Eine sehr informative Buchrezension, die von ihrem Umfang und Inhalt her bereits eine Zusammenfassung der Publikation darstellen könnte, findet sich auf den Blog-Seiten des Eichstätter Vizeoffizials Hw. Dr. Alexander Pytlik.
Darin behandelt der Kirchenrechtler und kirchliche Eherichter den in der besprochenen Publikation "Der Ehekonsens und das Erfordernis des Glaubens. Die Ehe zwischen Vertrag und Sakrament" (von Giuseppe Sciacca) in zwei Bänden wohl umfassend behandelten Umstand, daß eine Ehe hinsichtlich ihrer Intention nicht in "weltlich" und "kirchlich" (religiös) aufgespaltet werden kann. Heiraten zwei Getaufte, so ist der Abschluß eines Ehepakts - und wenn er nur auf dem Standesamt stattfindet - in jedem Fall auch gültiges Sakrament. Diese Feststellung hat ja seit 1910 den Status "proxima fide", der es der Gewißheit eines Dogmas nahe (und in den Zug zweitausendjähriger kirchlicher Tradition) stellt.
Schließen also zum Beispiel zwei Menschen einen "nur standesamtlich" begründeten Ehepakt, wie es nicht selten vorkommt, so ist, wenn sie getauft sind, auch das Sakrament, als Glieder der Kirche gegenseitig gespendet beziehungsweise miteinander ins Dasein gehoben, darin impliziert. Denn die Ehe wird zwischen zwei Getauften geschlossen.
Zwar wird die "standesamtliche Ehe" in gewisser Hinsicht und häufig zu Recht als "kleinere, unechtere Form" betrachtet, der noch eine Dimension fehle, aber dies bezieht sich auf eine gewisse mentale Reservation, die zu nicht unwesentlichen Teilen auf mangelndem Wissen über die Natur der Ehe aufruht. Die so geschlossene Ehe bleibt auch sakramental gültig, menschliche "Schuld" bezieht sich bestenfalls auf andere Punkte im Verhältnis zu Kirche und Gott.
So nebenbei spitzt diese Rückbesinnung, die jede theologisch-philosophische Reflexion im Grunde ist, viel brisanter, als man auf den ersten Blick meinen mag, manchen Aspekt der Diskussion zu, in der ja die grundsätzlichen Aspekte bislang gefließentlich ausgeklammert blieben, wieweit "Ehe" für "andere Formen menschlichen Zusammenlebens "möglich" sei. Denn ein feiger Rückzug auf utilitaristische ("Aufzucht von Nachwuchs") oder romantische ("Liebe") Argumente, unter Ausklammerung des neuralgischen Punktes - dem der Definition von "Natur" - ist unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr möglich.
Weil Ehe eben, und das arbeitet die Publikation heraus, ein Akt der gesamten menschlichen Natur ist, während das Religiöse als Äußerung zu dieser menschlichen Natur untrennbar gehört, jede menschliche Äußerung also auch eine Äußerung "vor Gott" ist. Der Mensch ragt immer durch alle Dimensionen des Daseins. Die Frage ist nur, ob er sie zur vollen Wesensentfaltung bringt, das Mögliche also wirklich macht. In jedem Fall aber heißt Menschsein, sich zu allen diesen Dimensionen zu verhalten.
Annullierungsgründe für eine Ehe sind also nur dann auch kirchliche Annullierungsgründe, wenn die Ehenichtigkeit auf dem rein natürlichen Gebiet festgestellt wird. Ein - und sei er noch so ausdrücklich - expliziter Ausschluß der Gnadendimension ist gar nicht möglich, weil an den Umstand des Getauftseins, das den "character indelibilis" hat (unzerstörbare, reale Prägung am Menschen bedeutet) gebunden.
Damit wird auch daran erinnert, daß die Aufgliederung in "Übernatur" und "Natur" zwar theoretischen Wert hat, daß aber in praxi beim Menschen eine solche Zweispaltung nicht möglich ist.
Das rückt zusätzlich auch manchen Trugschluß zurecht, der heute weit verbreitet ist - daß nämlich Ehen "durch" den Priester (o. ä.) geschlossen werden. Selbst wenn die Kirche formale Voraussetzungen vorschreibt, so beziehen sich diese ja auf den Umstand, daß die Ehe eine gesellschaftlich-öffentliche Dimension hat, ohne die sie mangelhaft bliebe.
Daß aber Sakrament und "natürlicher Eheschluß" nicht aufspaltbar sind, zeigt wunderbar das ganzheitliche Verständnis des Menschen in der Anthropologie, die dem katholischen (zum hier sehr deutlichen Unterschied zum protestantischen) Gnadenverständnis zugrunde liegt.
Aus diesem Grunde ist auch die heutige Forderung, daß Religion "Privatsache" bleiben müsse, die in der Öffentlichkeit nichts verloren habe, bestenfalls eine Form von Manichäismus (leib-, naturfeindliche Aufspaltung des Menschen), in Wahrheit aber wirklicher aggressiver persönlicher Akt gegen Mitmenschen. Abgesehen davon, daß er in Hinblick auf die vorgebliche Absicht sinnlos und auch unmöglich ist. Jede menschliche Äußerung trägt in sich AUCH eine religiöse Dimension, weil die Wirklichkeit nicht aufspaltbar ist, und immer dieselbe Struktur hat - auch für den der das nicht (mehr) möchte.