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Dienstag, 23. Februar 2010

Aberglaube in der Wissenschaft

"Es gibt keinen fester gewurzelten modernen Aberglauben als den, daß die Wissenschaft 'voraussetzungslos' arbeite. Kein Einsichtiger bestreitet, daß Viele ehrlich und unbefangen ein fleißiges Leben in solcher Befangenheit zubringen. Und doch liegt es klar am Tage, daß die vorsichtigste und sicherste Handhabung der 'kritischen', das heißt alle Vorannahmen ablehnenden Methode, vor der Befangenheit nicht schützen kann, die die größte ist, weil sie sich am feinsten versteckt. 

Auch die 'kritische' Methode hat ihre 'Hypothesis', ihre Vorannahme: die, da man eben 'kritisch' an die geschichtlichen Erscheinungen herangehen könne, das heißt, daß 'damals' alles ebenso gewesen sei wie heute. Mit dieser Annahme strömen aber sämtliche Kategorien, die der Untersuchende mitbringt, in die Untersuchung mit ein. Kein Mensch kann von den Kategorien abstrahieren, die mit ihm geboren sind. 

Ein großer Mensch ist immer unbefangen und vorurteilslos, auch wenn er die kritische Methode niemals kennengelernt hat; und ein Virtuose dieser Methode kann immer noch zugleich ein wahres Sammelbecken von Vorurteilen sein. Die wahre Unbefangenheit und Vorurteilslosigkeit liegen in der Art der Kategorien, nicht in der Arbeitsweise."

 

Alfred Bäumler in "Das mythische Weltalter"