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Sonntag, 21. Dezember 2014

Wo kein Glaube, da kein Wissen

Keineswegs ist Glauben und Wissen ein sich Widersprechendes. Vielmehr ist es untrennbar ineinander verschränkt. Es gibt kein Wissen ohne Glauben, so wie es aber auch kein Glauben ohne Wissen gibt. Franz von Baader vergleicht den Glauben mit der Motivation, die hinter jedem Willen steht. Und nur aus solchem Willen heraus wird auch Glaube und Geglaubtes real und zum Bestand des Verstandes (in der Vernunft).

Glauben ist aber nur als persönlicher Akt des Übernehmens (tradierens; Tradition) von Personen möglich. Als Haltung, als Motivans, das mit der Welt der Erscheinungen umgeht. Ein Sehen gibt es also nur im Lichte des jeweiligen Glaubens. Deshalb steht der Wissensstand einer Gesellschaft, die Wissenschaftlichkeit einer Kultur (treibt man es weiter), in direktem Zusammenhang mit dem, was eine Gesellschaft glaubt. Ein Irrtum im Glauben führt unweigerlich zu einem Irrtum im (quasi: natürlichen) Wissen.

Somit ist es selbst bereits ein Irrtum, ein falsches "Gewußtes", eine Vorentscheidung im Geglaubten, wenn man heute meint, es sei gleichgültig, welcher Religion sich ein Mensch befleißigt, denn das Einigende, das Gemeinsame, ließe sich dennoch über das Gewußte, über das Wissen finden, und so an der Welt in einem Sinn arbeiten. Selbst, wo das Gewußte nominell übereinstimmt, und das kann es dann nur in Einzelpunkten, wird es im Ganzen, in der Gesamtrichtung des Wirkens eines Menschen, in die Richtung der Religion geführt, und damit zu einem völlig anderen Ziel.*

Was Baader in dem äußerst luziden Satz zusammenfaßt: Wenn man ein Schwinden des Glaubens feststellt, so nicht, weil zu viel gewußt wird im Verhältnis zum Geglaubten, sondern IM GEGENTEIL: Wo der Glaube schwindet zeigt das an, daß ES MIT DEM WISSEN IM ARGEN LIEGT.

Das eine Kultur einende Band kann also auch nur EINE Religion sein. Nur so auch findet sich jene Basis, auf der Wissensinhalte (wie in der Wissenschaft) überhaupt "diskutiert" und weiter entwickelt werden können. Gleichzeitig kann es zu einer völligen Erblindung einer Kultur, eines Volkes (etc.), einer Subkultur/Gesellschaft in allen möglichen Formen, kommen. Genau so, wie es zu einer kulturellen Blüte kommen kann, wenn das Geglaubte wahr ist bzw. die Haltung der Menschen einer solchen Societät wahrhaftig ist.

Aber nun kommt es zum entscheidenden Punkt: Man glaubt nur demjenigen, VON DEM MAN SICH GEWUSZT weiß. Das macht alles Wissen (und Glauben) zu einer Teilhabe am Glauben und Wissen EINES ANDEREN**. Keineswegs bildet der Mensch also quasi autochthon seine Auffassungen und Überzeugungen, er führt sie höchstens weiter, im Sinne einer stabilitas, eines Selbststandes.*** Denn nur so kann sich Wissen und Glauben (in ihrer zusammenhängenden Natur) als wahr erweisen, und fließt mit der Selbsterfahrung der Wirklichkeit zusammen. Ein langer, lebenslanger Prozeß, im übrigen. Auch Glauben und Wissen sind deshalb fragile Gebilde, die sich nur im Fortlauf der Zeit (dem Hintereinander der Erscheinungen der Welt und Wirklichkeit) allmählich fester und fester bilden. (Hier zeigt sich somit auch der Zusammenhang von Glaube, Wissen und - Bildung, letzterer wirklich als Persönlichkeitsprozeß.)

Hier schließen sich weite Kreise - hin zur Bedeutung des Namens, im wahrsten Sinn. Ja, der Stand des Wissens einer Gesellschaft läßt sich am direktesten an der Rolle ablesen, den die "Ehre" in ihr spielt. Wissens- und Glaubenskreise schließen sich nur in Kreisen dieser Glaubwürdigkeit, nur dort, wo an der Spitze der Glaubwürdigkeit Personen stehen, VON DENEN MAN SICH GEWUSZT WEISZ.



*Man übersieht heute gerne, daß der Begriff der Wissenschaft, wie er immer noch weithin anerkannt wird, wenn er auch schon schwer kränkelt, in einem genuin christlich-katholischen Wahrhaftigkeitsbegriff gründet, der sowohl von einer objektiv vorauseilenden Wirklichkeit ausgeht, an dem man anderseits nur durch Teilhabe teilhaftig wird - durch Gleichförmigkeit des Denkens mit einer objektiven Welt, die aber nur ausschnitthaft offenbar wird, aber auch durch Übernahme von Begrifflichkeit. Interessanterweise steckt gerade darin auch die (aus der Angst vor der sich auftuenden Unsicherheit geborene) heute zu beobachtende Verabsolutierung und Dogmatisierung der Wissenschaft, der genau deshalb auch größter Irrationalismus und Ideologismus gegenübersteht. Nicht alles, was "Wissenschaftler" tun, ist dabei Wissenschaft, aber nur wenn ein Wissenschaftler Wissenschaft in diesem Sinne treibt, ist er Wissenschaftler. Nur eine Welt aber, die GEDACHT ist, ist auch den Menschen - in dem Akt der Teilhabe - denkbar. (Weshalb Gehorsam - "hören" - der Grund allen wahren Denkens ist.) führt man diese Gedanken konsequent und logisch weiter, so steht und fällt die Wissenschaft mit dem Begreifen der Welt als Schöpfung. Anders wird sie zur phantastischen Mythologie, die jedes (auch: logische) Denken mit der Zeit auflöst.



**Hier übrigens liegt die Abzweigung zu dem fatal irrtümlichen Rückschluß, daß alles, was der Mensch denke, deshalb auch Gedanke Gottes sein müsse. Es ist jener, ja ganz genau jener Fehlschluß, der die gesamte Entwicklung des Denkens und Sehens des Abendlandes seit der Renaissance, über manche explizite Eckpunkte wie Luther - Descartes - Hegel, in jene Sackgasse geführt hat, in der wir heute in so hohem Maße stecken. 

***In allen sonstigen Verschränktheiten, drückt sich diese innere Logik, ja Gesetzmäßigkeit des Wissens als Teilhabe in der Diebstahlsmentalität im Internet ganz deutlich aus: Man plündert regelrecht, um sich zusammenzusetzen, was als dichtes Bild einer Weltanschauung dienen soll. Wo kein Glaube, wo keine Wahrheit als Person, da eben Denkschwäche.




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