Man kann alle Dinge der Welt und des Lebens auch wie Planeten sehen, die um die Mitte der jeweiligen Menschen (und alle Dinge der Welt drehen sich letztlich um vereinzelbare, individuelle Menschen) kreisen. Alle Irrtümer, alle Sünden, alles Fehlen - und die Menschen und die Welt sind so voller Irrtümer und Fehler, daß man schier verzweifeln könnte, sähe man sich dazu aufgetan, sie alle zu beheben, sie sind dermaßen zahlreich! - kann man sich so vorstellen, daß alle diese Dinge, die um uns kreisen, sich zu verselbständigen suchen. Sie tun es, weil sie aus ihrer eigenen Natur heraus angetrieben sind, sich SELBST zu vervollkommnen.
Vollkommen aber wird alles nur dadurch, daß es in einen ganzen, alles umfassenden Horizont gestellt wird. Man kann einen Teil einer Maschine für sich nehmen und ihn "vervollkommnen". Aber vollkommen wird er erst, wenn er an seiner Stelle sitzt und das hält und befestigt, wozu er überhaupt gemacht (geschaffen) wurde.
Um im Bild zu bleiben: Alles muß um diese Mitte geordnet kreisen. Alles muß dem Ganzen dienen, und nichts darf sich verselbständigen, sondern muß seinen Sinn von dem beziehen, das als Zentrum alles informiert.
Damit wird auch klar, daß diese ordnende Kraft nicht aus der rein in sich bleibenden Natur stammt. Sondern sie kommt von außen, und sie muß von außen kommen. Von einem mehr innen liegenden Teil, bis hin zum Innersten des Inneren, das im Einzelnen der Mensch ist, das aber viel weiter greift, weil auch der Mensch selbst wieder ein Stern in einem unermeßlich größeren System ist. So wird die Notwendigkeit der Gnade verstehbarer!
Erst dieses Hinzukommende ist somit in der Lage, uns in jenen Sinnzusammenhang und damit in jene größere Vollkommenheit UND DAMIT EINHEIT (weil wir eins sind einerseits mit dem Innersten, anderseits mit allen anderen "Sternen", die alle auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind, vom selben Innersten gehalten werden, und somit eins sind, weil sie der Gesamtgestalt dienen.
Zwar kann die (tote) Schraube nicht von sich aus dieses "Wohin-gehören" fühlen, aber ihre rein materiale Welt ist auf dieses Insgesamt ausgerichtet. Die rein vegetative Welt der Pflanzen hat bereits ein Seelisches, ein "weshalb etwas lebt", das ihr die Form gibt, in je unterschiedlicher Weise, je nach Pflanzenart, und je nachdem, wo diese Pflanze "ihren" (besten) Standort hat. Man kann nicht mehr "alles" mit ihr machen, sie reagiert bis zum Absterben, wenn ihre Mitte verfehlt ist. Die sensitive Welt der Tiere ist einen Schritt weiter, sie fühlt bereits, wenn es in die Richtung ihrer höheren Bestimmung geht, und ist dazu bereit, blüht auf, wenn sie in den Gesamtkreis kommt und dem Innersten dient.
Der Mensch kann all das mit seinem Geist erfassen. Er kann es denken, er kann aus sich heraus dieses Innerste anstreben, und er muß aus sich heraus dieses Innerste anstreben. Niemand tut es für ihn. Und dennoch sieht er, daß er immer wieder scheitert, daß er immer wieder von sich aus einer Zentrifugalkraft erliegt, die ihn vereinzelt, und ihn in ein falsches "Vervollkommnen" führt.
Das ist die Erlösung. Sie ist jene Kraft, die uns an diesem Punkt hilft. Aber weil der Mensch frei ist, anders als alle anderen Dinge und Lebewesen der Schöpfung, mußt er eines: Er muß wollen, er muß ja sagen. Denn die Gnade vergewaltigt nicht. Der Mensch muß ja sagen zu jener helfenden Kraft, die ihn in diesen Gesamtkreis schiebt und dort auch hält. Wo er dann viel größere Werke vollbringen kann. Wie die Schraube, die allein nichts vermag, in einer Maschine aber zu deren Leistung beiträgt, in der die Schraube ihren Anteil daran hat, tausend Lochblecke in der Stunde zu stanzen.
