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Samstag, 2. Juli 2016

Gesellschaftsort als Kriegsbeute

Nach langen Jahren sah der VdZ ihn wieder einmal an, und er sah ihn mit ganz anderen Augen als damals, als er ihn als deutlich jüngerer Mann zum ersten mal gesehen hatte: Den Film "In einem fernen Land - Far and away" (1993) mit Tom Cruise und Nicole Kidman. Wo er noch gewisse Faszination auf ihn ausgeübt hatte. Die einem nun ein nüchternen Blick gewichen war. Der ihm darin ein Amerika zeigte, das stolz seine Grundlagen zelebrierte, den Traum, daß jeder alles erreichen kann, wenn er nur energisch und brutal genug dafür ist. Ein Mythos, der die ganze Welt bereits durchtränkt hat. Es ist der Impuls einer Dauerrevolution, in der nie etwas gefestigt bleibt, wenn man nicht der Sicherung der erreichten Position einerseits, dem Weiterkommen auf höhere Positionen anderseits alles Augenmerk widmet. 

Man sagt hierzulande gerne, daß es in Amerika keinen Neid gäbe, jeder freue sich über das Erreichte des anderen, und stelle selber gerne dar, was er erreicht habe. Das genaue Gegenteil ist wahr. Keine Gesellschaft ist so auf Neid aufgebaut, wie eine Gesellschaft der Revolution. Der Neid ist in Amerika sogar zum Guten des Strebens verklärte Grundstimmung der Gesellschaft, die deshalb jedem die Möglichkeit gibt, ihn schamlos auszuleben, solange er nicht darüber spricht. 

Das hat sogar für die Migrationswelle, die Europa heute erlebt, klare Aussagekraft. Denn sie ist in Zusammenhang mit dem "Arabischen Frühling" zu sehen, der ein Ausbruch dieses Amerikanismus war und ohne neue Medien (als genuiner Ausdruck des Amerikanismus) und deren Illusionskraft undenkbar gewesen wäre. Der Millionen von Menschen bewegt, nach dem vermeintlich amerikanischen Europa zu wollen, mit derselben Nicht-Akzeptanz von Eigentum und Ordnung, wie sie dem Amerikanismus innewohnt.

Hollywood wird und wurde damit zum Propagandainstrument der amerikanischen Dauerrevolution, und hat über die Kraft der Faszination - die in sich noch keinen Sinn trägt, sondern Instrument ist - diesen revolutionären Impuls über die ganze Welt verbreitet.

Amerika (und Hollywood) widerruft in den letzten Jahren zunemend diesen Impuls wieder, oder sagen wir so: Sie würden es gerne, aber es fehlt ihm ein tragfähiger Ausweg. Es bleibt bestenfalls "Gefühl", die "zweite Weisheit" des Pragmatismus, es sich doch noch gut in der Welt einzurichten. Und es bleibt verstiegene, ideologisierte Utopie angeblich möglicher neuer ontologischer Lebensformen, etwa planlos zusammengewürfelter Lebensgemeinschaften. Die vielen Filmproduktionen, die Literaturwerke, die eine neue Bescheidenheit ausrufen, die auf den höheren Wert von  zwischenmenschlicher Qualität, Zufriedenheit, Geborgenheit und gutem Gewissen hinweisen, die zeigen daß der bisherige Weg eine Sackgasse war, zeigen genau das. Denn das Land begreift sehr wohl, daß dieser Mythos eine Lüge war, die bestenfalls für einige wenige aufging. (Das untrügliche Indiz: Die amerikanische Mittelschicht löst sich mittlerweile auf, es gibt bald nur noch die Extreme arm - reich.) Soweit zum rein technischen Gelingen des amerikanischen Grundgefühls.

In Wahrheit war er nämlich nie mehr als eine ausgerufene Dauerrevolution. In dem der kulturelle europäisch-christlich-katholische Hintergrund, der einen völlig anderen Ethos vertritt, auf den Kopf gestellt wurde. Niemand, und das zeigt sich auch im Film, hat eine Verortung als Sendung, alle haben nur irgendwelche Vorstellungen davon, welche Position sie in einer Gesellschaft einnehmen wollen. Und der laufen sie hinterher, lassen alles Gewachsene hinter sich, schütteln den Becher, und würfeln neu um ihre Zukunft. Die enorme Zahl der Verlierer - die überwiegende, weit überwiegende Mehrheit! - wird verschwiegen, wie in der Lotterie zählt nicht einmal eine vernünftige Wahrscheinlichkeitsüberlegung, sondern der Glaube an eine persönliche Auserwähltheit, die zum größten Glück auszureizen ist.

