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Sonntag, 31. Juli 2016

Von Kreuzesscheu und logos, also: von der Welt (3)

Teil 3)




In dieser Hinsicht gibt es keine aufgeweichten Ränder, hier gilt sehr wohl ein "entweder - oder" (kaholisches.info). Wenn der Papst, der wieder einmal glaubt, von etwas viel zu verstehen, ohne daß das der Fall ist, die Rigorosität (kath.net) anprangert, so weiß man wieder einmal nicht, was er überhaupt meint. Denn in den Ideen gibt es keine Abstriche. Abstriche gibt es zwar in der von der Klugheit gebotenen Härte der repräsentierten Forderung, gewiß, möglicherweise, aber diese Milde kann nie heißen, das Ideal aufzugeben und sich mit weniger zufrieden zu geben. Verantwortung kann immer nur heißen zu wissen, dem vollen Ideal verpflichtet zu sein, und in aller Klugheit und Gemäßheit die einem Gegebenen auf dieses Ideal hinzuleiten, weil nur im Ideal die volle Erfüllung ist und das einem Meistmögliche in dem Moment gar nicht mehr erreicht werden KANN, in dem das Ideal herabgesetzt wird. Was also genau nie erlahmen darf ist die Orientierung am Ganzen. Hier kann es gar keinen Realismus geben, der sagt: Gut, legen wir die Latte eben niedriger, geben wir die Spannung zum logos hin auf und kalkulieren wir mit dem "geringeren Übel".* Nur darin wird das Mögliche möglich.

Der Rest ist ohnehin immer in Gottes Gnade und Barmherzkigkeit geborgen.

Christsein, ja Menschsein wird erst möglich, wenn da Kreuz angenommen, diese Kreuzesannahme zur alltäglichsten, natürlichsten Haltung - zur Tugend also - wird.  Erst dann bleibt Wirklichkeitsoffenheit, Begegnungsoffenheit bestehen, selbst dann, wenn der andere zusticht. Erst so aber wird sogar Sachorientiertheit, klares Denken (in weltlichen wie geistigen Dingen) möglich. Die heutige so verbreitete Haltung, ihm auszuweichen, zeitigt eben die entsprechenden Folgen. Denkverweigerung, irrationale Gefühligkeiten als Basis eines Urteils, immer aggressivere Forderung nach Fernhalten von Kampf und Auseinandersetzung, nach Abglätten der Lebenstatsachen, nach Rundumversicherung gegen alles und jedes Leid im sogenannten Sozialstaat, als "Pazifismus" - wie oft überhaupt ist diese Kreuzesscheu in das Gewand moralischer Überlegenheit gefaßt! - oder "habt Euch alle lieb"-Verwirrung.

Und schon gar wie jene Christlichkeitssimulationen wie in den vielen Protestantismen und Freikirchen und Charismatiken, die gleichfalls ein Christentum ohne Kreuz verkünden, wo das Kreuz bestenfalls als Bewältigungsstrategie für einzelne Unbill herhalten muß, aber die sogar verkünden, daß Christentum eigentlich hieße, auch ohne Kreuz auskommen zu können, weil ja alles so froh und glücklich sein könnte. Welche ein Irrtum! Welch eine Vermessenheit. Welch eine Häresie.

Gestalten, Beziehungsformen werden vermieden, und sei es durch Unbestimmt-Halten (man denke nur an dieses allerorten bereits üblich gewordene "Hallo" - in dem man jede Beziehungsdistinktheit und dmait jede Forderung daraus vermeidet), verhüllt, alles wird getan um sie (und vor allem Beziehungs-Forderungen) zu annihilieren, denn sie benötigen eben jenes Hinausstrecken der Selbstaufgabe, wie sie das Kreuz bedeutet. 

Und eine neue Moral wird verankert, die alle diese Unbestimmtheiten, in die man die Welt (die so zu gar keiner Welt mehr wird) versinken läßt, um sich Mühe zu ersparen. Man denke nur an dieses widerliche Wort von "in einer Beziehung" sein, die aus genau diesen Gründen schon so weitgehend die Ehe ersetzt hat. Ja, der der Bestimmtheit verlangt, wird sogar zum Übeltäter erklärt. Während ein immer mächtigerer Apparat aufgebaut wird, der das eigene Glück VOM anderen, durch ihn garantieren soll, sonst kann er durchaus gleich mal gehen?

