Natürlich ist es Unsinn, den Schlieffenplan - die Umgehung der französischen Hauptverteidigungsfront und Armeestellungen per Sichelschnitt über Belgien, um den Feind so von der Seite bzw. im Rücken zu fassen zu kriegen - als Ausdruck deutschen imperialistischen Geistes zu sehen. Vielmehr entsprang er der seit Preußen im 18. Jahrhundert immer klarer werdenden strategischen Überlegungen politischer Art, und den daraus folgenden militärischen Notwendigkeiten und Interpretationen.
Deutschland als Mittelland war potentiell leicht in einen Mehrfrontenkrieg zu verwickeln, ja man mußte davon ausgehen, daß jeder Feind dies durch entsprechende Bündnistaktik versuchen würde. Die Ausgangssituation des Ersten wie des Zweiten Weltkrieges war ja tatsächlich so. Preußens Friedrich II. hatte das gleichfalls schon erlebt, als er sich Frankreich, Österreich und Rußland gegenübersah, mit dem einzigen Bündnispartner England, das aber lediglich seine traditionelle Kontinentalpolitik damit verfolgte - Schwächung jedes Hegemoniestrebens - und nur mit Geld, später (als es seine Ziele erreicht glaubte) gar nicht mehr zum Beistand bereit war. Aus der Not heraus hat er die Grundsteine späterer deutscher Militärstrategie gelegt. Denn er konnte die Feinde nicht gleichzeitig besiegen.
Also mußte ein Mehrfrontenkrieg auf jeden Fall vermieden werden. Indem man jeden Feind einzeln bekämpfte, und aus dem Mehrfrontenkrieg durch Partitionierung jeweils einen Einfrontenkrieg machte, in dem man dann wieder seine Chancen hatte. Ein Abnützungskrieg war schon für Friedrich nicht zu gewinnen, und das hat sich ja auch gezeigt - ohne das "Wunder der Hohenzollern", den Wandlungen in Rußland und Frankreich, wäre er letztendlich doch unterlegen, denn das Land war erschöpft. Und er war ja schon geschlagen; die Geschichte Europas hätte sich völlig anders geschrieben.
Gleichzeitig war klar, daß Preußen wie Deutschland für einen reinen Verteidigungskrieg (mit Operationsräumen) zumal für die ständig anwachsenden Armeegrößen zu wenig Raumtiefe hatte. Es macht einen dramatischen Unterschied in der Zeit (von anderen Faktoren noch völlig abgesehen), tausend, zehntausend, hunderttausend oder gar eine Million Soldaten auf engem Raum in Bewegung zu setzen.
Es blieb aber aus besagten Gründen nur eine operative Kriegsführung, die das Gesetz der Initiative und des Angriffs zum Verteidigungsprinzip machte. Das stellte Bedingungen: Es brauchte Raum, verlangte hohe Beweglichkeit auf der inneren Linie (also hinter der Front), um rasch, zumindest rascher als der Feind, Truppen umzuschichten, um schnell Schwerpunkte bilden zu können, verlangte hohen und einheitlichen Ausbildungsstand der Truppen, weil es Auftragstaktik statt Befehlstaktik brauchte - denn es konnten lediglich operative Ziele befohlen werden, die Einzelausführungen mußten in ihren jeweiligen Stufen den Unterführern überlassen werden. Samt einer operativ entscheidenden Rolle der geistig-psychischen Verfaßtheit der Soldaten.
Zumal Desertion bis ins 19. Jahrhundert ein enormes Problem aller Heere der Welt war, wie sie sich aus dem Ritterheer, das noch völlig auf Kampfkraft und ethischen Motivation der je Einzelnen beruhte, zum Heer der einfachen Leute entwickelt hatten. Wie sehr, zeigte sich noch 1914/18 bei Österreich und Rußland, die so hohen Desertionszahlen (durch Überläufe und Aufgabe) aufwiesen, daß deshalb ganze Großoperationen zusammenbrachen. Also legte man immer größeren Wert auf extreme Formen der Disziplinierung.
Aber Friedrich II. begann das ganz bewußt aufzuweichen. Die Soldaten sollten zu Kameraden gewonnen werden, die an den Staat - in der Person des Königs - aus innerem Wollen heraus gebunden waren. Gegen alle landläufige Meinung, war deshalb die preußische Militärstrafordnung nach und nach liberalisiert und sogar mit erstaunlichen Beschwerdeeinrichtungen ausgestattet worden. Während die Armee sich umgekehrt in ganz erstaunlichem Maß zum Ehrenschutz aller seiner Mitglieder verpflichtete, intern genauso, wie selbst gegenüber dem König. Die Todesstrafe wurde zwar nach wie vor verhängt, aber nur mehr selten ausgeführt. Sogar in der Deutschen Wehrmacht, zumindest bis 1943/44. In England wurde etwa die Züchtigung durch Auspeitschen erst 50 bis 80 Jahre später abgeschafft. Dieser ganz neue Umgang mit den Soldaten in der deutschen Armee wurde überall maßstäblich.
