Selbst wenn man die Enzyklika FRATELLI TUTTI als nächste Unsäglichkeit dieses Papstes einstufen muß, die von Irrtümern*, Fehleinschätzungen, Widersprüchen, Wirrnissen und sogar buchstäblichen Ausflügen in den Sozialismus nur so strotzt, würde man ihre Worte 1:1 nehmen.
Weshalb dem Verfasser jener Zeilen, die als Enzyklika hohen Stellenwert haben weil sie Denkimperative aufstellen, das heißt, man muß sie ins eigene Denken einfließen lassen, ob man will oder nicht, denn es ist immer noch der Gehorsam, der den Blutkreislauf der Gnade aufrecht hält, nicht "richtig oder falsch". Was aber nicht heißt, daß man Falsches auch so übernehmen muß. Und Falsches findet sich in Fratelli Tutti in einem derartigen Ausmaß, daß es unmöglich scheint, das alles ausreichend zu besprechen.
Und - es lohnt auch gar nicht. Dafür sorgt schon die höchst ambivalente Sprache und Geformtheit des Dokuments, das wie eine Gummiwand alles und nichts und jedes anspricht, ohne es zu bändigen und zu ordnen. Als wollte der Verfasser gar nicht, daß man sich ernsthaft mit dem Text auseinandersetzt. Wollte er aber stattdessen, wie es der Unvernunft, aber auch der diktatorischen Gewalt gemäß ist, daß der Text einfach widerspruchslos übernommen, angenommen und "befolgt" wird? Das wollen wir mal nicht annehmen, auch wenn es naheläge, so zu denken.
Ah ja, heißt es ja deshalb gleich zu Beginn: Es werde ja nur "geträumt". Und darum wohl auch die Sprache, in der die Enzyklika veröffentlicht wurde. Italienisch. Nicht das Latein der Kirche. Aber gut, Franziskus war ja schon bisher Meister der Verwirrung, was die Gestalt (weil Ort, Bestimmung, Rang etc.) von Dokumenten anbelangt. Und das scheint wohl seine Aufgabe zu sein: Es ist ein Aufruf selbst aufzustehen.
Also muß man viel zwischen den Zeilen suchen, um den Heiligen Geist aufzuspüren, der dann auch der wahre Geist des Gehorsams ist, in dem Fratelli tutti betrachtet werden muß. Der sich in der Tradition der Kirche scheinbar gar nicht finden läßt!
Sogar dem Papst blieb nichts anderes übrig, als pausenlos auf von ihm selbst verfaßte Schriften und von ihm selbst getätigte Aussagen Bezug zu nehmen. Wie es eben bei unkatholischen, ja antikatholischen Aussagen ist. Die nämlich nicht mit dem zweitausendjährigen Lehramt in Übereinklang zu bringen sind, weil sich zu viele Aussagen nicht weiterbauen, was "nirgendwo gesagt wurde".
Wie soll man also dazu stehen, daß selbst Papst Franziskus "Belege" dafür nicht finden konnte, daß er mit seinen diesmaligen Aussagen (die in Laudato Si bereits angebahnt sind) im Strom der Tradition schwimmt? Wenn, dann ist es also eine Tradition, die er selbst erst begründet hat. Was natürlich eine contradictio in adjectio ist.
Aber irgendwo muß er doch sein, dieser Strom, es ist doch der Papst? Irgendwo muß doch auch bei diesem Papst das Katholische zu finden sein, wie auch Kardinal Müller meint, der es offenbar auch einfach satt hat, ständig mit unkatholischen Papstaussagen konfrontiert zu sein?
Und sei es und sei es eben ... in der Dialektik. Zum ersten Beispiel. Was nichts anderes heißt als daß der Heilige. Geist im Widerspruch, den etliche der päpstlichen Aussagen erregen MÜSSEN, weil sie unkatholisch sind. Und das Katholische ja nicht einfach ein willkürliches dogmatisches Gebäude ist, so wie die Spielanleitung von Backgammon, sondern weil das Katholischsein seinem Wesen nach in der allgemeinen menschlichen Vernunft lebendig ist. Sodaß nicht-katholisch-sein immer auch heißt: Unvernünftig sein!
ABER der Widerspruch hat noch eine ganz andere Eigenschaft, und auf die kommt es uns an dieser Stelle an. Im Widerspruch ist der Widersprechende GEZWUNGEN, das Wahre, das Richtige DARZUSTELLEN. Zu sagen, zu leben, zu zeigen, welche Daseinsebene auch immer.
