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Donnerstag, 26. August 2021

Gedankensplitter (1201)

Es hat etwas von Peinlichkeit, aber von einer Peinlichkeit die uns verordnet ist, zu sehen, daß so häufig Kinder roter Eltern, die gar noch mit einer Karriere im Beamtenstand zu Ansehen und vor allem Wohlstand gekommen sind, nach Absolvierung ehrgeizigster Studiengänge, samt Auslandsaufenthalten und Praktika bei Google, daß also solche, Hervorkömmlinge also später in Stellungen und Berufe kommen, in denen sie zwar genauso wie die Eltern abseits stehen, aber von dort der Welt sagen, wo es lang zu gehen hat.

Nämlich in einem liberalistischen Kapitalismus, der am Reißbrett entworfen eine Freiheit fordert, die in Wahrheit der Aufruf zu perfidester Skrupellosigkeit ist. In der die Mittel gleichgültig sind, mit denen man "nach oben" kommt, und deren Weg immer mit Leichen gepflastert ist. 

Die eine Grammatik vorschreiben wollen - und mit Haken und Ösen und der ganzen Schläue blinden Ehrgeizes darum kämpfen, daß diese von der Politik auch zum Programm gemacht wird - die noch nie die Luft der wirklichen Welt geatmet hat. Aber mit cleverer Rhetorik der Menschheit erklären will, wie die Dinge zu laufen hätten, damit alles "gut" würde. Rezepte, an die sie in keinem Moment wirklich glauben. Schon gar, weil sie sich in keinem Moment als Maßstab ihres eigenen Lebens beweisen haben müssen.

Es fällt auf, daß die Zahl der Menschen, die mit fanatischem Willen der Mitwelt vorschreiben wollen, wie zu leben sei, in den jüngsten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Und es fällt auf, daß dies mit der Zunahme dessen korreliert, was man als "Bildung" bezeichnet.

rnold Schwarzenegger, schreibt die Kronen Zeitung, schimpft über die Coronaleugner und Impfverweigerer. Hätte er nur nie angefangen, seinen Mund weiter aufzureißen, als sein "I'll be back!" im Film vorgegeben hat. Aber in einer Welt, die allen Männlichen gegeben zu einer Karikatur des Weiblichen, nach matriarchalen Gesetzen geformt wurde, die Männer vorantragen, um sich selbst das Mannsein zu ersparen, meinte er halt instinktsicher, daß er es mit derselben Materie zu tun hat wie jener, die er zuhauf (wie man oft genug las) auf seinen erigierten und angeblich - wie alle Weibischen, denn das Steuerungsinstrument mußte oft genug bedient werden, um diese Karriere im Schau-Gewerbe (hier trifft das einmal wirklich zu) hinzulegen - sehr großen Prügel aufspießte.

amals hatte ich ihn sogar respektiert, auf seine Art war er unterhaltsam und burlesk-echt. Bis er anfing, sich ernst zu nehmen und für einen Schauspieler zu halten. Da begann er dann auch, sich zum Intellektuellen ausbilden zu lassen. Denn das geht heute tatsächlich, versteht man es so, wie es die Intellektuellen selbst heute verstehen, was sich völlig trifft ... denn heute kann man auch für Schwarzenegger nur noch Verachtung empfinden. Schon gar, wenn er mit Bildern in die Zeitungen tritt, die ihn mit (typisch) herzkrank-verzerrtem Mund auf einem Fahrrad einen Hügel hinauf kämpfen zeigen. 

