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Dienstag, 16. Dezember 2014

Ein typischer Fall? (1)

Wenn Doris Wagner nachweisen wollte, was sie als Behauptung verschiedentlich aufgestellt hat, nämlich die systembedingte Problematik der kirchlichen "Erneuerungsgemeinschaften" aufzuzeigen, so ist ihr das mit ihrem Erlebnisbericht als Buch - "Nicht mehr ich" - nicht gelungen. Das läßt sich gleich vorausschicken. Zu zwiespältig sind die Eindrücke, die man aus ihrem Buch gewinnt. Und man ist nie sicher, ob sich hier nicht der primitive Modernismus meldet, oder ein doch berechtigtes Hinweisen auf die Psychomethodik eben dieser Gemeinschaften, die sogar von Päpsten, vor allem aber von verschiedenen Bischöfen, gerne mit stets lächelndem Gesicht, als "Neuaufbruch der Kirche" hochgejubelt werden, in Wahrheit aber das genaue Gegenteil sind: ein subtiler, aber umso effektiverer Todesstoß. Man ist sich auch nie sicher, ob die Freiheit, von der Wagner spricht, nicht doch einfach die ist, die der primitive Liberalismus fordert. Und man ist sich auch nicht sicher, ob das, was sie da an Vorgängen schildert, wirklich bewirken kann, was sie als Folgen an ihr behauptet.
Daß Weiberherrschaften - und auffällig ist doch auch, wie viele dieser neuen Gemeinschaften von Frauen initiiert wurden - so gut wie immer in Höllen ausarten, ist eine alltägliche Erfahrung. Da erzählt das Buch recht wenig Neues, außer für den Geist der Gegenwart, für den ohnehin jede Realität "überraschend" ist.
Und daß deren erste Opfer vor allem wieder Frauen sind, noch mehr. Weininger spricht regelrecht von Kupplermentalität der Frau, und  man kann ihm diese Beobachtung keineswegs bestreiten. Entsprechend durchziehen auch Teile des Buches seltsame Anmutungen, als wären die jungen Mädchen, die sich hier dem gottgeweihten Leben widmen, wie Wagner, von den (weiblichen) Oberen regelrecht als Frischfleisch für die männlichen Ordensmitglieder - gemischte Orden und Gemeinschaften; auch das eines der Typika, und dazu läßt sich noch viel anderes sagen, zumindest offenbart sich darin ein Grundzug: die Entfleischlichung, die Virtualisierung des Glaubens, der zum Selbstzweck wird.

Alle Fraglichkeiten, die einem im Laufe der Lektüre über den Charakter der Autorin selbst auftauchen, müssen freilich sehr sehr relativ bleiben. Denn man sollte vermeiden jenem Zynismus zu verfallen, der die Kirche heute so auszeichnet, den NACH solchen Selbstauslöschungen ausgespieenen Menschen, der "seltsam" geworden ist, als Opfer sozusagen, dann eben WEIL er "seltsam" ist, zu diffamieren, womit sie dann ihre eigene Erbärmlichkeit zu vertuschen suchen. Bischöfe tun das bekanntermaßen sehr sehr gerne. Das ist im übrigen ja auch dem VdZ passiert. Ersparen wir es Doris Wagner.
So bleibt auch immer ein Zweifel, ob es sich bei ihrer Kritik nicht einfach um den primitiven Kritizismus derjenigen handelt, die ohnehin dem Katholizismus so fern stehen, weil sie ihn nie verstanden haben, und schon gar nicht glauben, daß er an sich für sie ein Übel ist. Ist Wagner also einfach eine Protestantin, die empört daran gescheitert ist, daß sich die protestantisch geprägte Erwartung nicht erfüllt hat? Die sich auch mal gerne zeitgemäßer political correctness bedient - etwa in dem ganzen Bereich der Stellung der Frau - wenn es nützt?

Wenn das Buch also wenig erklärt, wenig wirklich darstellt, umso mehr behauptet, so ist das mit großer Wahrscheinlichkeit genau jenem Schaden zuzuschreiben, den solche Methodiken und Verbrechen am Opfer bewirken. Das posttraumatische Belastungssyndrom kennzeichnet sich ja genau dadurch, daß in ihm das Erlebte verdrängt wird. Man vermeidet genau darüber zu sprechen, was den Schaden bewirkt hat. Deshalb läßt sich aus dem Buch von Doris Wagner auch nicht die Systematik dieser Gemeinschaften erkennen. Leider. Und hier hatte sich der VdZ doch mehr erwartet, immerhin heißt es im Klappentext, daß die Autorin an ihrer Promotion in Philosophie arbeite. Gut, das bietet das Buch nicht. Man kann es also bestenfalls in die Regale der zweiten oder dritten Indizienreihen stellen, die dann AUCH belegen, was man aber auf anderem Weg an Thesen formuliert und logisch beweist.

So wird der Bericht auch zum Indiz dafür, was für geistige Perversion es bereits voraussetzt, Gemeinschaften zu gründen, die überhaupt keine konkrete Aufgabe haben. Dafür Kongresse veranstalten (für Wagner ein Schlüsselerlebnis, das sie selbst vielleicht gar nicht schwer genug bewertet), in denen "Freude am Glauben" durchgehechelt wird. Aha, Freude am Glauben ... bravo. Freude war es dann ja auch, die Wagner vor allem bewog, sich für "Das Werk" zu entscheiden. Denn daß es sich darum handelt, ist aus dem Buch leicht herauszulesen, auch wenn dort jeder Name vermieden wird, und im übrigen aus anderen Reaktionen längst bekannt.

