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Mittwoch, 4. August 2021

Selbst Gott gegenüber fremd (2)

Weil wir nach Seinem Bilde gemacht sind, ist dessen innere Dynamik wie bei jedem Schöpfer-Geschöpf-Beziehung auch die unsere, und ist so unser Wesen. Es ist damit unser Schicksal, dieses Bild zu manifestieren. Was nur heißen kann, es als Geschenk anzunehmen. Denn das ist einerseits Schöpfung: Manifestierung. Inkarnation. Und das ist anderseits Welt: Annahme - Es merkmalen aber schon die 68er, und hier vor allem die Frauen Verwerfungen, die sich aus einer Unfähigkeit ergeben, Schuld "loszuwerden". Dieses Schuldloswerden ist damit der Schlüssel zum Verständnis. Der VdZ kennt auch so gut wie keine Frau dieser Generation und der folgenden, die wirkliche Vergebung erfahren hat und sucht. 

Die ein daraus folgendes entspanntes Verhältnis ihrer Schuld - die eine Disposition ist, die deshalb ins Selbst eindringt, als stünde dieses in einer durch ein Sieb geschützten Tauchglocke in einem dreißig Meter tiefen See - gegenüber hat. Weshalb die Frau alles (soll heißen: noch und weiter zunehmend mehr als noch vor vielleicht siebzig oder hundert Jahren) tut, um ihre Schuld zu vertuschen, zu verbergen, wegzureden. Die ihre Identität (und darum geht es vor allem: Als Ort, als Selbstsein in der Welt, als Stabilität und Dauer) durch die Entschuldigungsbitte des anderen, desjenigen, der noch Schuld einzubekennen vermag, der um die soziale Komplexität und Verwobenheit von Schuld und vor allem Sühne weiß, anderen zu erhöhen.) Ohne Schuld aber kein Soziales! (Hier wären auch acht Rufzeichen sachgemäß, wäre das nicht so häßlich weil nackt.** 

Umso mehr ist zur Manie unserer Postkultur (Kultur bedeutet ja vor allem eines: Sie bedeutet, allem und jedem sein "Ich" zu geben weil im Du, als anderes zu definieren! Das ist überhaupt erst Kultur!) geworden, "sich" zu suchen weil es angeblich im Leben und bei der Suche nach dem Glück (als angeblicher Sinn dieses Lebens, und nicht als bestenfalls verstehbarer Ausrutscher) um diese "Fähigkeiten" gehe. Daß seltsamerweise die Erfülltheit nicht mehr, sondern immer weniger geworden ist. Und bei den Jungen überhaupt zum flüchtigen Federchen wurde, das jeder Wind vom Ast zu blasen vermag, auf dem man es sorgsam und mit feinen Fingern platziert hat.
Der eigentliche Vogel aber wird nicht sichtbar, ja immer ungewisser. Er könnte morgen durchaus ein Hund und übermorgen eine Schnirkelschnecke sein. Also ist verständlich, daß ausgerechnet diese angeblich so klar definierte Jugend zu immer mehr, ja fast schon ausnahmslos verwendeten Identitätsmarkern" greift, von Eingriffen in ihr Fleisch, ob im Tattoo, in Ohrdurchbrüchen, eingenieteten Blechhügeln oder ... in Brustvergrößerungen und Lippenaufspritzungen. Man kann es jetzt schon vorhersagen, daß sich über kurz oder lang eine ganze Industrie bilden wird, die ihre Kapazitäten nur noch der Beseitigung solcher Identitätsmarker zur Verfügung stellt. Damit auch die Korrektur von Lippen, die "so gar nicht zum Gesicht passen", was immer das schon wieder heißen mag. 

Der entscheidende Punkt steht aber gleich zu Beginn der Genesis, und er ist die Ansage, wie die Welt ihrer inneren Grammatik nach aussehen sollte. Würde nicht der Mensch "nach seinem Willen" immer dreinpfuschen. 

Dort steht, daß Gott den Menschen "nach seinem Bilde" machte, sodaß er nun ein Abbild Gottes ist. In einer kosmetischen Operation (die somit bis auf wenige Ausnahmen prinzipiell zu verwerfen ist) gestaltet sich der Mensch aber nach "seinem" Willen. Mehr muß dazu eigentlich nicht mehr gesagt werden. Welches "Glück", welche Lebensgeglücktheit will man also davon erwarten, wenn man sich sich selbst entfremdet (weil man im Spiegel immer Gott sucht, immer sucht, was an einem seinem Abbilde gemäß ist); und nur das kann vor allem in der Antwort der Umwelt liegen, die, wenn sie NICHT diesem Abbildhaften entspricht, dem Veränderten immer als künstlich und fremd erscheinen muß. 