Es ist eben überall dasselbe: logos, Maske, Rolle, Amt (auf welcher Ebene immer man es betrachten möchte) wird ignoriert, jede Spannung dazu vermieden, denn das erforderte Sittlichkeit (was man durch singuläre "Moral" behübscht), und durch eine faktische Verirdischung eines diffusen "Persönlichen" (als Subjektivismus) ersetzt, das vor allem eines ist und garantiert: Spannungslosigkeit, Mühelosigkeit, Zufälligkeit ... und damit: Nicht-Gestalt, Nichtigkeit der Welt. Welt wird zum Traum, und der Traum soll nie mehr enden. Wehe denen aber, die ihn stören.
Aber es gibt eben, wie man so sagt, kein "ein bißchen schwanger". Es gibt keine Welt ohne Welt, die nur aus dem Kreuz wird. Es gibt keine Ding als und in Welt - ohne jene Haltung des Kreuztragens, das diese ständige Spannung auf den logos hin als Welt zur Welt in der Welt fruchtbar macht. Nur im Kreuz liegt jene Wachheit, die Welt und Geschichte macht.

Nachsicht mag angebracht sein, wo man davor zurückscheut, wo es die Erziehung nicht schaffte, diese Haltung des Hinausstreckens zu festigen, warum auch immer, gewiß. Aber dieses Zurückscheuen kann nicht Endzustand bleiben, sondern muß sich dem Möglichen des anderen zurichten, denn das muß der Liebende am anderen wollen: Sein Mögliches! Wie sollte man als Liebe bezeichnen können, wo man zufrieden damit ist, daß der andere sich verfehlt, sich nicht wirklicht? 

Was wäre das für eine Barmherzigkeit, wo man den anderen in dieser Verfehlung sogar noch bestärkt? Was wäre das für ein Gott, was wäre das für ein Sinn, der sich damit zufrieden gäbe, daß dort, wo eine leuchtende Stadt auf dem Berg geplant und gewollt war, für die Gott selbst sogar starb, um als Pharmakon für die Menschen um sich eben diese zur wahren Größe ihrer Sendung zu erheben, wieder und wieder, an dessen Talsohle aber ein zerfallenes Hüttendorf zerlumpter Bettler bleibt die ihm entgegenmurmeln: Na, mehr ging halt nicht, Weltwerden war zu mühsam?

Es ist eine Grundrichtung, die der Mensch einschlägt - oder nicht einschlägt. Es ist aber so grundlegend, daß es den GESAMTEN Lebensvollzug - und damit Wohl und Wehe unserer Kultur - entscheidend, ja einzig entscheidend bestimmt. Es ist das, was man mit Umkehr bezeichnet. Umkehr aber ist die generelle Offenheit fürs Kreuz, und ist damit erst die Hingespanntheit auf den logos. Wer diese Spannung verweigert reißt die Welt ins Nichts.





*Weil der VdZ gefragt wurde, was das denn heiße: "graduelle Gutheit", soll ein Beispiel illustrieren, was Kard. Schönborn bzw. die ensprechende Situationsethik meint: Ein Dieb hat einen Lamborghini Miura gestohlen, weil er ihn haben wollte. Schlechte Tat, keine Frage. Er rast davon, besinnt sich aber, und um keinen Unfall zu bauen (gute Tat) und den Motor zu schonen (gute Tat) fährt er rücksichtsvoll und nicht schneller als 100 (gute Tat), und fährt sogar am nächsten Tag seine Mutter zum Arzt (gute Tat; aber nicht deswegen hat er den Wagen gestohlen, aus Not sozusagen, denn er hat noch einen alten VW). Er setzt also gute Taten innerhalb einer objektiv aufrechten Schuldsituation - er zeigt "graduelle Gutheit". In diesem Fall dient diese graduell gute Tat sogar der Vertiefung der schlechten Tat, in der er verharrt - er fährt länger mit dem gestohlenen Auto. Kommt der Mann nun vor den Richter oder nicht? Die traditionelle Ethik (und Justiz) sagt: Ja, denn er verharrt im Diebstahl. Auch die guten Taten später verringern nicht die Schuld DIESER Tat. Erst wenn er den Wagen zurückgäbe (bereute, Sühne leistete, etc.), wäre er wieder in einer objektiv guten (schuldfreien) Situation, erst dann könne ihm verziehen werden. 

Oder, wie Adorno es sagt: Es gibt kein Gutes im Schlechten.




*100616*