In denselben Rahmen der Perversionen gehört es, wenn sich solche Gemeinschaften auch noch gemischtgeschlechtlich (im allerschlimmsten Fall sogar als Gemeinschaft von "Familien") konstituiert. Wer so etwas genehmigt, dem muß ernsthaft eine Schraube im Gehirn nachjustiert werden. Und seien es Päpste. Und "Das Werk", 1938 gegründet, ist seit 1978 päpstlich approbiert! Da hat Wagner schon recht, wenn sie meinte, daß dies doch Gewähr sein sollte? Aber es wäre nicht der erste Irrsinn, den Päpste aus Schwäche oder Geistesschwäche veranstalten, ja manchmal muß man sich fragen, ob sie - sieht man von ihren ex-kathedra-Aussagen ab - zu den meisten Zeiten der Kirchengeschichte etwas anderes getan haben. Dante jedenfalls sah es so. Seine Hölle ist voll mit Päpsten und Bischöfen, von Priestern gar nicht zu reden. Und, so nebenbei, diese Kontingent ist in den Augen des VdZ noch nicht aufgefüllt.
Aber, wie gesagt, aus dem Buch alleine läßt sich nicht wirklich zu einer Aussage über "Das Werk" kommen. So manches, das Wagner ein wenig in das Licht des "Skandals" stellt - so könnte man es jedenfalls deuten, wobei sie im Text tatsächlich sehr vorsichtig mit Verurteilungen ist, das muß man ihr zugestehen - macht "Das Werk" sogar interessanter, als es möglicherweise verdient.  Während sie ihre eigenen Gegenargumente in einem Licht jenes Modernismus darstellen könnte, den man einfach schon satt hat, weil er schlicht und ergreifend ... dumm ist.

Da hilft auch das Vorwort eines früheren Theologiedozenten, Wolfgang Beinert, nicht viel weiter. Es bleibt genauso verschwommen "betroffen", ohne diese Betroffenheit nachvollziehbar zu machen. Und wenn dort das Wort "Freiheit" recht markant auftaucht, als eigentliche Berufung des Menschen, so ist man sich als Leser nicht sicher, ob Beinert nicht eben diesen depperten Liberalismus meint, der von Freiheit in Wahrheit keine Ahnung hat, weil sein Menschenbild bestenfalls vom Charakter der Verkünder erzählt, aber nicht vom Menschen an sich.

Charakter? Hätte der VdZ nicht dieselbe Doris Wagner, die hier ein Buch vorlegt, auch in "Maischberger" (TV) gesehen, er hätte im Versuch, das Vorliegende zu ordnen, eher auf einen problematischen, narzißtisch schwer angeschlagenen Charakter getippt, dessen Probleme im "Werk" nur Blüten einer längst vorgebildeten Charakterstörung waren. Narzißmus ist ja ein, vielleicht sogar DAS Kernproblem der meisten dieser Erneuerungsgemeinschaften, je "charismatischer", desto mehr. Sie sind deshalb alles anderes als ein "Frühling" der Kirche. Frühling? Ach ja, das Wort ist heute ohnehin so strapaziert, und ist seit Arabien zum Ausweis des wahnhaften Zeitgeistes geworden (im übrigen: Waren Revolutionen je mehr?)

Sodaß das im Buch zitierte Urteil ihrer Vertrauten, daß sie von Anfang an die Probleme hatte, die nun aufgebrochen sind, gewisse Plausibilität hat. Aber Wagner bei Maischberger war ein anderes Kapitel. Da wirkte sie aufgeblüht (Schwangerschaft ist das Aufblühen der Frau, egal wo, egal wie! nur: ist es hier besonders "verräterisch"?), klar im Kopf, und persönlich recht sympathisch, nicht nur schön als Fraufrau.

Vielleicht hätte sie nie egal welchem Orden beitreten sollen. Hier betreten wir den nächsten Problemkreis der gegenwärtigen Erneuerungsbewegungen, die ein Verkennen und Fehldeuten der Wirklichkeit fast prinzipiell zu ihrem Programm erhoben haben, ja dieses selbst sind. Entsprechend ist die Zahl ihrer Opfer beachtlich lang, Wagner weist zurecht darauf hin. Auch dem VdZ selbst sind gar nicht wenige Opfer bekannt, auch wenn sich diese zum Teil zumindest gar nicht als solche begreifen. Aber auch das ist ja Wesensmerkmal des Mißbrauchs - der auf das Einverständnis des Opfers abzielt, um es so zu korrumpieren. Das Opfer macht sich am Schluß auch noch selbst verantwortlich für das, was ihm angetan wurde.

Das alles könnte also auch bei Wagner zutreffen. Aus dem Buch ist es aber nicht direkt ableitbar.


Demnächst wahrscheinlich Teil 2) Was man mit in den Fall 
mit gewissen Plausibilitäten hinein-, 
mit ähnlichen Plausibilitäten aber auch herausinterpretieren könnte. 

Der VdZ ist derzeit nicht sicher, ob der Fall weitere Beschäftigung verlohnt, 
ob sich daran wirklich etwas so unwiderstehlich aufzeigen läßt, 
wie Doris Wagner das zu können vermeint.




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