Was nichts anderes heißt als daß der Apologet insofern "mehr" Mensch wird, weil es (historisch, also in der Zeit) kein statisches Menschen-Dasein gibt, sondern weil Menschsein immer ein actu ist! Das heißt, daß nur der Mensch lebt (und in der Wahrheit sein kann), weil und soweit er sich selbst (!) bewegt. Sagen wir es simpel: Nie ist der Mensch so lebendig als dort, wo er widerspricht.
Das bedeutet, daß wir unter diesem Papst - und hier ist tatsächlich der Ort, wo wir vor ehrfürchtigem Staunen vor der Größe und Weisheit Gottes in Lobpreis ausbrechen müssen! - zu einem Christkatholischsein aufgerufen sind, in dem wir das Katholische pausenlos selbst suchen (und hoffentlich finden) müssen, um es dann lebendig wie noch nie in die Welt hinein zu stellen. Und das ist keineswegs zynisch (oder sarkastisch) gemeint!
Werden wir jetzt aber wieder konkret, und kommen wir zu FRATELLI TUTTI, die Papst Franziskus am Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi am 4. Oktober 2020 promulgiert (also auf die Menschheit losgelassenen) hat. Seiner somit zweieinhalbten Enzyklika. Bei der ersten, LUMEN FIDEI, herausgegeben 2013, hat noch Benedict XVI. mitgeschrieben. Offiziell zählt sie aber für diesen Papst, der 2015 noch LAUDATO SI herausgab.
Und benützen wir dieses vom Umfang her einem Buch entsprechende Dokument genau so, wie es schon in den ersten Absätzen angeraten wird: Als Traumlandschaft und als Steinbruch. Letzteres heißt nicht mehr und nicht weniger als daß wir hergehen, und Bestandteile, Sätze, Worte, Aussagen ohne jede Rücksicht auf einen Gesamtsinn herausnehmen. Denn einen solchen Sinn hat diese Enzyklika nicht.
Alles, was als "seine Aussage" (also "sein Sinn") bezeichnet wird, sind posthoc hinein- oder drübergeschobene Sinnkonstrukte mehr oder weniger Gutmeinender. Die hartnäckig davon ausgehen, daß es doch in einem päpstlichen Lehrschreiben doch so eine durchgängige, einzige Aussage geben muß. Der VdZ sagt es frei heraus, und das gilt für dieses gesamte Pontifikat, daß man bei diesem Papst den Sinn (logos) ganz woanders suchen muß als in seinen expliziten Aussagen und Lehrschreiben. Diesen Papst kann nur noch jemand begreifen, der bereits katholisch IST, und der bereit ist, Franziskus nur auf der Ebene dessen DASEINS als Autorität in sein Herz aufzunehmen bzw. dessen Tore zu öffnen.
Und in diesem Punkt hat der VdZ eine Überraschung für jene bereit, die meinen, der VdZ, der anfänglich Papst Franziskus schärfstens und fast verzweifelt kritisiert hat, und sogar so scharf analysiert und als hochgradig schizoid erkannt hat. Schizoidität aber bedeutet, daß ihr nur mit Wesensbezogenheit begegnet werden kann.** Und diese Überraschung hat zum einen mit dem Wesen der Schizoidität zu tun. Denn der Schizoide verwendet formal (und formell) die Wahrheit. Er setzt sie nur für seine Lüge ein. Somit ist das, was wir in dieser Enzyklika finden, nichts anderes als Folgendes, und das ist nicht nur gut, das ist er, der Heilige Geist:
In Fratelli tutti öffnet der Papst das Denken auf einen Horizont hin, der das menschliche Leben und Wirtschaften, ja das Menschsein überhaupt, wieder in einen kulturellen Kontext einordnet, der so "revolutionär" ist, weil er ein radikales RESTAURIEREN des Abendlandes bedeutet. Das nicht weniger ist als ein Zurücksteigen ins Hohe Mittelalter.
In Fratelli tutti gelingt es dem Papst zwar NICHT, eine Vision zu entwerfen, wie er es verspricht, wenn er gleich zu Anfang von "Träumen" spricht - auch das entspricht dem Wesen des Schizoiden, daß er seine expliziten Ziele nicht nur verfehlt, sondern zum Gegenteil geraten läßt - aber wir erkennen tatsächlich dieses "Träumen".
Und wenden uns jenen Träumen zu, die unserer (bzw. einer) Kultur nicht nur einzig sinnvolles Ziel sein können, sondern die darin an das Wesen unserer eigenen abendländischen Kultur anknüpfen weil entbergen.
Technischer Hinweis: Die mäandernden, in diesen Mäandern aber jeweils eigene Seen bildenden, also durchaus für sich stehen könnenden Anmerkungen stehen nach dem zweiten in den dritten und letzten Teilen, in zwei Tagen, zu lesen.
*071020*
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