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Montag, 8. Dezember 2014

Merkwürdigkeiten einer Woche (1)

Manchmal häufen sich die Narreteien der Welt offenbar. Es gibt duchaus so etwas wie Rhythmen der Zeit, die jedem Individualrhythmus auf eine Weise gegnüberstehen, mit denen er aber auf geheimnisvolle Weise verbunden ist.

Da tauchen dann, so wie zu Anfang Dezember dieses Jahres, Meldungen auf, die jeden Menschen, der sich noch einen Rest Vernunft bewahrt hat, nur noch den Kopf schütteln lassen. Zu ernst sollte man das allerdings nicht nehmen, weil nie vergessen, daß das Nichts sich niemals hält. Freilich, umso aggressiver will es sein Dasein behaupten.

Stillende Mütter

Da wird etwa vor einem Londoner Hotel von Frauen demonstriert, die ein Recht auf Stillen in der Öffentlichkeit fordern. Anlaß war, daß eine offenbar mitten in der Lobby ihr Kind säugende Mutter vom Hotelpersonal gebeten wurde, diese Tätigkeit diskreter, in einer weniger einsichtigen Ecke des Hotels etwa, auszuführen. Den Meldungen nach hatte man ihr sogar einen Raum dazu angeboten. Fazit? Lautstarke Proteste, wie immer: je mehr Minderheit desto lautstärker, denn es sei ja so natürlich, zum einen, und außerdem seien Kinder doch viel zu wichtig.

Diese pervertierte Haltung begegnet einem zuweilen sogar in alltäglichsten Situationen. Wenn etwa Frauen bei Straßenbahnhaltestellen mit dem Brustton der Empörung und verbaler Aggression - der VdZ hat es mehrfach bereits erlebt - verlangen, daß die gesamte Straßenbahn, personal wie maschinell, ihr gefälligst jede Mühe abzunehmen hätte, die aus ihrer wahrhaft heldischen Leistung, Nachwuchs nämlich, erwachsen sei. Der VdZ, der aus männlicher Pflicht heraus selbstverständlich Frauen, und noch mehr Müttern, jede Höflichkeit und schützende Hilfe angedeihen läßt, deren er in der Lage ist, erlebt meist nicht einmal mehr simpelste Gebote der Höflichkeit, wie "Danke" - denn er hat ja nur getan, wozu er in den Augen der Frau ohnehin "verpflichtet" sei. Ähnliches kann man ja auch bei Kindern erleben, und es ist dort besonders erschütternd: wenn Kinder sich als Zentrum begreifen, dem gefälligst die Familie, die Eltern, untertänigst zu dienen hätte (dabei ist es genau umgekehrt; dazu weiter unten). So, wie es ihnen eben überall schon eingeredet wird, wie es aber auch Eltern, eingeschüchtert und wesensvergessen wie selbstvergessen, in irregeleiteter Pädagogik weitergeben.

Essen ist an sich immer eine intime Handlung, ja es ist auf eine Weise immer damit eine erotische Handlung. Der Eßvorgang selbst ist deshalb als solcher immer in gewisse atmosphärische Diskretion eingebunden. Schon gar beim Kleinkind. Denn Erziehung heißt ja sogar, den Menschen, der als Mangelwesen auf die Welt kommt, in diesem Mangel (ind er Familie) zu beschützen, einerseits, und anderseits ihn daraus hinauszuführen (führen!) in jenen Zustand (den man Erwachsenheit nennt), in dem er in gewisser Hinsicht selbständiger, verantwortungsbereiter Teil eines Kulturganzen wird. Dabei muß man sehen können, daß Menschsein selbst heißt, Bestandteil einer Kultur zu sein. Dem kann man gar nicht entgehen!

Erwachsenwerden heißt also auch, aus dem Mangelzustand, der einer Kultur einfach noch nicht gerecht wird, in diese Kultur hineinzuwachsen. Nicht als "Fordernder", sondern als zuerst zumindest sich Einfügender, der erst allmählich in dieser Kultur auch seien Färbung, als freier Mensch, ein- und anzufügen vermag.

Aber noch ein Punkt ist hier wert, besprochen zu werden - den, daß es sich beim inkriminierten Objekt um ein "Luxus-Hotel" handelt. Denn das Wesen des Luxus ist, daß er eine besondere kulturelle Höhe darstellt, einen Raum darstellt, in dem eine bestimmte hohe Kultur gepflegt wird. Das mag anderen passen oder nicht, es ist einfach so. Kultur heißt aber unabdingbar Diskretion! Denn nur in der Diskretion sind jene Akte für sich herausstellbar, in die sich menschliches Vermögen (als das einem Mögliche zu verstehen) weiter ausdifferenzieren kann. Daß schon deshalb klar ist, daß der zu allen Zeiten verachtete "Neureiche" gar nicht unter den strengen Luxus-Begriff fallen kann. Denn ihm fehlt genau das, was Luxus, höhere Lebensweise ja auszeichnet: er hat nur im Geld die technische Möglichkeit dazu, aber ihm fehlt das Wesentliche: Die Diskretion.

Quelle: Die Presse
Wer deshalb das Bild der protestierenden Frauen (von den bereits nach Aas stinkenden Weltmedien gierig aufgegriffen) betrachtet, sieht ja sofort, worum es geht: Hier wird nicht gegen einen Verstoß gegen das Menschsein protestiert, hier wird gegen eine Kultur protestiert, die man nicht erreicht hat, die man aber genau deshalb prinzipiell zerstören will. 

Die Diskretion selbst ist deshalb das, was man als "Recht des Kindes" (und der stillenden Mütter) bezeichnen muß, nicht der Verzicht darauf. Denn sie schützt das Unfertige, sie schützt den Zustand des "noch nicht zur Welt bereit". Sie ist das, was mit schützendem Raum umgibt, was der Welt noch nicht gerecht werden kann, auf das die Welt aber natürlich niemals verzichten könnte. Weshalb hoch zu schätzen ist, wer diese Diskretion fordert. 


Morgen Teil 2) Körperliche Züchtigung als Erziehungsmaßnahme




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