QR Kronen Zeitung
Kurz bevor er einem Kanzlerburscherl gegenübertritt, das mit der Bedeutung des Moments angemessen gefalteten Händen vor ihm steht (und im Hinterkopf schon vorformuliert, was er später diesen und jenen erzählen wird, wobei vor allem das: Daß auch Arnie total normal und superlocker ist), für Klaimäddschäensch-Ätschenda und jetzt auch noch Kouvied-Väkzien zu fordern. Seine Segel gebauscht mit dem Rückenwind, der uns Kriegsgeschädigten eigen ist, die wir dem Amerikanischen einen Nimbus zuordnen, der religiös gefärbt ist. Was Schwarzenegger macht, ist deshalb gar nicht selten zu sehen: Österreicher, die in den USA scheinbar "etwas gelten", kommen von dort mit den Botschaften der neuen und besseren Welt, der Zukunft. Und der Österreicher trinkt von ihren Lippen wie die Libelle den Nektar aus der Hutschachtelfrikadelle. 

Nicht nur das - diese Amerikaherkömmlinge, die in den USA frustrierte Langeweile schieben, spielen sich in dem Moment, wo sie in ihre "Heimat" kommen und von den Kleinbürgern angehimmelt werden, wie die Götter selbst auf. Daß sie oft völligen Stuß erzählen (weil mit ihrem Denken auf US-Niveau stehen, und das ist, mit Verlaub, von ausgesuchter Dürre heimgesucht, wie man ja allerorten liest, ja, richtig, wegen des Klimawandels und so) entgeht dem Bürger, dem Gottseidank die Medienredakteure entsprechen, die ihm diese völlig wurzellose Luftballonwelt auf kostbare Leinwand malen.

eshalb erklärt auch Arnie wie in pathologischem Trancezustand ab dem Augenblick, in dem seine 48er-Plattfüße den Boden des Wiener Flughafens betreten, wie sein Herkunftsland sich zu verändern habe, wolle es in dieser Welt überhaupt noch ein bißchen mitspielen. (Und wer möchte das nicht, mitspielen, zum Göttlichen dazugehören, nicht wahr?) Wobei sie ab und an ein amerikanisches Wort einfließen lassen. Und sich sofort dafür entschuldigen, aber sie gehörten eben schon so zur Tischgemeinschaft des Olymp, daß sie ... "Wi haeszd äs in Dschöamän?"

Das hat sich über die Jahre so hochgeschaukelt - wehe dem Propagandisten, der beginnt, seine eigene Propaganda für wahr zu halten - daß die Steirische Eiche mittlerweile tatsächlich meint, dieser Welt, die flächendeckend auf das Niveau seiner Bumsmatratzen plattiert ist, etwas ganz echt Bedeutungsvolles zu sagen zu haben. Sonst wäre er nicht auf Augenhöhe mit ihr. Und noch vor dreißig Jahren hätte er das nicht erwartet. Da konnte er sich nämlich ein Stück weit noch besser in einem absoluten Maßstab einordnen.

ber des Entsetzens ist offenbar noch nicht genug an diesem Tag. An dem ich von Gustave Thibon so wunderbare Aphorismen las wie jener, in denen er über die Scham spricht. Sie sei auf den Umstand zurückzuführen, daß der Mensch in der Ursünde sich selbst (von Gott) gestohlen hat. Und seither wie ein Dieb versucht, sich, das Diebesgut, durch Bedeckung zu verbergen. Da fiel mir ein, daß aber heute die Scham praktisch verdunstet ist. Und die Stimmen sind noch im Ohr, die seit den 1970ern jeder Schamhaftigkeit ihre Verachtung (und mit welcher Gewalt!) vor die Füße gespuckt haben. Und da graute mir so richtig vor dieser Welt.

Über die ich vor Jahren schon (vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser?) darüber geschrieben habe, daß sie zu einer Gesellschaft von Dieben geworden ist. Wie sehr das stimmt, wird mir nun neu und wie noch nie bewußt.

