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Montag, 1. September 2014

Es gibt kein Denken

Jedes Denken, schreibt Husserl einmal, ist kein "Denken", sondern es ist immer ein "von/an etwas Denken". Es läßt sich aber nicht loslösen von einem zuvorgehenden Prozeß, der das eigentliche Wesen des "Denkens" ausmacht - nonverbal, symbolisch, und intersubjektiv: immer einem Du gegenüber.  Aus der Symbolisierung in Sprache ergeben sich die intentionalen ("funktionalen") Schichten des Sprechens.

Wann immer wir von einem Denkvorgang sprechen, von einem Nachdenken, sind jene Prozesse gemeint, die aus den Ereignissen und Zustoßungen, in Verbindung mit Haltungen, Sinn abstrahieren, Gefühle etc. ordnen und in ihrer Bedeutung abstimmen. 

Ein Denken im Sinne des Rationalismus, der aus den sprachlichen Denkbewegungen alleine Welt rekonstruieren möchte, ja meint, daß diese "Denkbewegungen" selbst Welt abbildeten, man müsse sie nur von Welt lösen, gibt es also gar nicht. Selbst die sprachliche Logik bezieht sich auf ein vorausgehendes Sinnahnen und -bestimmen. Welch letzteres bereits aus einer Selbstsetzung des Menschen herstammt, in dem er Sinn ergreift und sich so zur Basis seines Selbstseins macht.

Dieser Sinnsetzungsvorgang ist aber keineswegs willkürlich, auch das ist ein Mythos, und ein Irrtum noch dazu. Denn zwar kann der Mensch Akte setzen, die positivistisch und willkürlich gesetzt aussehen, aber hinter ihnen verbergen sich weit andere Vorgänge. Vielmehr sind diese Selbstfundierungsakte posthoc gesetzt. Denn der eigentliche Akt geht aus dem Gehorsam einer Autorität gegenüber hervor, der vertrauend geglaubt wird. 

Ohne die Autorität einer vorausgehenden Wahrheit gibt es auch keine Vernunft (die sich des Denkens bedient bzw. dadurch äußert). Jeder Akt der Vernunft bewegt sich aber immer innerhalb eines absoluten Wahrheitsrahmens (siehe die Untersuchungen von Y Gasset). Auch und gerade dort, wo das Gegenteil behauptet wird - mit einer Aussage, die für sich Wahrheit beansprucht und schon durch ihre Aussage selbst (etwa wie: "Die Wirklichkeit ist nicht erkennbar") zu erkennen gibt, daß der Aussagende auf eine vorausgehende Wirklichkeit Bezug nimmt, sonst könnte er über ihre Eigenschaft gar nichts sagen. (Sodaß eine Aussage wie jene einen Selbstwiderspruch in sich darstellt.) Diese Wirklichkeit (als das, was wirklich wirkt) geht uns voraus, und sie verlangt Gehorsam, weil der Mensch unmittelbar erlebt, daß sich nicht die Wirklichkeit nach ihm richtet, sondern er mit ihr zu kommunizieren hat, sie ihm despotisch vorausgeht.

Nur auf diesen Bezug einer unmittelbaren Wirklichkeitsbegegnung hin - und damit konkret: auf Autorität - kann überhaupt von Vernunft gesprochen werden, schreibt Franz von Baader einmal. Und dieses "in der Wirklichkeit stehen" ist das erste Begegnungselement des Menschen. Denn Vernunft ist der Bezug auf eine solche Autorität hin, die auch zuweilen Treue und Behauptung gegen Widerstände verlangt. Sie kann als Mensch nur einer Person gegenüber entstehen, und das sind in der Regel die ersten Bezugspersonen, also die Eltern.* Auch wenn ihre ontologische Dimension als logisch erstes eine Begegnung dem Sein selbst gegenüber darstellt. 

Aus dieser autoritativen Begegnung heraus erwächst - mit dieser als erste Grundlage - jener Persönlichkeitsgrund, auch im Wort (Sprache, Begriffe als zuerst "Übernommenes") der zur Haltung gegenüber der Welt befähigt.



*Werden dem Kind die Eltern genommen, oder wird es ihrem Einfluß entzogen, so ist die Frage nicht, ob sie nun ohne Autorität aufwachsen, sondern sie begegnen sofort und unmittelbar nächsten Autoritäten - der Antiautoritarismus der Gegenwart ist also nicht "autoritätslos", sondern ersetzt die verantwortliche Autorität der Eltern durch eine andere.




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