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Freitag, 12. Februar 2010

Ein einziges Mißverständnis

Vielleicht ist dieses Trauma nie zu verwinden - wenn ein Mensch erlebt, immer mißverstanden zu werden. Wenn ein Mensch erlebt, daß alles, was er tut, falsch gedeutet wird. Wenn er in dem Gefühl aufwächst und lebt, daß seine Formensprache wirkungslos bleibt.

Und wenn er noch dazu aus innerer Wahrhaftigkeit fühlt und weiß, daß der Grund dafür in hohem Maß in menschlichen Schwächen und Bosheiten liegt, in die die Welt versinkt: die kollektiv in den Wahn der Wahrheits- und Wirklichkeitsverweigerung verfallen ist.

David Jones schreibt einmal, daß der Dichter eingespannt ist in das Problem, gültige Zeichen zu finden, das sei seine eigentliche Aufgabenstellung: daß sein Werk zu einem gültigen Zeichen werde. Er preßt sich an das Darzustellende an, und versucht seine Zeichen (Wort, Bild, ...) in möglichst ganzheitlicher Art und mit allen ihm dabei mitschwingenden Konnotationen, aber immer in asketischer Geläutertheit, danach zu wählen und zu formen.

Aber er meint auch, daß er mit vielen anderen (er nennt unter anderem James Joyce und Thomas Mann) in den 1920er Jahren etwas erlebt hat, das er "Bruch" nannte. Mit einem Male waren die Zeichen, die die Kunst hervorbrachte, die Liturgie der Wahrheit, der Schöpfung, nicht mehr die Zeichen der Menschen.

David Jones (1895-1974), ein eifriger englischer Kunstschüler, wurde bei Ausbruch des ersten Weltkriegs von seiner Staffelei gerissen und zum Einsatz an die Westfront geschickt. Dort sah er eines Abends, auf der Suche nach Brennholz für den Schützengraben, durch die Ritzen eines Verschlags zum ersten Mal eine heilige Messe.

Dieses Bild blieb ihm unauslöschlich eingeprägt und bestimmte von da an sein Leben und Werk. Er konvertierte zur katholischen Kirche. Nach Ende des Krieges schloß er sich für einige Jahre einer Künstlergilde an, in der man sich gemeinsam, in einem fast klösterlichen Leben, um die klassisch-christliche Tradition bemühte, um ihr - "so als könne man eine Kultur entstehen lassen" - in modernen Formen Ausdruck zu geben. Erst als er schon einen bedeutenden Ruf als Maler und Graphiker hatte, fing Jones auch an, zu schreiben. Bei seiner seltenen Doppelbegabung diente ihm die Sprache ebenso als künstlerisches Material wie Farbe und Pinsel. Was er malte, das schrieb er auch, und was er schrieb, schlug sich nieder in einer Vielfalt von Aquarellen, Graphiken und Kalligraphien. Sein Leben war ausschließlich dieser Tätigkeit gewidmet. Er wohnte und arbeitete in einem Londoner Zimmer, das vollgestopft war mit dem Material zweier Disziplinen, immer allein und immer in Geldnot. Dieser Zustand änderte sich auch nicht, als berühmte Zeitgenossen wie T.S. Eliot, W.H. Auden und Igor Strawinski zu seinen Freunden und Bewunderern wurden. Seine Bilder sind heute in den bekannten Museen Englands zu sehen oder erzielen im Kunsthandel hohe Preise.

Die letzten Jahre verbrachte er in vollkommener Armut bei Nonnen in einem Pflegeheim. Dort starb er 1974. Sein hundertster Geburtstag fiel auf den 1. November 1995. 


Quelle: kath-info.de




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