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Freitag, 12. Dezember 2014

Merkwürdigkeiten einer Woche (5)

Teil 5) Die Krampuslarve der Gegenwart




Apropos Verrücktheit der Gegenwart: Wie sehr Heimito von Doderer zuzustimmen ist, der einmal in einem Interview die Feststellung machte, daß die Psychologie der Gegenwart unter die Kategorie "Erkrankung des Geistes" fiele, in all den Postulaten nämlich, die ihr gar nie bewußt sind, in denen sie wesenlos dahinfliegt - mehr als hilfsbedürftig  nur noch "Wirkung" als Kriterium kennt, ohne selbst das zu wissen: daß Wirkung ja einen Sinn braucht, um beurteilt werden zu können - beweist ein Artikel aus dem Kurier, auf den Leser J den VdZ hinwies. 

Darin wird von einer Initiative berichtet, wo Salzburger Psychologen Seminare veranstalteten, in denen den Heilwilligen die Angst vor dem Krampus genommen werden solle. Denn was für ein Problem: Menschen hätten vor Krampussen und "Schiarchperchten" immer wieder Angst. Unter dem Ruf "Rettet den Kampus" will man nun diesen in seiner historischen Herkunft gar nicht mehr eruierbaren, in jedem Fall weltweit vorhandenen, offenbar uralten Brauch - der Darstellung des Bösen "als Böses" - vor einem ähnlichen Schicksal bewahren, wie den Nikolaus. Vor dem Kinder ja auch so große Angst hätten, weshalb die Katholische Jungschar sogar dazu anrät, dem Nikolaus seinen legendärten Bart abzuschneiden, um ihn so, babypopoglatt am Kinn, als lieben Guten besser zu implementieren. Ein Vorhaben, das bereits an seinen Voraussetzungen scheitert und bewirkt, was niemand kennt. Und bestenfalls, aber wie meist, in das Qualtinger'sche Fach "Ich weiß zwar nicht, wohin ich fahre, aber ich bin schneller dort" einzuordnen ist.

Daß das Gute sich nur unter Zitten und Bangen ergreifen läßt, es sich nicht getrennt von der unermeßlichen Größe und Majestät Gottes herniederbeugt, dessen Gewalt alle Furcht der Erde sogar noch unendlich übertrifft, herniederbeugt, übertrifft offenbar bereits das Verständnis von Glaube und Gnade, das auch in der Katholischen Kirche alles niederreißt (und niedergerissen hat), was sie überhaupt in ihrer eigenen Gnadenlogik fundiert. Aber wen stört so eine Nebensächlichkeit heut enoch. Außer jene wenigen, die noch Gnade zu brauchen meinen, und sich als zerbrechliche Gefäße begreifen, die in permanenter Gefahr stehen, jederzeit aus eigener Unzulänglichkeit alles wieder zu verschütten. Und dazu gehört sehr explizit NICHT die "Mannschaft" der Kirche. Die hat sich ja offenbar schon Luther angeschlossen, der ja in seiner ab 1517-19 deutlich umgemodelten, ursprünglich noch recht katholischen Theologie nahegelegt hat, den Unsinn der Heilsungewißheit durch die viel gewissere Methode einer stramm psychologischen Selbstmanipulation - Gnade und Rechtfertigung ist dann da und erst dann real, wenn und wo man sie fühlt - zu beenden.

In diesen Seminaren nun wird ihnen diese Angst abtrainiert. Wie das geht? Natürlich, durch Auflösen der kulturalisierten Beziehung Mensch/Person - Wirklichkeit des Bösen (Krampusmaske), durch Auflösung der Persönlichkeit selbst. Durch Rückgriff auf ein angebliches "Ding an sich" (Krampusmasken etc.), in dem nun bewiesen wird, daß es "nichts" ist. Nur - außerhalb des Kulturalen der Persönlichkeit gibt es ja tatsächlich nichts. Persönlichkeit heißt aber, genau diese welthafte Beziehungsebene - das ist erst Kultur - aufrechthalten zu können. Und dazu gehört auch, deren Wesen anzuerkennen: Häßlichkeit, das Böse ist selbstverständlich etwas, vor dem man sich zu fürchten hat! Es zu überwinden heißt also nicht, es aufzulösen, sondern eine dieser Gefährdung (die sich als Angst völlig richtig, "natürlich" ausdrückt) angemessene Reaktion zu entwickeln. Was nur der Einzelne für sich tun kann, dnen in dieser Angst melden sich auch die niemals auflösbaren, immer individuellen Gefährdetheiten und Brüchigkeiten, die jeder hat. Gerade dort übrigens, wo er - in der Schuld - gegen sein eigenes Bestandsgesetz (das Gut, das Sein) verstoßen hat. 

Das Großartige an diesen Bräuchen ist also, den Menschen seiner Brüchigkeiten gewahr zu machen. Die er aber nur bei "Besserung" überwinden kann. Nur so, als Gerechtfertigter, kann er auch dem Bösen widerstehen, und so muß er es auch nicht fürchten. Eine Psychologie, die also diese objektive Schuld gar nicht kennt, ist wertlos, ja gefährlich, weil sie reine Selbsttäuschung ist. Vielmehr führt die Konfrontation mit dem Furchteinflößenden zu einer notwendigen Rückkonzentration auf die eigenen Schuldverhältnisse, und damit zur wahrhaftigen Selbstgründung im Gewissen. Nur dort gibt es diese Ruhe. Die dennoch, mit jedem Augenblick, neu gefährdet ist, es liegt am Individuum selbst. Oh, wie sehr also sind diese alten Bräuche Hinweis auf das tiefe Wissen des Menschen um sich selbst, und um das, was ihn zu retten vermag - der Heilige selbst, wie in der Figur des Nikolaus, das aber immer auch ein Furchterregendes ist. Denn alles Schöne ist zuerst in seiner Erhabenheit furchteinflößend. Alle Schönheit ist auch schrecklich, weil ihr Macht und Gewalt gehört, Welt zu schaffen, zu erhalten, und Welt zu verurteilen und ins Nichts der Hölle zu stoßen. Das Leben in dieser Welt ist selbst deshalb in dieser Dichotomie von Furcht, Angst und Schrecken - und Schönheit und Heil. Und ERST, wenn sich der Einzelne als dazu berufen weiß, inmitten dieses Schrecklichen ein Gut errichten zu müssen, denn das ist ja erst Leben, weiß er auch um seine Relativität und Gefährdetheit, und um seinen Grundzustand als ... Empfangenden, als Hilfebedürftigen. Auch im Schöpferischen, und gerade dort.

Auf die Trottelei aktueller psychologischer Sichtweisen, auf den haarsträubenden Unsinn solchen Vorgehens, wie im Artikel beschrieben, argumentativ näher einzugehen lohnt die Sache allerdings ja gar nicht. Man müßte - sprichwörtlich - "bei Adam und Eva anfangen", ohne Aussicht, verstanden zu werden.

Vielmehr sei auf Sokrates verwiesen, der da meinte, daß so manche Argumente keine Gegenargumente, sondern nur noch Zurechtweisung verdienen.




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