Es gibt sie nicht nur selten, sie sind fast die Regel, und es war vielleicht nie anders - in der Kunstbranche Tätige (hier definiert das Wort "Künstler" gar nichts, ist hier lediglich unabgrenzbare Teilmenge der Genannten) die großmundig in ihren Werken für ein "humanes Anliegen" eintreten. Die nicht müde werden, moralisch explizit zu wirken, und in allen Stellungnahmen ihr Anliegen - ach wie selbstlos - in den Vordergrund schieben:
Die Schlechtigkeit der Menschen (mit, natürlich, dem koketten Hinweis, daß man ja selber auch nicht anders sei, oder auch so sein könnte), des Landes, der Kirche, der Institutionen, der Politiker, der Unternehmer, der Künstler ... bloßstellen, und so weiter, und so fort.
Was, unter uns gesagt, sollte leichter sein? Eines ist nämlich gewiß: daß jeder seine Schlechtigkeiten, Verführbarkeiten, Anfälligkeiten, Schwächen hat. Deshalb ist es schlicht und fast immer nur banal zu beweisen, daß "auch ein Gott beim Scheißen stinkt" (Zitat aus "Der Odysseus", von E. Wagner - man will ja nicht Plagiator seiner selbst sein).
Und alle in der Kunstbranche Tätigen haben sie auch. Darauf hinzuweisen heißt also nur, daß sie damit einen lediglich eleganten, aber in Wahrheit stinkfeigen Weg der Unangreifbarkeit gerade dessen gehen, was sie als ihr Werk ausgeben. Und das sie möglicherweise ... nur als Vehikel benützen. Das (siehe andere Repliken an dieser Stelle) nur so aussehen muß wie ein Kunstwerk, solange es eine moralische Botschaft verkündet, und das um "Erfolg" zu haben lediglich genug Leute braucht, die (auch aus schlechtem Gewissen vielleicht) so tun als wäre es das, wofür es sich ausgibt. Und deren gibt und gab es ja beileibe immer genug.
Jede Kritik an ihrem Werk aber - sofern sich eine solche überhaupt noch zu erheben wagt - verschwimmt perfiderweise augenblicklich und ununterscheidbar zur Gegenposition zu ihren (in ihren Augen) unanfechtbaren moralischen Forderungen. Und sind diese gar nicht unanfechtbar, so erst recht. Dann sind sie sogar noch zufrieden in ihrem Ego, in ihrer Identität gefestigt, weil sie eine Diskussion angezettelt, ein Thema aufgegriffen haben, das ja (für die anderen) so wichtig ist, und so weiter, und so fort. Wie das Künstler ja so zu tun hätten.
In jedem Fall sind sie (meinen sie) aus dem Schneider - sie stehen in einer win-win-Situation, schon gar öffentlichen Stellen (weil Geldgebern) gegenüber, die - weil hierzulande alles politisch durchwirkt ist - sich gerne und natürlicherweise jedes ihre Politik unterstützenden Windes dankbarst erfreuen.
In jedem Fall ist gerechtfertigt auf jene zu schimpfen, die das Stück, das Werk, kritisieren. Und in jedem Fall - so erscheint es zuweilen - haben sie sich für etwas eingesetzt.
Das es ... vielleicht gar nicht lohnt, auch nicht in ihren Augen. Was sie wissen: denn erst jetzt, und umso mehr stärkt die entgegenbrandende Entrüstung ihre Identität, als Künstler wahrhaft am Pult der Zeit zu lauschen, wofür die Entrüstung beredtes Zeugnis ablegt. Ein Künstler muß auch aufregen können.
Sie irren. Sie irren selbst dort, wo sie meinen zu meinen (sic!), daß genau das gemeint sei, wenn man von "Aussage" spricht, die ein Künstler zu haben habe, sonst sei er keiner: eine moralische Ermahnung. Eine Aussage zur Zeit. Wie der Philosoph, oder der Prophet verkündet, oder wie sie jedes Kunstwerk (sonst ist es keines) - im Dargestellten immanent, indirekt enthält, so daß sogar eine explizite Aussage zur indirekten wird (ich weiß, kompliziert genug ...), was aber nur das Publikum, wenn das Werk gut ist, in sich, als Antwort, als Reaktion still oder laut, immer aber frei, formuliert.
Auch und vor allem aber irren sie, weil sie sich etwas gar nicht vorstellen können, nein, wollen, denn dann würde es für sie ungemütlich: daß es tatsächlich Menschen gibt, und zwar vor allem auch im Publikum, die sich wirklich nur um die Qualität eines Kunstwerks kümmern, und dazu noch eine gebildete Meinung und Erfahrung haben - während ihnen der Inhalt (fast) egal ist. Weil jeder Inhalt, wenn er in einem guten Kunstwerk aufgegriffen ist, es auch wert ist, betrachtet und erwogen zu werden. Jeder.
Weil es in der Kunst - und wie froh wäre man doch, diesen Begriff endlich von dort "heruntergeholt" zu haben, wohin ihn ein schreckliches, kleinkariertes Bildungsbürgertum geschoben hat - tatsächlich nur um die formale Vollkommenheit geht. Daß Freiheit, Gutheit und Wahrheit in der Kunst eine solche FÜR die Wahrheit der Form (und nicht eine von ihr) ist - und damit zur Schönheit (und auch nicht zur Hübschheit, und auch nicht zur "Ästhetik") verschmilzt.
Bei allen, die in der Kunstbranche arbeiten. In jeder Sparte.