Sodaß von der Reaktion der Umwelt das Schlimmste gesagt werden muß, das man von einer solchen sagen kann: Sie wird für die Person irrelevant und bedeutungslos und ist die Verurteilung zu einem Dasein ALS Maske, als Rolle auf der Bühne, deren Autor man selber ist oder sein möchte: Man möchte sich somit das Lebensstück, in dem man spielt, selbst schreiben, ja für immer festschreiben. (Dabei kann jeder Schauspieler die Maske nach Ende der Vorstellung ablegen! Das ist dem solcherart Operierten nicht mehr möglich. Wie beim Tätowierten, hat er sich eine vorgestellte Identität "ins Fleisch geschlagen".) 

Das Ich, das im Du, im Dialogischen entsteht, bleibt somit leer und hungrig, kommt über die Behauptung eines "ein echtes Ich, das aber nicht sichtbar ist!" nie mehr hinweg. Und nichts, kein Wort, keine Geste kann noch diesen Hunger sättigen, der immer ein Fragezeichen aufgeklebt bleibt. 

Möglicherweise erkennt einen selbst Gott - der einen doch ab radice besser kennt als man sich selber, der einem näher ist als man sich selbst - nicht mehr, wenn man ihm nach dem Ableben begegnet. Denn wo wäre dieses "eigentliche Ich" nun geblieben? Es hat sich nicht manifestiert!? Wo wäre vor allem das Werk, nach dem man beurteilt wird?

Zumindest wäre das die größte Angst des VdZ. Und es ist die dringlichste Mahnung, sich als "echtes Ich" der Welt zu stellen. Denn Gott lauert hinter jeder Wolke, hinter jedem Busch, und hinter jeder Gaslaterne, um immer als unerwarteter Gast hervorzuspringen.


**Zeigt das nicht, daß zumindest dieses Symbol, das "Rufzeichen - "!", das relativ spät in unserer Sprache/Schrift auftaucht, aus der Schriftlichkeit entfernt gehörte? Es gibt Schriftsteller, die das meinen. Die meinen, daß der Ausdruck, der im Wesentlichen das Sprechen als Grundlage aller Sprache hereinzuholen und zu ersetzen versucht, vom Lesenden selbst gebildet werden muß. Und zwar deshalb, weil der Inhalt selbst es nahelegt. 
 
So, wie die Zufügung der Vokale. Die ersten Schriften sind Konsonantenzeichen, wie im Arabischen noch bis ins 9. Jahrhundert üblich, wo von Persien aus eine Schriftreform von 17 auf 26 Zeichen erweiterte. Dem VdZ ist aber keine Reaktion darauf bekannt. Aber es gab sie gewiß, die Seelen, die den Unterschied erkannten. 
 
Und diese neue Verschriftlichung ablehnten. Damit begann aber auch der Koran zu einem dogmatischen Buch zu werden, und nicht nur das: Viele Inhalte waren VERGESSEN worden. Die alte syro-aramäische Sprache kannte keiner mehr, und die Erzähler, die eine kontinuierliche Linie der Inhalt gewährleistet hatten, gab es schon lange nicht mehr. Auch durch die enorme Ausweitung der Kultur durch Eroberungen.
 
Aber der Lesende darf sich niemals auf das Schriftstück als ERSATZ für das Sprechen und damit Erinnern beziehen können. Sondern im Gegenteil, er darf nicht aufhören, zu erinnern. Dort nur lebt ein Inhalt: Als Dialog zwischen Figuren. Darum die Erzählform, die alle Inhalte in Geschehnisse und von Personen ausgesagt erinnern läßt.
 
Daraus muß der Mensch, der also nur zitiert und der vor allem weiß, daß er zitiert (was alleine aus diesem Umstand für philosophische Verwirrungen entstanden sind, die unser heutiges Reden und Denken als Kulturstrom praktisch völlig ins Irrelevante abgedrängt haben) Sprechen, vokalisieren, zu denken und zu erinnern muß Bezug auf Vergangenes, hinter dem Gegenwärtigen Stehendes, dieses Formierendes sein. Das ist dann das, WAS der eigentliche Text HINTER DER SCHRIFT ist, den die Verschriftlichung nur erinnern helfen soll. Deshalb die Schrift zuerst als Medium in Rechtsangelegenheiten. 
 
Die Folge, wenn das nicht passiert, spüren wir am eigenen Leib. Und wurde von den besten Geistern unserer Kulturwelt auch sofort, also schon im 10. Jahrhundert, erkannt und wegen seines Zerstörungspotentials abgelehnt. Schon, als sich das "leise Lesen" in den Bibliotheken einzuschleichen begann, die Sprache also aus ihrer Stellung ZWISCHEN (Inter-; Dia-log, Kommuni-kation usw.) Menschen auf abstrakte "geistige Inhalte" reduziert wurde und niemand mehr darauf reagierte.
 
Damit ändern sich aber auch die Inhalte. Zu der Zeit war die Verschriftlichung noch ein durchgängiges Aneinanderstellen von Buchstaben, der als nächstem Schritt in erwähnte Richtung das Einfügen von Leerzeichen, Pausen folgte. Um dann zur Punktuation überzugehen. Der Weg zum Rationalismus, zum lebenslosen und damit lebensfremden Denken als Weg der Kultur war beschritten.