Markt Sankt Gallen (Obersteiermark) |
Eisenerz ist ja auch nicht weit. Diese alte Stadt, die ich in der Kindheit noch als "große", vor allem wichtige und prosperierende Stadt der "Erzfurche" erlebt hatte, die über den Alpenpaß zu den Eisenstädten Leoben und Kapfenberg verlief. Eisenerz hatte damals fünfzehntausend Einwohner. Und ist heute, nachdem der Eisenabbau durch Maschinen erledigt wird, auf fünftausend geschrumpft ist.
Wir hatten sogar einen der Dachstühle der alten, wunderbar atmosphärischen Gebäude der Papierfabrik - alte Gewerbebetriebe haben einen ganz eigenen Flair - abmontiert und mit Traktor auf die Alm geschleppt. Als Bauholz wer weiß wofür. Naja, was nimmt man nicht alles geschenkt.
Ehem. Vogtei v. Stift Admont - Ruine Gallenstein |
Und die gab es früher, in jedem Tal, in jedem Kleinraum, und damit im gesamten Alpenvorland, das eine verwurzelte Bevölkerung aufwies. Die Rede ist von jenem Landstrich am nördlichen Rand der Alpen, wo das Flachland ins Gebirgige übergeht. Also nicht Fisch, nicht Fleisch, sozusagen, aber entzückend in den Kleinigkeiten und Details. In so gut wie jedem jedem der zur Donau entwässernden Flüsse, in deren Tälern bestanden viele Jahrhunderte lang blühende Sozio- und Biotope, und unter anderem gab es Papierfabriken. Neben dem Eisen eine der Lokomotivenbranchen, die einen ganzen Zug an Waggons einer Folge- und Zulieferwirtschaft angehängt hatten. Und einen je ganz eigenen Menschenschlag hervorbrachte, den man sogar an der Dialektfärbung erkennen konnte.
Es gab ja alles, als Gottesgeschenk. Denn Gott schenkt dem Menschen immer und überall alles. Er setzt ihn immer in ein Gewebe der wechselseitigen Ernährung, wie es der Schöpfung eben entspricht. Sodaß er immer an seinem Geburtsort findet, was er zum Überleben braucht. Auch wenn es nicht immer ganz leicht zu finden ist. Aber alles, selbst das Schwierige hat ja auch seinen Sinn.
So fanden die Menschen auch im Laussatal, wo Sankt Gallen liegt, was sie zum Überleben brauchten. Holz, Wasser, damit mechanischen Antrieb und später Elektrizität. Für Eisenhämmer und Pressen, für Schleifmühlen, Walzen und Kalander, für Rüttelsiebe für die Büttenpapiere, und die Reißwölfe des jahrhunddertelang hervorragend funktionierende Recyclingsystem, das der Altextilien und des daraus gefertigten Lumpenpapiers.
Geschaffen wurde immer viel. Denn vor allem gab es hier arbeitsfreudige weil sozial verwobene, mit dem Land und seiner Topographie verwurzelte weil davon geprägte, darauf zu geformte Menschen. Die ihr Tagewerk nicht "wegen des Geldes" erledigen, sondern weil sie dort leben, ihre Kinder großziehen und ihr Haus bauen wollen, wie es jeder Mensch eben will. Und dazu gehört Arbeit und die Aufgabe, die man vorfindet. Auf jeder Ebene des Daseins geht es ums Ewige, sozusagen, und dessen irdischem Schatten, der Nachhaltigkeit, von der heute so viel geredet wird. Wen wundert es da, daß man in diesen Tälern sogar heute noch viel Frömmigkeit antrifft?
Ein Heute, in dem man staunend sieht, wie viele solche kleinen "Industrie"betriebe es noch bis vor siebzig, neunzig Jahren hier gegeben hat. Sodaß man noch eine Vorstellung davon erhalten kann, wie eng Arbeit, Sinn, Verwurzelung, Innovation und Produktivität zusammenhängen. An diesen und um diese Betriebe hat sich das Gemeinwohl unserer Heimat aufgerichtet, von dem wir heute zehren. Aber eben - NUR noch zehren.
So weit weg ist diese Aura des Aufbauens, der wirklichen Produktivität, so weit entfernt stehen wir zum wirklich Sozialen, so entfernt ist jeder Bezug zu Substanz, daß der Normalbürger sich heute eine solche kleinteilige und verwurzelte Wirtschaft gar nicht mehr vorstellen kann.
Er kann sie nur noch "erträumen". Und in utopistischen und ideologisierten Phantasien "ausmalen". Aber dieses Ausmalen ist schon verräterisch. Es verrät sich in Zusätzen wie "jaaa, früher schon, aaaber ...", in denen man auswählt. Denn wir wissen es heute ja besser. Alles wissen wir besser, denn wir sind so mündig geworden. Eben. Mündig. Losgetrennt von den Pfründen, aus denen Wissen stammt - das übernommen werden muß, will es überhaupt Wissen sein.
Aber in diesem sinnentleerten Gerede, in dem wir uns heute bewegen, in dem wir "denken", "meinen", alles "frei", fällt nicht auf, daß genau das, was Gemeinwohl gedeihen und solche Soziotope, ja "Heimat" entstehen läßt längst abgelehnt wird.
Die wesentlich ein Gewebe aus zwischenmenschlichen, persönlichen Verbindlichkeiten und einer darauf wie daraus bezogenen Verhaltensregel, also Moral sind. Denn der Preis dafür ist den heutigen Menschen zu hoch: Hingebende Bindung, die wiederum Gehorsam bedeutet. Mit "Wasch mich, aber mach mich nicht naß!" läßt sich aber nichts aufbauen. Nur formlos phantasieren.
Das Papiergeschäft erledigen heute (und da ist diese Branche nur symptomatisch, gleich wie alle übrigen) ganz wenige, dafür riesige, globale Konzerne. In Europa sind es zwei oder drei, die die Branche abdecken. Die aber nicht nur so groß sind, daß sie Staatsbedeutung haben, sondern selbst wiederum riesigen globalen Finanztrusts gehören, die über der Erde schweben weil nirgendwo mehr zu Hause sind.
Alle sie gehören wiederum Gold- und Diamantenriesen, wie de Beers* einer ist. Dem (über den Mondi-Konzern) auch die Neusiedler gehört, in deren einer Tochtergesellschaft der VdZ vor siebenundzwanzig Jahren als Quality Assurance Manager und Controller gearbeitet hatte. Die selber der Grund dafür war, daß eine der kleinen Papierfabriken nach der anderen mangels Rentabilität (die irgendwann nur noch als spezifische Geldproduktion gesehen wurde) aufgegeben werden mußte.
Man kann aber nicht zwei Herren dienen, Gott UND dem Mammon. Man muß sich für einen von den beiden entscheiden, sie sind nicht vereinbar. Und wir haben uns entschieden.
Teil 2) Wirtschaft und Politik brauchen nur noch eines: Geld