Und das hat damit zu tun, daß wir unsere Welt zu einem Ort gemacht haben, in dem sämtliche Lebensumstände verrechtet sind. Sodaß dadurch die Größe, das Blut der klaffenden Wunde, keinen Platz mehr hat. Die nämlich nur dadurch Größe ist, weil sie dem Unerwarteten Raum gibt. Die jeden Augenblick als von Gott hereingereichten Moment erfahren will, in dem es um Leben oder Tod gehen kann. Was so pathetisch klingt, ist zwar tatsächlich Pathos - aber es ist jener, den es braucht, weil er unser Leben mit Deutung tränkt. Und da ist das Pathos des Heldischen noch unermeßlich weit über dem des Diebes, der sich sogar noch etwas darauf einbildet, so tief zu stehen. (1) 

as Schwache macht das Starke schwach, damit die Schwäche Stärke wird, läßt der VdZ eine Figur in einem seiner Stücke einmal sagen. Thibon schreibt es ähnlich. Es ist typisch für den Kleinen, schreibt er, für den im wahrsten Sinn Niedrigen (und wir leben heute, neunzig Jahre nach Thibon, in einer wahren Flut von Niedrigkeit), daß er nichts unversucht läßt, um das Primat der Liebe über die Größe zu predigen. Dabei aber spielt er nur sein wahres Spiel: Vor seiner kleinen Eitelkeit, die mit Liebe verkleidet wird, aber nichts anders ist als Bedürfnis nach Entspannung oder Schutz oder hinter der überhaupt gleich nur eine List des Herrschaftsinstinkts steht, die große Eitelkeit zu demütigen, die eben der Abgrund jeder wahren Größe ist. 

Denn es mag sein, schreibt Thibon, daß jede Größe ein zitternder Tanz mit der Eitelkeit ist, den die Größe in ihrem Schatten so leicht mittanzt. Es mag sein, daß das heldenhafte Leben und die heldenhafte Politik, wie Vico es befürchtet, mit der Heraufkunft des Rechts verschwunden, ein für allemal ausgestorben ist. Weil jeder nur noch an die Rechte denkt, die er hat, während seine hochfahrende Plattheit als Königin über dem Universum sitzt.

ber immer noch wäre der Held, der in seiner heroischen Ekstase jeden Moment damit rechnet, daß ein Gott hereinbricht, ein Unverdientes, Geheimnisvolles, ein Unberührtes, das er empfängt oder erobert, unendlich weit über den zu stellen, dessen Rechtsempfinden jede Liebe tötet. Der mit der Berechenbarkeit des Lebens seine tiefste Quelle zum Versiegen bringt: Die Dankbarkeit für Unverdientes, mit keinem Recht zu Forderndes. 

Selbst den Krieg würdigt der Mensch in seiner heutigen Niedrigkeit herab. Wo nur noch für das gekämpft werden darf, was einem "geschuldet" ist. Ja wo an allen Ecken und Enden genau dazu aufgefordert wird, was sogar noch als wahre Geburt des freien Menschen dargestellt wird, aber Hohn und Zynismus ist. Jeder Gewinn aus solchen Unterfangen ist lediglich noch ein vorher bekanntes, katalogisiertes und seiner Jungfräulichkeit beraubtes Gut, das bereits abgestanden ist, noch ehe es in den Besitz kommt. 

Niemand aber marschiert mehr wie die Krieger früherer Zeiten einem ungeahnte, von Fährnissen eines übermenschlichen Schicksals begleiteten Glücke nach, wobei dieses Schicksal jedem alles geben kann, aber niemandem etwas schuldet. Oh, schließt Thibon die Ekloge, oh, wieviel frische Demut ist im Stolz der einstigen Helden!

 

(1) Wenn man das Pathos der österreichischen Kunst ansieht auf jeden Fall. Das sogar so weit gegangen ist, die Niedrigkeit und das moralisch Verachtbare als "typisch österreichisch" zu verkaufen. Und - das Publikum HAT diese Verleumdung seiner selbst gekauft. Die nichts war als das Attentat so vieler, die nichts mit Kunst, aber viel mit Schwarzeneggers Dreschflegel am Hut haben. Der Rest, den es dazu zu sagen gibt, steht im obigen Artikel.