Schon in diesem Film, der genau die Faszination dieser Mentalität darstellt und zu verbreiten sucht (was man an den positiven Identifikationsfiguren erkennt), und er tut das sogar gut, zeigen sich die gravierenden Fragwürdigkeiten, die sich damit verbinden. Es zählt überhaupt nicht, ob jemand für den neuen Stand alle charakterlichen Eigenschaften mitbringt, es gibt nicht eimal eine Standesordnung, die alte wurde ja außer Kraft gesetzt, es zählt schon gar nicht (!), ob jemand wirklich der "beste Landwirt" wäre. Es zählt, wer die stärksten Ellenbogen hat, und das ist in der Regel genau der NICHT, der die inneren Befähigungen für das zu Erreichende hätte. 

Der gesamte Ethikcodex des Abendlandes wird dabei entsorgt. Die Mär von einer Gesellschaft, in der die Leistung zählte, ist eine glatte Lüge, gerade in libertären Gesellschaften. Sie führt im Gegenteil dazu, daß der wirklich Befähigte sich dem Ehrlosen unterwerfen, sich ihm bis zur letzten Konseuquenz, dem Sklaventum, andienen muß, will er und die ihm Überantworteten überleben.  

Denn in so einem "fernen Land" gilt die Taktik des Terroristen, dem jedes Mittel recht ist, weil es den Zweck heiligt. So wurde Amerika zu einem Land, in dem nicht der Tüchtigste (im eigentlichsten Sinn) zählt, sondern der, der am besten versteht, den Tüchtigen für seine Zwecke zu benutzen. Es zählt der, der am besten vorzuschützen vermag, daß er so zu tun vermag, wie jene tun - um sich so das Vertrauen zu erschleichen, das ihm in jene Positionen verhilft, in denen er dann die Leistung des Tüchtigen für sich benutzen kann. Amerika wurde so zu einem Ort der Plünderung. Nicht durch das Eindringen der Europäer generell, sondern durch das Abstreifen von deren Ordnung. 

Denn dort "wurden sie nicht gesehen", dort war Dunkel, dort wurde jede Gegenwart zum Dunkel. Es zählte nur ein Morgen. Dann erst würde wieder alles gelten. Und es zählte der, der am geschicktesten vermochte, dieses Gelten - das immer ein Wiederaufrufen der alten europäischen Ordnung ist - wieder auszurufen. In dieser Dichotomie steht Amerika bis zum heutigen Tag - wann gilt etwas, und wann NOCH nicht. Eine Haltung, die sich 1861/65 über den Sieg des Nordens über einen weit stabileren, abendländischeren Süden etabliert hat.

So entwickelte sich endgültig eine Gesellschaft der Wurzellosen, der Verantwortungslosigkeiten mangels gewachsener, selbstverständlicher sozialer Verbindlichkeiten, in der niemand einen Ort für sich weiß, den momentan gerade innegehabten nur als kurzzeitige Dekoration benutzt, bereit, ihn jederzeit wieder zu wechseln, ständig am Sprung, vielleicht doch "einen besseren" zu erlangen. So ein Land MUSZ ein Handy, die social media erfinden, die Kulmination eines Daseins in jederzeitiger Verfügbarkeit, die Kulmination des Augenblicks, der nie mehr besessen wird, die Perennierung eines ständigen Übergangszustandes zugunsten einer vagen Hoffnung, der nächste Moment könnte besser werden, die Gegenwart könnte Verschwendung sein. Sie versetzte die ganze Welt in einen Schwebezustand, in der sich alles von Wert in einer erhofften Zukunft abspielt, die irgendwann dann auch eine stabile Ordnung sein würde. 

Und verfehlt in dieser Haltung aber die Welt in einer Totalität, die einen Abendländer im wahrsten Sinn ungläubig den Kopf schütteln macht.







Die Szene der "Landnahme" durch Einwanderer, die sich in einem gewaltigen Rennen um geschenktes Land zusammenfinden. Eine Zukunft hat nur, wer brutal genug ist, sich gegen ander auch mit grenzenloser Gewaltbereitschaft durchzusetzen. "Zwischenzeiten", die jede Moral aufheben, um dann wieder mit Moral weiterzumachen. Sofort im Anschluß daran, mit der Okkupation von Land, muß erst recht wieder Moral und Gesetz, gelten, sonst wäre es kein Besitz.







Dieses Filmgeschehen greift auf historische Begebenheiten zurück.









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