestand der Welt außerhalb aller Diskussion zu sehen.
Aber erst in dieser Frage begegnen wir dem Wesen des Religiösen überhaupt. Alles andere ist nur noch Gedankenspiel und Ästhetizismus und Gefühligkeit, und was auch immer. In der Kardinalfrage: Daß alles was es gibt, aus Gott hervorgeht, je neu. Daß aber das Christentum tatsächlich eine unfaßliche Neuerung in die Welt gebracht hat, historisch, geschichtlich, real. Denn es hat einen Gottesbegriff, der nicht eingespannt ist in eine Rhythmik der Abläufe, der sie selbst wie in einem Gefängnis festhält, sondern daß Gott direkt und klar in die Geschichte eingreift. Die sich in seiner Hand befindet. Mit einem Anfang, und einem Ende. Und er gründet sein Volk, das sich in der Taufe um ihn bildet, in der Heiligkeit und Gerechtigkeit der göttlichen Liebe neu, entreißt es ganz real der bloßen Weltimmanenz.*
Hieraus wird auch begreiflich, daß das Christentum tatsächlich ein Proprium hat und ist. Es unterscheidet sich, ist nicht einfach mit anderen Welterklärungen und Religionen zusammenspannbar, die man mehr oder weniger auch taufen kann, oder dem eine überragendere Erklärung zugrundeliegt, wie so viele heute glauben. Es erfüllt sie alle aber, indem es sie ins Reale übersteigt, die insoweit Sinn und Wert haben, als sie auf dieses nur Geahnte, aber nie Reale, mehr oder weniger (gut) hinweisen, aber aus sich weltimmanent bleiben.
Weil wir das aber nicht mehr glauben können, weil wir die Welt nicht mehr in dieser ihrer wirklichen Wirklichkeit sehen wollen und können, ist das, was der Welt zunehmend fehlt überhaupt - Religiosität an sich. Die nicht bedeutet, Gott irgendwie dazuzuheften, so wie man ein Kreuz an die Wand des U-Bahn-Terminals heftet, das an sich auch ohne ihn funktioniert, aber weil wir gut und nett sein wollen lassen wir ihn als Zaungast dabeisein. Weil es sich dann so auch angenehmer lebt, mit dieser Gedankenillusion. Und er hat auch den Dingen keine "Gesetze" und keine Zyklen eingeschrieben, so wie man eine Spielzeugmaus aufzieht, die nun läuft und läuft, und niemand könnte sie stoppen oder verändern. Was immer wir an Prinzipien in der Welt feststellen - und die Wissenschaften befassen sich nur damit - sind keine immanentistischen Prozesse, sie sind Erzählungen über Gott, das uns immer übersteigende, letztlich gar nie zugängige Geheimnis, sonst wäre jeder Gottesbegriff ohnehin unsinnig, das sich darin ausspricht.
Wenn wir heute also fürchten, daß uns buchstäblich, im Klimawahn, der Himmel auf den Kopf fällt, so drückt sich darin auf eine ganz eigene Art die Angst aus, die uns befällt, weil wir von Gott getrennt sind, weil wir keinen Weg mehr zur Religiosität finden. Indem alle die Selbstverständlichkeiten plötzlich in ihrer Fragilität begriffen werden, die wir in die gegenständliche Welt auf neue Weise hineinprojezieren.
Kein Tag ist selbstverständlich. Kein Monat. Kein Jahr. Kein Winter. Kein Sommer. Kein Blatt, das vom Ast fällt. Kein Atemzug, den wir am Morgen tun und am Mittag. Ungeschuldet, aus reiner Liebe ausfließend, um uns an Ihm, dem Sein, als Akt dieser Liebe, der überhaupt etwas erst sein läßt, teilhaben zu lassen. Und nicht die haben recht, die meinen, ihre Ruhe aus dem physikalischen Umlauf der Erde um die Sonne beziehen zu können. Sondern die, die mit Zittern und Bangen und Staunen vor der Größe Gottes niederfallen, der jeden nächsten Moment neu gibt, weil er auch anders könnte. Die für die jeder Moment des Lebens Anteilhabe am Vollzug des Selbstlebens Gottes ist.
*Der Kirche anzugehören ist also auch keine Erfolgstechnik, in der dann alles gut läuft. Sondern ist ein Ja zur Vorsehung Gottes, die unser Begreifen immer übersteigt, in der er uns aber in seine göttliche Ordnung des Neuen Jerusalem, der Neuen Schöpfung einfügt. Die im Prinzip des Kreuzes erst, im Ganzopfer, ihre wahre Antwort bedingungsloser Liebe und Hingabe findet. Als Zusammenschluß von Haupt - Christus, Gott und Mensch - und Gliedern, der sich im Ritus real vollzieht, sodaß der Getaufte real einer neuen, vollkommenen Ordnung angehört und ihr gleichförmig wird. Erst hier vollzieht sich dann seine Freiheit, die aus dem Analogon - der Gottebenbildlichkeit - begründet. Dergemäß Gott schafft, was ihm ähnelt: Seiendes, das aus sich Sein hat, im Geschöpf freilich nur in der Teilhabe am Sein, das Gott ist.
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