Endgültig wurde dies in Deutschland aber erst in den Befreiungskriegen gegen Napoleon begriffen. Ab da wurde das Militärwesen in Preußen vor allem (durch Gneisenau und Scharnhorst) auf diese neuen Gegebenheiten hin reformiert, weil als wesentliches Element der neuen und notwendigen Gesamtstrategie erkannt. In der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 bewährte es sich erstmals, die schon auf diesen Prinzipien beruhend geführt wurde: Schwerpunktartige Bildung von Übermachten gegen Teilkräfte des Feindes mit anschließender Umgruppierung, möglich durch hohe Flexibilität und Einzelverantwortung der Truppenteile.
Robert Citino geht aber sogar so weit, das als "German Way of War" zu bezeichnen, und führt diese Kriegstaktik zurück bis ins 17. Jahrhundert. Womit sich manche weiteren Kreise der an dieser Stelle bereits ausgeführten Gedanken - als ein ganzes Befindlichkeitssyndrom im Anschluß an den 30jährigen Krieg - schließen. Die sich in einer Kriegstaktik ausdrückte, die Preußen und das spätere Preußen-Deutschland zu einer Kriegsführung der Beweglichkeit ("Blitzkrieg") regelrecht "zwang", die fälschlicherweise gerne als ständige Aggressionsbereitschaft dargestellt wird. Aber keineswegs so, sondern als Auffassung, die einer strategischen Raumauffassung im Rahmen der Lage am Kontinent zuzuschreiben - und nur so - zu verstehen ist.
Ein anders Kapitel ist, ob sie damit nicht doch als genau das zu verstehen wird sein müssen, weil sie eine logische Folge aus Genese, Geschichte und Wesen Preußens ist. Das in seiner positivistischen Gründungsbewegung bereist seine ontologische Verneinung in sich trägt, und von da her immer und je neu die Erwirkung seines Gründungsschocks - nach innen wie nach außen - zur nur aktualistisch möglichen Präsenz braucht. Das also in seiner heutigen Form als "Deutschland" ein regelrechter Irrtum, eine Schimäre der Moderne ist.
Was es damit aber keineswegs einzigartig macht, man denke alleine an die Geschichte Frankreichs, dessen Politik viele Jahrhunderte an ähnlicher Angst litt (und: leidet?) Diesen Weg werden wir ein anderes Mal weiter erkunden.
Robert Citino geht aber sogar so weit, das als "German Way of War" zu bezeichnen, und führt diese Kriegstaktik zurück bis ins 17. Jahrhundert. Womit sich manche weiteren Kreise der an dieser Stelle bereits ausgeführten Gedanken - als ein ganzes Befindlichkeitssyndrom im Anschluß an den 30jährigen Krieg - schließen. Die sich in einer Kriegstaktik ausdrückte, die Preußen und das spätere Preußen-Deutschland zu einer Kriegsführung der Beweglichkeit ("Blitzkrieg") regelrecht "zwang", die fälschlicherweise gerne als ständige Aggressionsbereitschaft dargestellt wird. Aber keineswegs so, sondern als Auffassung, die einer strategischen Raumauffassung im Rahmen der Lage am Kontinent zuzuschreiben - und nur so - zu verstehen ist.
Ein anders Kapitel ist, ob sie damit nicht doch als genau das zu verstehen wird sein müssen, weil sie eine logische Folge aus Genese, Geschichte und Wesen Preußens ist. Das in seiner positivistischen Gründungsbewegung bereist seine ontologische Verneinung in sich trägt, und von da her immer und je neu die Erwirkung seines Gründungsschocks - nach innen wie nach außen - zur nur aktualistisch möglichen Präsenz braucht. Das also in seiner heutigen Form als "Deutschland" ein regelrechter Irrtum, eine Schimäre der Moderne ist.
Was es damit aber keineswegs einzigartig macht, man denke alleine an die Geschichte Frankreichs, dessen Politik viele Jahrhunderte an ähnlicher Angst litt (und: leidet?) Diesen Weg werden wir ein anderes Mal weiter erkunden.
Morgen Teil 2) Warum diese Strategie aber an sich selbst scheitert
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