Will der Mensch, sagt er ja zur lebendigen Gnade, die da durch Christus in diese Welt (der Kreise) kam, dann kann er, aus dieser "geliehenen" (geschenkten) Kraft heraus, so sie denn kommt (denn sie ist ungeschuldet, sie ist freier Akt des Gnadengebers, zu dem wir Gott sagen) viel Größeres tun als nur "sich selbst vervollkommnen", aus den Möglichkeiten die er (die Schraube) hat. Dann nimmt er sogar an gewaltigen Leistungen teil, bringt fünfzig, hundertfache Frucht.
Mit einem göttlichen Inhalt, an dem wir nun teilhaben, weil wir am richtigen Ort im Ganzen stehen. Ein Ort, der die für uns angemessene und zugemessene Stelle ist, in der wir in jene empfangsbereite Disposition kommen, in jenes Sehnen, die der Spender aller Gnade von unserem Eros angewegt (siehe Hohelied!) sich uns aus der Liebe des Bräutigams heraus zuneigt, um sich an uns zu verschenken und uns damit an Gnade voll zu machen.
Aber wir können noch einen Schritt weiter gehen, die Einzelteile dazu haben wir bereits durchgedacht, die Sprache treibt uns nun weiter: Wenn also der Bestand der Natur (und in diesem Punkt sehen auch wir uns als - rein irdisch gesehene - Natur) von ihrem richtigen Platz im Insgesamt abhängt, weil es sonst vergeht (übrigens: auch wenn es an einen dem Inneren näheren, aber nicht zu ihm gehörenden Platz strebt), wenn es also diesen Platz nur halten kann, wenn ihm eine Hilfe zuteil wird, dann heißt das, daß wir durch die Gnade Einheit haben, und das heißt, daß diese Einheit unser größtes natürliches Verlangen ist. Die Übernatur erfüllt somit die Natur!
Nicht nur das. Letztendlich ist ihr stabiler Zustand erst in dem Augenblick erreicht, in dem sich das Natürliche mit dem Übernatürlichen dauerhaft verbindet.
"Es ist das Wunder aller Wunder: Die Gnade hat die Notwendigkeit besiegt." Francois Mauriac.
Und somit sind wir beim Sakrament angelangt. Das eine dauerhafte Verbindung der göttlichen mit der menschlichen Natur bedeutet. Deren Aufgabe und Zweck es ist, Einheit mit Gott herzustellen. Und die die vn Gott stammende Wunderkraft hat, uns dauerhafte Merkmale einzuprägen, fleischlich werdende Merkmale, die uns in dieser Einheit halten. Die weit mehr als alles bloß Gedachte oder Vorgestellte sind! Die schon gar nicht herbeigeträumte oder -phantasierte Dinge sind! Sondern, die real sind.
Das zu glauben (und dann daran teilhaben zu können, denn Glaube ist ein Sehen, ein Erkennen des natürlich nicht Wißbaren, aber absolut Wirklichen, das also in der Welt Realität bedeutet) ist das Wesen des Christentums, ganz einfach. Wer das nicht glaubt, ist "kein Christ." Ganz einfach. Das heißt, wenn es denn stimmt, wenn es wahr ist (und das glauben wir, damit erfahren wir, daß es stimmt, das heißt, daß wir dann echt wissen und anderen gegenüber bezeugen können), dann ist es ganz real und ein "Mehr" als alle anderen Religionen haben. Die sich zwar genau das wünschen, teilweise mit Methoden (z. B. Selbstsuggestion, Trance wie bei den Sufis, oder durch Drogen, wie auch immer), es aber nicht erreichen.