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Mittwoch, 13. Juli 2016

Unfähige sollen rasch aus dem Amt entfernt werden

Nun ist das natürlich nicht so ohne, was man Hillary Clinton vorwirft: Sie habe während ihrer vier Jahre als Staatssekretärin (unter Obama) für Äußere Angelegenheiten Staatsdokumente - und darunter etliche ausdrücklich als "vertraulich" bzw. Geheimsache gekennzeichnete Dokumente - über ihr privates E-Mail-Konto gehandhabt. Nicht nur auf ihre privaten Mailkonten übertragen, sondern von dort auch weitergeschickt. Clinton hat das alles bestritten. Doch die Untersuchung durch das FBI erbrachte, daß sie gelogen hat. Denn nachweislich ist das alles geschehen. Ein weiterer Teil solcher Amtsverletzungen ist anzunehmen, aber kaum noch nachzuweisen.

Uns Europäern ist solch ein Amtsversagen in der Bedeutung, die es in den USA hat, nur wenig nachvollziehbar. Denn in Europa werden Amtsmißbrauch und Amtsversagen (etwa der Art Hillary Clintons) kaum verfolgt, bestenfalls im Parlament "diskutiert", und als äußerste Konsequenz werden die Missetäter öffentlichen Gerichten ausgeliefert. Dazu werden in den meisten Parlamenten Europas Schritte gesetzt wie "Aufhebung der Immunität" etc., das eigentliche Gerichtsverfahren erfolgt also später und außerhalb der Parlamente als Sache der ordentlichen Gerichte. Und dort hat es für die Privatperson des Politikers dann entsprechende schwere Folgen, bis hin zu Gefängnisstrafe. Schon das ist ein Grund, warum man sich solche Schritte meist lange überlegt, daß sie immer politischen Parteieninteressen unterliegen, und man nur wirklich schwere Fälle so behandelt.

Das ist den USA anders, schreibt Tocqueville. Wo sämtliche Personen der Verwaltung und Politik gewählt und bestimmt werden, und zwar auf Zeit. Dafür sind sie für ihre Amtsführung direkt haftbar - aber anders. Denn es gibt eine gewissermaßen '"politikimmanente" Justiz, die mit der öffentlichen Justiz nichts zu tun hat: Der Senat untersucht und entscheidet und urteilt über Staatspolitiker. Es gibt in Fällen politischer Justiz in den USA keine Gewaltenteilung.

In Österreich könnte man das in etwa mit dem Fall vergleichen, wenn der Bundesrat (als Länder- bzw. Regionalkammer, als welche er ja eigentlich auch die Aufgabe hat, dem Parlament und seinen Gesetzen kontrollierend und korrigierend entgegenzustehen, ähnlich wie in den USA der Senat - Senatoren vertreten auch jeweils einen Wahlkreis, jene Einheit, die die Gemeindebene zusammenfaßt, sie stehen also "unter direktem Druck des Volkes," das ja auch "seinen Senator" wählt*) die Vollmacht hätte, Abgeordnete der Bundesregierung aus dem Amt zu entlassen. Solch ein verurteilter Politiker dürfte nie mehr ins Parlament und nie mehr in eine Bundesregierung.

Aber darin ist die Justiziabilität gegenüber Politikern wesentlich leichter, und sie wird auch viel öfter angewandt, greift auch in europäischen Augen eher geringfügigere Vergehen - etwa solche reinen Amtsversagens - auf. Sie ist dafür in ihren Konsequenzen vergleichsweise milde: Sie mündet in der Regel in eine Amtsenthebung sowie in ein damit verbundenes Verbot, jemals wieder ein Amt auszuüben. Das gilt auf Gemeindebene ebenso, wie auch im Senat bzw. dem Kongress. Die alle selbst das Gerichtsforum für solche Verstöße bilden. 

Nur, wenn nachweislicher oder schwerer Schaden an Personen entstanden ist, also private Klagsbetreiber auftreten, befassen sich ordentliche Gerichte damit. Das sind aber in der Regel kostspielige und unsichere Prozesse, weshalb sie eher selten sind. Aber der Grundgedanke der politischen Justiz in den USA ist weniger, die Person nachhaltig und privat zu bestrafen oder gar zu zerstören, sondern unfähige Personen möglichst rasch aus dem Amt entfernen zu können. Deshalb diese leichtere und viel öfter übersprungene Hürde, deshalb die Separatjustiz gegenüber der öffentlichen Justiz. 

Während es in Europa höchst selten ist, daß sich Politiker (oder hohe Verwaltungsbeamte) für ihr Versagen auch persönlich, rasch und mit der Androhung von Konsequenzen verantworten müssen. Und wenn, findet an sie übermorgen in einer anderen hohen Position wieder. Für ein Versagen wie das Hillary Clintons, die offizielle, vertrauliche Amtsinformationen in tausenden Fällen und über lange Jahre privat verwaltet und auch weitergegeben hat - etwas, das auf jeder Amtsebene in den USA strengstens verboten ist und unweigerlich verfolgt wird -, wären in Europa wohl kaum ernsthafte Konsequenzen zu befürchten. 

Im Normalfall also, und wenn alles seinen normalen Weg geht, müßte Clintons politische Karriere durch diesen schweren Fehler ein für alle mal beendet sein.





*Das US-Präsidialsystem, in dem der Präsident direkt gewählt und mit viel Macht ausgestattet ist, sollte von Anfang an bewirken, daß die Zentralregierung bzw. der US-Staat rasch und mit viel Kraft (v. a. außenpolitisch; ihm untersteht auch die Armee) handlungsfähig ist.




*070716*