Keineswegs ist Glauben und Wissen ein
sich Widersprechendes. Vielmehr ist es untrennbar ineinander
verschränkt. Es gibt kein Wissen ohne Glauben, so wie es aber auch
kein Glauben ohne Wissen gibt. Franz von Baader vergleicht den
Glauben mit der Motivation, die hinter jedem Willen steht. Und nur
aus solchem Willen heraus wird auch Glaube und Geglaubtes real und
zum Bestand des Verstandes (in der Vernunft).
Glauben ist aber nur als persönlicher
Akt des Übernehmens (tradierens; Tradition) von Personen möglich.
Als Haltung, als Motivans, das mit der Welt der Erscheinungen umgeht.
Ein Sehen gibt es also nur im Lichte des jeweiligen Glaubens. Deshalb
steht der Wissensstand einer Gesellschaft, die Wissenschaftlichkeit
einer Kultur (treibt man es weiter), in direktem Zusammenhang mit
dem, was eine Gesellschaft glaubt. Ein Irrtum im Glauben führt
unweigerlich zu einem Irrtum im (quasi: natürlichen) Wissen.
Somit ist es selbst bereits ein Irrtum,
ein falsches "Gewußtes", eine Vorentscheidung im
Geglaubten, wenn man heute meint, es sei gleichgültig, welcher
Religion sich ein Mensch befleißigt, denn das Einigende, das
Gemeinsame, ließe sich dennoch über das Gewußte, über das Wissen
finden, und so an der Welt in einem Sinn arbeiten. Selbst, wo das
Gewußte nominell übereinstimmt, und das kann es dann nur in
Einzelpunkten, wird es im Ganzen, in der Gesamtrichtung des Wirkens
eines Menschen, in die Richtung der Religion geführt, und damit zu
einem völlig anderen Ziel.*
Was Baader in dem äußerst luziden
Satz zusammenfaßt: Wenn man ein Schwinden des Glaubens feststellt,
so nicht, weil zu viel gewußt wird im Verhältnis zum Geglaubten,
sondern IM GEGENTEIL: Wo der Glaube schwindet zeigt das an, daß ES
MIT DEM WISSEN IM ARGEN LIEGT.
Das eine Kultur einende Band kann also
auch nur EINE Religion sein. Nur so auch findet sich jene Basis, auf
der Wissensinhalte (wie in der Wissenschaft) überhaupt "diskutiert"
und weiter entwickelt werden können. Gleichzeitig kann es zu einer
völligen Erblindung einer Kultur, eines Volkes (etc.), einer
Subkultur/Gesellschaft in allen möglichen Formen, kommen. Genau so,
wie es zu einer kulturellen Blüte kommen kann, wenn das Geglaubte
wahr ist bzw. die Haltung der Menschen einer solchen Societät
wahrhaftig ist.
Aber nun kommt es zum entscheidenden
Punkt: Man glaubt nur demjenigen, VON DEM MAN SICH GEWUSZT weiß. Das
macht alles Wissen (und Glauben) zu einer Teilhabe am Glauben und
Wissen EINES ANDEREN**. Keineswegs bildet der Mensch also quasi
autochthon seine Auffassungen und Überzeugungen, er führt sie
höchstens weiter, im Sinne einer stabilitas, eines Selbststandes.***
Denn nur so kann sich Wissen und Glauben (in ihrer zusammenhängenden
Natur) als wahr erweisen, und fließt mit der Selbsterfahrung der
Wirklichkeit zusammen. Ein langer, lebenslanger Prozeß, im übrigen.
Auch Glauben und Wissen sind deshalb fragile Gebilde, die sich nur im
Fortlauf der Zeit (dem Hintereinander der Erscheinungen der Welt und
Wirklichkeit) allmählich fester und fester bilden. (Hier zeigt sich
somit auch der Zusammenhang von Glaube, Wissen und - Bildung,
letzterer wirklich als Persönlichkeitsprozeß.)
Hier schließen sich weite Kreise - hin
zur Bedeutung des Namens, im wahrsten Sinn. Ja, der Stand des Wissens
einer Gesellschaft läßt sich am direktesten an der Rolle ablesen,
den die "Ehre" in ihr spielt. Wissens- und Glaubenskreise
schließen sich nur in Kreisen dieser Glaubwürdigkeit, nur dort, wo
an der Spitze der Glaubwürdigkeit Personen stehen, VON DENEN MAN
SICH GEWUSZT WEISZ.
*Man übersieht heute gerne, daß der
Begriff der Wissenschaft, wie er immer noch weithin anerkannt wird,
wenn er auch schon schwer kränkelt, in einem genuin
christlich-katholischen Wahrhaftigkeitsbegriff gründet, der sowohl
von einer objektiv vorauseilenden Wirklichkeit ausgeht, an dem man
anderseits nur durch Teilhabe teilhaftig wird - durch
Gleichförmigkeit des Denkens mit einer objektiven Welt, die aber nur
ausschnitthaft offenbar wird, aber auch durch Übernahme von
Begrifflichkeit. Interessanterweise steckt gerade darin auch die (aus
der Angst vor der sich auftuenden Unsicherheit geborene) heute zu
beobachtende Verabsolutierung und Dogmatisierung der Wissenschaft,
der genau deshalb auch größter Irrationalismus und Ideologismus
gegenübersteht. Nicht alles, was "Wissenschaftler" tun,
ist dabei Wissenschaft, aber nur wenn ein Wissenschaftler
Wissenschaft in diesem Sinne treibt, ist er Wissenschaftler. Nur eine
Welt aber, die GEDACHT ist, ist auch den Menschen - in dem Akt der
Teilhabe - denkbar. (Weshalb Gehorsam - "hören" - der
Grund allen wahren Denkens ist.) führt man diese Gedanken konsequent
und logisch weiter, so steht und fällt die Wissenschaft mit dem
Begreifen der Welt als Schöpfung. Anders wird sie zur phantastischen
Mythologie, die jedes (auch: logische) Denken mit der Zeit auflöst.
**Hier übrigens liegt die Abzweigung
zu dem fatal irrtümlichen Rückschluß, daß alles, was der Mensch
denke, deshalb auch Gedanke Gottes sein müsse. Es ist jener, ja ganz
genau jener Fehlschluß, der die gesamte Entwicklung des Denkens und
Sehens des Abendlandes seit der Renaissance, über manche explizite
Eckpunkte wie Luther - Descartes - Hegel, in jene Sackgasse geführt
hat, in der wir heute in so hohem Maße stecken.
***In allen sonstigen Verschränktheiten, drückt sich diese innere Logik, ja Gesetzmäßigkeit des Wissens als Teilhabe in der Diebstahlsmentalität im Internet ganz deutlich aus: Man plündert regelrecht, um sich zusammenzusetzen, was als dichtes Bild einer Weltanschauung dienen soll. Wo kein Glaube, wo keine Wahrheit als Person, da eben Denkschwäche.
***In allen sonstigen Verschränktheiten, drückt sich diese innere Logik, ja Gesetzmäßigkeit des Wissens als Teilhabe in der Diebstahlsmentalität im Internet ganz deutlich aus: Man plündert regelrecht, um sich zusammenzusetzen, was als dichtes Bild einer Weltanschauung dienen soll. Wo kein Glaube, wo keine Wahrheit als Person, da eben Denkschwäche.
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